Gewalt gegen Polizisten:"Wir verlieren Macht und Respekt"

Beschimpfungen, Angriffe, fehlender Respekt: Eine Streifenbeamtin beklagt sich über das Verhalten aggressiver straffälliger Migranten. Polizisten in ganz Deutschland diskutierten jetzt über ihren Beitrag - viele Kollegen jubeln ihr zu.

Von Bernd Dörries, Dortmund

Gewalt gegen Polizisten

Ein gewalttätiger Demonstrant schlägt in Lübeck einen Polizeibeamten nieder.

(Foto: dpa)

Vor ein paar Monaten war es ihr wieder einmal zu viel. Ein Türke in Bochum hatte die Polizei um Hilfe gerufen, und als Tania Kambouri mit einer Kollegin eintraf, da schrie und tobte der Anrufer, er wolle männliche Polizisten, es fielen unschöne Worte. In der Nacht setzte sich Kambouri an den Schreibtisch und schrieb einen Leserbrief an die Deutsche Polizei, das Mitgliedermagazin der Gewerkschaft der Polizei (GdP).

Die ist seitdem damit beschäftigt, eine Auswahl der vielen hundert Reaktionen zu drucken, die es auf den Brief von Kambouri gab: Endlich traut sich mal jemand. Endlich mal Klartext. So kann man die Reaktionen zusammenfassen. Es ist eine Stimmung, die ein wenig an Thilo Sarrazin erinnert. Und an das "Man wird doch noch sagen dürfen".

Beschimpfungen, Gewalt - der Streifendienst sei oft ein Kampf

"Meine Kollegen und ich werden täglich mit straffälligen Migranten, darunter größtenteils Muslimen, konfrontiert, welche nicht den geringsten Respekt vor der Polizei haben", schreibt Kambouri in ihrem Brief. Ihr Streifendienst sei oft ein einziger Kampf darum, sich noch etwas Respekt zu verschaffen. Es hagele Beschimpfungen, manchmal komme es auch zu Gewalt: "Meine deutschen Kollegen scheuen sich, ihre Meinung über die straffälligen Ausländer zu äußern, da sofort die alte Leier mit den Nazis anfängt."

Kambouri ist 30 Jahre alt, ihre Eltern kommen aus Griechenland, sie wurde in Deutschland geboren. Polizistin zu werden, das sei schon immer ihr Traum gewesen. In der Schule sei sie schon immer dazwischengegangen, wenn es Streit gab. Streit gibt es nun jeden Tag, wenn sie in Bochum auf Streife geht.

Bei Migranten sei es dann oft so, dass man es erst nur mit ein oder zwei Straftätern zu tun habe. Die trommelten dann über Telefon ihre Leute zusammen. "Plötzlich sind da dreißig Mann", sagt Kambouri. Die Straftäter haben Verstärkung geholt. Die Polizei nicht. "Wir ziehen uns dann lieber zurück, bevor es Verletzte gibt", sagt Kambouri, "aber wir verlieren Macht und Respekt."

"Wir haben Probleme mit gewissen Bevölkerungsgruppen"

Als der Brief in der Zeitschrift abgedruckt wurde, da quoll am nächsten Tag ihr Postfach über. Fast alle Reaktionen seien positiv gewesen. Polizisten in ganz Deutschland diskutierten ihren Beitrag, der zehntausendfach durch Foren im Netz weitergeleitet wurde. Auch von rechts gab es Beifall. Die Vorgesetzten wussten nicht so recht, wie sie nun mit der Diskussion umgehen sollten, es ist ein heikles Thema. Kambouri sollte erst einmal keine Interviews geben. Zu ihrem eigenen Schutz, so hieß es.

Am Mittwochabend sitzt die junge Polizistin dann auf einem Podium in der Dortmunder Westfalenhalle, zusammen mit ihrem obersten Dienstherrn, Innenminister Ralf Jäger (SPD). Es geht um Kambouris Beitrag und um Gewalt gegen Polizisten im Allgemeinen. Der Landesverband Nordrhein-Westfalen der GdP hatte eine Studie in Auftrag gegeben, nach der die Hälfte aller Polizisten im Jahr 2011 mindestens einen tätlichen Angriff hinnehmen musste. Aber nur die Hälfte von ihnen stellte einen Strafantrag.

Pk Polizeigewerkschaft

"Keine Gewalt gegen Polizisten" steht auf einem Anstecker der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG)

(Foto: dpa)

Viele Polizisten fühlen sich mit dem Problem allein gelassen

"Wir haben Probleme mit gewissen Bevölkerungsgruppen, da gibt es nichts schönzureden", sagt Kambouri. Das Problem erlebe jeder Polizist im Alltag, nur ändern würde sich nichts. Viele Kollegen hätten den Eindruck, dass es eh nichts bringe, einen Strafantrag zu stellen, weil der sehr oft von den eigenen Vorgesetzten abgelehnt werde. Oder vor Gericht dann ein mildes Urteil herauskomme: "Wir haben in der Politik und der Justiz keinen Rückhalt mehr." Im Saal sitzen 450 Polizisten, sie klatschen, sie rufen: "Richtig!".

Innenminister Jäger sieht die Gewalt gegen die Polizei vor allem als ein Problem junger und betrunkener Fußballfans, gegen die man angehen müsse. Die Politik müsse sich "committen" und Ressourcen "poolen". Der Saal murrt.

Jede Seite zeigt auf die andere

Kambouri sagt, sie habe kaum negative Reaktionen auf ihren Text bekommen. In der Mitgliederzeitschrift gibt es aber auch kritische Reaktionen, die meisten stammen von Polizisten, die ebenfalls einen Migrationshintergrund haben. "Die Anzahl der wenig integrierten Problemfälle wird steigen in unserem Land. Nicht härtere Sanktionen werden da der richtige Ratgeber sein, sondern Prävention", schreibt einer. Andere finden, die Diskussion sei voller "Stammtischparolen".

Es ist auch noch gar nicht so lange her, da diskutierte das Land darüber, wie sich die deutsche Polizei zu Menschen verhält, deren Vorfahren einmal woanders gelebt haben. Viele Jahre lang wurden die Angehörigen von Opfern der NSU-Terroristen verdächtigt, Drogendealer zu sein oder Mörder. In den Vermerken der Polizei war an verschiedenen Stellen die Rede von "Negern" und "Zigeunern", die typischerweise lügen würden. Dunkelhäutige Mitbürger werden in Süddeutschland und an Bahnhöfen ständig kontrolliert, stehen aufgrund ihrer Hautfarbe unter Generalverdacht.

Tania Kambouri sagt, die deutsche Polizei unterscheide nicht nach Hautfarbe, Religion und Geschlecht. Jede Seite zeigt auf die andere.

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