Gerichtsurteil:Religionsfreiheit fällt ins Wasser

Das Düsseldorfer Verwaltungsgericht hat entschieden: Eine muslimische Schülerin muss weiter am Schwimmunterricht teilnehmen. Die Familie wird das Urteil kaum akzeptieren.

Johannes Nitschmann , Düsseldorf

Am Ende der mündlichen Verhandlung erteilt der Vorsitzende Richter Uwe Sievers der zwölfjährigen Hümeyra A. das Wort. "Ich war schockiert, als ich zum Schwimmunterricht sollte", sagt das zierliche Mädchen mit dem grauen Kopftuch. Dann versagt der strenggläubigen Muslima ihre leise Stimme - vor lauter Lampenfieber in dem kühlen Gerichtssaal.

Gerichtsurteil: Der übliche Unterricht ist kein Problem für eine junge Muslima. Schockiert zeigte sie sich allerdings über den Schwimmunterricht (Symbolbild).

Der übliche Unterricht ist kein Problem für eine junge Muslima. Schockiert zeigte sie sich allerdings über den Schwimmunterricht (Symbolbild).

(Foto: Foto: dpa)

Zuvor war im Saal 240 des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts lautstark darüber gestritten worden, ob die Sechstklässlerin am Schwimmunterricht der Remscheider Alexander-Humboldt-Realschule teilnehmen muss. Schließlich wies die 18. Kammer des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts am Mittwoch die Klage der Eltern von Hümeyra ab, ihre Tochter "aus religiösen Gewissensgründen" vom koedukativen Schwimmunterricht zu befreien.

Das Gericht hält es für "zumutbar", dass Hümeyra künftig mit einer speziellen, ihren Körper weitgehend umhüllenden Sportbekleidung am Schwimmunterricht teilnimmt. "Die meiste Zeit ist der Körper beim Schwimmunterricht ohnehin im Wasser", sagte Richter Sievers. Während des theoretischen Schwimmunterrichts könne das Mädchen einen langen Bademantel tragen. Zwar erkannte das Gericht an, dass die religiösen Gewissensgründe der Zwölfjährigen "durchaus plausibel" seien und der Schwimmunterricht einen Eingriff in die Religionsfreiheit der Muslima bedeute.

Allerdings sei es der Schule aus organisatorischen Gründen nicht zuzumuten, einen eigenen Schwimmunterricht für Mädchen mit einer weiblichen Lehrkraft anzubieten, urteilten die Richter. Hier kollidierten die Grundrechte der Religionsfreiheit und des staatlichen Erziehungsauftrags miteinander. Bei solchen Grundrechts-Konflikten, erklärte der Vorsitzende Richter, sei für "einen schonenden Ausgleich" der gegensätzlichen Interessen zu sorgen.

Dieses salomonische Urteil wird Hümeyra und ihre Eltern kaum zufriedenstellen. Der Rechtsstreit wird demnächst wohl beim Oberverwaltungsgericht in Münster landen. "Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falles" haben die Düsseldorfer Verwaltungsrichter eine Berufung ausdrücklich zugelassen. Laut Verwaltungsgerichts-Sprecher Gerd-Ulrich Kapteina handelt es sich bei der Klage um "ein Pilotverfahren". An etlichen Schulen pochen derzeit muslimische Schüler und deren Eltern auf die Befreiung von Sport- und Schwimmunterricht.

Vor der Urteilsverkündung hatten sich die Rechtsanwälte der klagenden Eltern und die Vertreter des Schulträgers heftige Wortgefechte geliefert. Kläger-Anwalt Martin Heising nannte es "beschämend, ein zwölfjähriges Mädchen wegen "netto 40 Minuten Schwimmunterricht in der Woche vor ein Gericht zu zerren". Hümeyra A. sei eine praktizierende Muslima, die Allahs Gebote streng befolge. Nach dem Koran sei es ihr untersagt, gemeinsam mit Jungen und mit unbedeckten Körperteilen am Schwimmunterricht teilzunehmen. "Das seelische Empfinden des Mädchens muss geschützt werden", verlangte Heising.

Scharfe Töne schlug der Schuldezernent der Stadt Remscheid, Christian Henkelmann (CDU), in der Gerichtsverhandlung an. "Ich will keine anatolischen Verhältnisse an unseren Schulen", sagte Henkelmann. Daraufhin warfen ihm die gegnerischen Anwälte "Kultur-Imperialismus" vor. Falls das Gericht Hümeyra vom Schwimmunterricht befreie, erklärte Henkelmann, werde "ein Zweiklassenrecht in einer Schulklasse" etabliert.

Bei der Entscheidung der Schulleitung, die Zwölfjährige zur Teilnahme am Schwimmunterricht zu verpflichten, gehe es "vor allem auch um die Persönlichkeitsentwicklung, die Gesundheit und die Integration des Mädchens", sagte Henkelmann. "Nur so kann Hümeyra zu einer autonomen und selbstbestimmten Persönlichkeit reifen." (AZ 18 K 301/08)

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