Getötete Briten in Thailand:Tod unter Palmen

Getötete Briten in Thailand: Hannah W. und David M. sind am Strand in Thailand ermordet worden.

Hannah W. und David M. sind am Strand in Thailand ermordet worden.

(Foto: AFP)

Ein Pärchen aus Großbritannien wird nachts am Strand in Thailand getötet. Zunächst geraten Freunde des jungen Mannes in Verdacht, dann Wanderarbeiter aus Myanmar. Doch inzwischen muss die Polizei zugeben: Sie hat "keine Ahnung", wer die brutale Tat begangen hat.

Von Oliver Klasen

Die Schlagzeile, die die Onlineausgabe der thailändischen Zeitung Bangkok Post über ihre Titelgeschichte setzt, klingt furchteinflößend: "Beach killer still free", auf deutsch: "Der Strandmörder läuft noch frei herum". Das Titelbild zeigt die beiden Opfer jenes mutmaßlichen Mörders: Porträtfotos einer jungen Frau und eines jungen Mannes, zwei ovale Passepartouts, gold umrahmt, daneben ein Gesteck aus weißen Blumen.

Es sind die 23-jährige Hannah W. aus dem kleinen Ort Hemsby in Ostengland und der 24-jährige David M. von der Kanalinsel Jersey. Ihre nur halb bekleideten und von schweren Kopfverletzungen entstellten Leichen waren am Montag gegen 6.30 Uhr zwischen Felsen am Sairee Beach gefunden worden, einem 1,7 Kilometer langen Strandabschnitt auf der kleinen Insel Koh Tao im Golf von Thailand, der vor allem bei jüngeren Touristen das ganze Jahr über sehr beliebt ist. Sairee Beach gilt als einer der schönstem Strände in ganz Thailand.

Allerdings ist es kein einsamer, sondern auch abends ein sehr belebter Strand. Direkt hinter dem Tatort sind auf Fotos Pensionen zu sehen. Nur dieser kleiner Bereich, in dem die Leichen gefunden worden, ist schwer einsichtig. Der weiße Sand fällt flach ins Wasser ab. Es gibt zahlreiche Tauchschulen und wenn die Sonne unter geht, dann kommen Feuerspucker und Musiker. Aus den Strandbars dringt tagsüber ruhiger Loungesound und abends laute Partymusik.

Für die örtliche Polizei ist die Aufklärung des Falls eine Herausforderung. Alle Schiffe, die von Koh Tao ablegten, wurden kontrolliert, Dutzende Touristen befragt. Insgesamt zwölf Personen sind in den Kreis der Verdächtigen geraten. Überprüft wurden zum Beispiel zwei Brüder, die gemeinsam mit dem männlichen Opfer auf der Insel Urlaub gemacht hatten. Außerdem hat die Polizei mehrere aus Myanmar stammende Wanderarbeiter verhört. Von allen Verdächtigen haben die Ermittler DNA-Spuren gesichert. Doch das Ergebnis ist negativ: Keine Übereinstimmung mit dem genetischen Material, das am Tatort gesichert wurde, wie unter anderem das deutschsprachige thailändische Newsportal Der Farang berichtet.

Verdacht gegen Freunde des Mannes erhärtete sich nicht

Dabei schien der Verdacht gegen die beiden Brüder zunächst relativ konkret zu sein. Einer von beiden wollte Thailand nur Stunden nach der Tat plötzlich verlassen und wurde von der Polizei am Flughafen von Bangkok aufgegriffen. Außerdem fanden sich an seiner Hose Spuren, die auf den ersten Blick wie Blutflecke aussahen. Kurzzeitig in den Fokus der Polizei geriet auch der Bruder des Mannes, weil er Verletzungen an der Hand aufwies. Er wurde jedoch schnell wieder entlassen, nachdem er eine "zufriedenstellende Erklärung" für die Wunden liefern konnte, wie ein Behördensprecher sagte.

Die Polizei muss jetzt wieder komplett neu ansetzen. Ein Polizeisprecher gibt freimütig zu, dass man "keine Ahnung" habe, wer die beiden Briten getötet haben könnte, wie es in der Daily Mail heißt. Auch darüber, ob sich der oder die Täter überhaupt noch auf der Insel aufhielten, gebe es keinerlei Erkenntnisse.

Die Ermittler hoffen, weitere Zeugen zu finden, die die beiden Briten oder andere relevante Personen womöglich in der betreffenden Nacht gesehen haben. Der vielversprechenste Ansatz ist derzeit eine Gruppe von jungen Menschen, die in der Tatnacht am Strand gesungen und Gitarre gespielt haben soll. Vermutlich waren es Touristen, jedenfalls hätten sie nach Angaben der Polizei "westliche Popsongs" gesungen. "Wir glauben, dass es drei Leute waren, die im Dunkeln gesungen haben. Vielleicht haben sie etwas gesehen oder wissen etwas, das wichtig sein könnte", sagte Prathum Reungthong, der örtliche Polizeichef.

Zwei verschiedene Spermaspuren

Einigermaßen gesichert erscheint Zeugenaussagen und dem vorläufigen Obduktionsbericht zufolge nur der Tathergang: Hannah W. und David M. haben am Abend des 14. September gemeinsam eine Bar verlassen und sind zum Strand gegangen, vermutlich, um dort Sex zu haben. Irgendwann müssen sie attackiert worden sein, unter anderem mit einer Gartenhacke, die nahe des Tatorts gefunden wurde.

Wie der Guardian berichtet, wies die Leiche der Frau Schnittverletzungen am Kopf auf, während der Mann mit einem Gegenstand auf den Kopf geschlagen wurde. Außerdem fand sich in seiner Lunge Wasser, möglicherweise ist er im Meer ertränkt worden. Offenbar hat David M. sich heftig gewehrt, an seinen Händen zeigten sich Verletzungen, die von einem Kampf herrühren. Wie ein Gerichtsmediziner im TV-Sender Kanal 7 sagte, wurden im Körper der getöteten Hannah W. zwei verschiedene Spermaspuren gefunden. Das deutet darauf hin, dass die Frau nicht nur mit ihrer Strandbekanntschaft David M. Sex hatte, sondern von mindestens einem Täter vergewaltigt wurde. Zunächst war von den Behörden erklärt worden, dass sich keine Anzeichen einer Vergewaltigung gefunden hätten.

Auf Koh Tao, genau wie auf den ebenfalls touristisch geprägten Nachbarinseln Koh Phangan und Koh Samui, ist das Verbrechen das Gesprächsthema schlechthin. Viele Einheimische sind schockiert über die Brutalität der Täter und haben Blumen niedergelegt, um ihr Mitgefühl auszudrücken. Außerdem fürchten sie, dass infolge der Ereignisse Touristen die Inseln meiden könnten. In vielen britischen Medien wird breit über den Fall berichtet, wohl auch deshalb ist die Polizei stark unter Druck, möglichst schnell Ergebnisse zu präsentieren.

Empörung über den thailändischen Premierminister

Zusätzlich sorgte am Mittwoch Thailands Regierungschef Prayuth Chan-ocha für Empörung. "Touristen meinen, sie könnten machen, was sie wollen, aber sind sie im Bikini wirklich sicher?", sagte er. Eine Gefahr gebe es natürlich nur für hübsche Frauen, fügte er in einer Bemerkung hinzu, die er als Scherz verstanden haben wollte. Am Donnerstag nahm er seine Aussage zurück: "Ich entschuldige mich, wenn meine Äußerungen jemanden beleidigt haben sollten", sagte Chan-ocha auf Fragen von Reportern.

In sozialen Netzwerken kritisierten viele Nutzer die Entgleisung am Donnerstag. "Ich schäme mich, dass mein Land mit solchen dummen Ansichten in Verbindung gebracht wird", schrieb ein Thailänder auf Facebook.

"Natürlich kann nichts eine derart brutale Tat rechtfertigen. Die beiden Briten sind ja regelrecht abgeschlachtet worden", sagt Sam Gruber, ein ehemaliger, ursprünglich aus München stammender Journalist, der seit 17 Jahren in Thailand lebt und auf Koh Samui ein Hotel betreibt. Er kennt die Touristenszene auf den Inseln und hat gleichzeitig sehr viel Kontakt zu Einheimischen.

"Viele Thais sprechen es nicht offen aus, aber sie sind verstört, wenn westliche Frauen sich kaum bekleidet nicht nur am Strand, sondern auch in Restaurants oder Supermärkten zeigen. Und sie glauben, dass die beiden jungen Briten heute noch am Leben wären, wenn sie nicht direkt unterhalb des bei den Thais heiligen Felsens Geschlechtsverkehr gehabt hätten".

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