Getöteter Achtjähriger:Der Fall Gabriel erschüttert Spanien

Kriminalfall Gabriel in Andalusien

Spanische Polizisten untersuchen die Umgebung des Ortes, an dem Gabriel am 27.02.2018 verschwunden ist. Zwölf Tage später wurde seine Leiche gefunden.

(Foto: dpa)
  • Die spanische Polizei hat einen aufsehenerregenden Mordfall um einen Achtjährigen gelöst.
  • Mehr als zwei Wochen lang war nach dem Jungen gesucht worden.
  • Nun hat die Lebensgefährtin des Vaters gestanden, den Jungen "versehentlich" erstickt zu haben.

Von Thomas Urban, Madrid

Zwei Wochen lang hat der Fall des kleinen Gabriel Cruz ganz Spanien in Atem gehalten, nun ist er aufgeklärt. Am 27. Februar war der Achtjährige im 40 Kilometer von der Hafenstadt Almería entfernten andalusischen Dorf Las Hortichuelas in der Gemeinde Níjar spurlos verschwunden. Am helllichten Tag, nachmittags gegen halb vier. Er verließ das Haus seiner Großeltern, um seine Cousins zu besuchen. Bei denen aber kam er nie an, die beiden Häuser liegen gerade einmal 100 Meter auseinander.

Die Dorfgemeinschaft war schnell alarmiert, schon eine Stunde später begann die Suche nach dem Verschwundenen, die Dörfler schauten in jedes Haus, in jeden Stall, in jeden Brunnen. Vom nächsten Tag an durchsuchten Einheiten der Polizei das nahegelegene Naturreservat.

Dann kamen Experten der Kriminalpolizei, wenig später auch Presse und Fernsehen und verfolgten die Dorfbewohner auf Schritt und Tritt. Sehr schnell offenbarte sich eine schwierige Familienkonstellation um den kleinen Gabriel. Die Eltern waren geschieden, hatten beide gemeinsam das Sorgerecht. Der Vater hatte eine neue Lebensgefährtin gefunden, Ana Julia Q., eine dunkelhäutige Einwanderin aus der Dominikanischen Republik, die in dem Dorf wegen ihrer Herkunft und Hautfarbe als Außenseiterin galt.

Die Mutter beschuldigte von Anfang an die Lebensgefährtin des Vaters

Vor den Fernsehkameras breiteten Nachbarn aus, dass die Eltern sich nie verstanden hätten, dass deren Ehe an Eifersucht gescheitert sei, dass der Vater mit dem Sohn nicht gut auskomme, aber sein Sorgerecht verbissen verteidige. Für die Regenbogenpresse stand bald fest: einer von beiden hat das Kind umgebracht, der Vater oder die Mutter. Die Suche wurde ausgedehnt, nachdem in den Bergen, 30 Kilometer von dem Dorf entfernt, ein Kinderhemd Gabriels gefunden worden war.

Was die Öffentlichkeit nicht erfuhr: Der Vater schloss zwar gegenüber den Kriminalbeamten eine Täterschaft der Mutter nicht aus, diese aber beschuldigte von Anfang an dessen Lebensgefährtin Ana Julia Q. als die Verantwortliche für das Verschwinden des Kindes, das nach Meinung des Leiters der Fahndung ja noch am Leben sein könnte. Die Frau aus der Karibik weinte vor den Kameras um den kleinen Gabriel, gestützt von dessen Vater. Sie schlug vor, die von den Behörden ausgesetzte Belohnung von 10 000 Euro für Hinweise, die zu dem Kind führen, noch zu erhöhen.

Doch mehrere der Kriminalpolizisten bekamen den Auftrag, sie zu überwachen. Am Sonntag fuhr sie zu der vier Kilometer von dem Dorf entfernten Finca, in der sie mit dem Vater Gabriels wohnte. Die ihr heimlich gefolgten Polizisten beobachteten, wie sie einen Sack in den Kofferraum ihres Wagens lud. In dem Sack war die nackte Leiche des Jungen. Am Dienstag wurde er beerdigt, zum Requiem reiste politische Prominenz aus Madrid und der andalusischen Regionalhauptstadt Sevilla an.

Ana Julia Q. wurde bei einem Ortstermin von einer Gruppe Dorfbewohner beschimpft, Polizisten mussten verhindern, dass sie gelyncht wurde. Nun gab die Staatsanwaltschaft bekannt, dass die Festgenommene kooperativ sei, sie habe ausführlich den Tathergang beschrieben: Zufällig habe sie den kleinen Gabriel gesehen, als sie mit dem Auto durch das Dorf gefahren sei. Sie habe ihn eingeladen, mit zu der Finca zu kommen, die Gabriels Vater und sie gerade renovierten.

"Außer sich vor Wut" habe sie ihn geschüttelt

Dort habe der Junge mit einer scharfen Axt gespielt. Als sie sie ihm habe wegnehmen wollen, sei er aggressiv geworden und habe sie angeschrien: "Du bist nicht meine Mutter, du hast mir nichts zu sagen, ich will nicht, dass du hierher zurückkommst!" Ana Julia gab an, sie sei wütend geworden, habe den Jungen mit dem stumpfen Ende der Axt geschlagen, ein Schlag habe ihn unglücklich am Kopf getroffen, er habe das Bewusstsein verloren. Immer noch "außer sich vor Wut" habe sie ihn geschüttelt. Als er wieder zu schreien anfing, habe sie ihm Mund und Nase zugehalten. Erschrocken habe sie nach wenigen Augenblicken gemerkt, dass sie ihn versehentlich erstickt hatte. In Panik habe sie die Leiche erst einmal in einem Brunnen versteckt, dann die falsche Spur mit dem Kinderhemd gelegt.

Die Mutter nannte die Geliebte ihres Ex-Manns eine Hexe. Nachbarn wollen wissen, dass dieser wegen des kleinen Gabriels nicht in die Dominikanische Republik umsiedeln wollte, Ana Julia Q. habe ihn stets mit diesem Wunsch bedrängt.

Ihr droht lebenslängliche Haft, falls die Richter die Tat als Mord bewerten. Bei Totschlag im Affekt aber käme sie mit drei bis vier Jahren davon. Ihr Lebensgefährte will sie nie mehr wiedersehen. Bei der Beerdigung stand er neben seiner Exfrau, beide weinten.

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