Gerhart-Hauptmann-Schule:Berlins bekannteste Flüchtlingsunterkunft soll geräumt werden

Auftrag Berlin 01 07 2014 Noch immer zahlreiche Unterstützter an der Gerhard Hauptmann Schule in der

Ein Flüchtling auf dem Dach der Gerhart-Hauptmann-Schule im Jahr 2014

(Foto: imago/Olaf Wagner)
  • Seit fast fünf Jahren ist die ehemalige Gerhart-Hauptmann-Schule in Berlin von Flüchtlingen besetzt.
  • Jetzt haben die Bezirksbehörden eine Räumungsklage gewonnen und einen Gerichtsvollzieher eingeschaltet.
  • Doch auch gegen das nun geplante Wohnprojekt formiert sich bereits Widerstand.

Von Verena Mayer, Berlin

Roter Backstein, Bäume rundherum, auf eine Mauer hat jemand in großen schwarzen Buchstaben "Refugees Welcome" gesprayt. Ein Gebäude wie so viele in Berlin-Kreuzberg. Nur der hohe Zaun und der Wachmann, der erscheint, sobald man sich dem Tor nähert, deuten darauf hin, dass das kein gewöhnliches Gebäude ist. Und tatsächlich ist fast nichts mehr hier gewöhnlich. Hier ist einer der umstrittensten Orte Berlins: die ehemalige Gerhart-Hauptmann-Schule.

Seit fast fünf Jahren ist sie von Flüchtlingen besetzt. Die weigern sich auszuziehen, damit auf dem Gelände ein alternatives Wohnprojekt für Flüchtlinge, Obdachlose und Studenten entstehen kann. Mehrere Versuche, die Schule räumen zu lassen, sind gescheitert. Bis jetzt. Die Bezirksbehörden haben eine Räumungsklage gewonnen und den Gerichtsvollzieher eingeschaltet. Der soll demnächst am Zaun stehen.

Einer größeren Öffentlichkeit ist das Gebäude bekannt, seit es im Jahr 2014 in die überregionalen Schlagzeilen katapultiert wurde. Damals lebten Hunderte Menschen in der aufgelassenen Schule, kampierten in alten Klassenzimmern, schliefen auf einem Matratzenlager in der Aula. Eigentlich sollte die leer stehende Schule nur als provisorische Unterkunft für Flüchtlinge dienen, die Ende 2012 bei einem Protestmarsch aus Würzburg nach Berlin gekommen waren. Der Bezirk hatte sie ihnen zur Verfügung gestellt, es war Winter.

Symbol für die Flüchtlingskrise in Deutschland

Nach und nach zogen immer mehr Leute in das Haus. Junge Männer aus Afrika, Roma-Familien, Obdachlose aus dem Görlitzer Park, Flüchtlinge aus Kriegsgebieten. Es gab nur rudimentäre Sanitäranlagen, die Bewohner waren sich selbst überlassen, zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kam es immer wieder. Bis die Situation eskalierte - und ein Flüchtling einem anderen beim Streit um die einzige Dusche ein Messer in den Bauch rammte.

Daraufhin sollte die Schule geräumt werden, doch die Bewohner weigerten sich. Hunderte Polizisten marschierten auf, Tausende Berliner gingen aus Protest gegen die Räumung auf die Straße. Die Bilder der Männer, die auf das Dach der Schule kletterten und drohten, sich in die Tiefe zu stürzen, gingen um die Welt. Das war im Sommer 2014, lange bevor Hunderttausende Flüchtlinge nach Deutschland kamen und in den zuständigen Berliner Behörden das Chaos ausbrach. Und doch war die Berliner Schule ein erstes, frühes Symbol dafür, was passiert, wenn die Flüchtlingskrise die überforderten deutschen Kommunen trifft.

Seither ist einiges passiert. Oder auch gar nichts, je nachdem, welche Perspektive man einnimmt. Da sind einmal die Bewohner, die sich bis heute im Südflügel der Schule eingerichtet haben. 22 Männer sind dort noch gemeldet, zehn gehören zum harten Kern. Die meisten sind aus Afrika und haben in Berlin kleine Jobs oder Familie, ein Mann aus dem Senegal verkauft im angrenzenden Görlitzer Park Sandwiches. Die vergangenen Jahre wurden sie von Aktivisten unterstützt und haben Kunstprojekte gemacht.

Das Gebäude verfiel immer mehr, ein Teil brannte aus

Und sie haben versucht, sich vor Gericht ein dauerhaftes Wohnrecht zu erstreiten. Das Verfahren zog sich über Jahre und mehrere Instanzen, bis der Bezirk Ende September einen Räumungstitel bekam. Dazwischen habe man versucht, sich mit den Bewohnern und ihren Unterstützern zu einigen und ihnen andere Unterkünfte schmackhaft zu machen, sagt die zuständige Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne). Erfolglos, alle Angebote seien abgelehnt worden. Indes verfiel das Gebäude immer mehr, ein Teil brannte aus. Allein der Wachschutz, der verhindern sollte, dass neue Besetzer in die Schule ziehen, kostete den Bezirk Kreuzberg eine Million Euro im Jahr.

Und so sieht vieles in der Gerhart-Hauptmann-Schule noch genau so aus wie auf den Fernsehbildern aus dem Jahr 2014. Die bröckeligen, grauen Zweckgebäude, die Räume der Drogenberatungsstelle Fixpunkt, der von Pflanzen überwucherte Sportplatz. Nur im Südflügel ist man dem Ziel, in der Schule regulär Flüchtlinge unterzubringen, näher gekommen.

Anwohner formieren sich gegen das Wohnprojekt

Dort betreiben die Johanniter seit vergangenem Jahr eine Notunterkunft für Flüchtlingsfamilien und allein reisende Frauen. Etwa hundert Menschen leben hier, die meisten stammen aus Afghanistan, Syrien und dem Irak. Probleme mit den Besetzern im anderen Flügel habe es in der Zeit nicht gegeben, sagt Viola Winterstein von den Johannitern.

Wenn es nach dem Bezirk geht, soll nun endlich das Wohnprojekt in Angriff genommen werden, das seit Jahren geplant ist, der "Campus Ohlauer". Mit 120 Wohnungen für Flüchtlinge, Alleinerziehende, Studenten oder einkommensschwache Familien. Die Pläne der Architekten zeigen schicke Neubauten mit vier bis sieben Etagen, Gemeinschaftsträume, ein Café und eine Bibliothek. Die Baugenehmigung soll demnächst erteilt werden, sagt Bezirksbürgermeisterin Herrmann. Das wiederum ist auch nicht allen recht.

Die ersten Anwohner haben sich bereits gegen das Projekt formiert. Zu massiv sei das Ganze, zu viele Bäume müssten gefällt werden. Es sieht nicht so aus, als würde bald Ruhe einkehren an einem der umstrittensten Orte der Stadt.

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