Gemeinsame Gräber für Menschen und Tiere:Friedhof der Kuscheltiere

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Sitz, Platz und Aus: Ein Mustergrabstein mit Hand und Pfote in Braubach bei Koblenz. (Foto: dpa)

Sitz, Platz und Aus - für immer: In Essen eröffnet der erste Friedhof, auf dem Menschen zusammen mit ihren Tieren begraben werden. Schließlich bleibt manchen am Ende nur ein Hamster.

Von Jannis Brühl, Essen

Von all den Tattoos, die Steffis Arme bedecken, ist das traurigste das mit der Pfote. Sie ist auf die Innenseite des Unterarms der 39-Jährigen tätowiert, darüber steht "Sharon". "Meine letzte Katze ist 2007 gestorben", sagt Steffi P., die ihren vollen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Seitdem steht Sharon auf dem Nachttisch der 39-Jährigen mit den pechschwarzen Haaren aus Velbert, als Asche in einer Urne. "Ich würde sie am liebsten überallhin mitnehmen", sagt Steffi und macht eine Geste, als würde sie die Urne unterm Arm tragen.

Steffi mit dem Pfoten-Tattoo steht auf einem Friedhof am Rand der Stadt Essen in der Sonne. Mit ihrem Freund Norbert, der Motörhead-Shirt zur Lederweste trägt, auf der Alice Cooper und die Scorpions unterschrieben haben, blättert sie in einem Hochglanzprospekt. Auf dem Titelbild drückt eine alte Frau eine Katze fest an sich, daneben steht: "Wir bleiben zusammen, auch nach dem Tod." Hier eröffnet einer der ersten Friedhöfe Deutschlands, auf dem Menschen sich mit ihren Haustieren zusammen begraben lassen können. Nicht in Särgen, aber Urne neben Urne. Wie sonst mit Familienangehörigen. Schließlich ist das Tier vielen Menschen genauso viel wert wie der Partner. Oder sogar mehr.

Die Mensch-Tier-Bestattung ist nicht explizit verboten

Hinter dem Konzept namens "Unser Hafen" steht die Deutsche Friedhofsgesellschaft, ein Familienunternehmen aus Rheinland-Pfalz. Sie betreibt seit vergangener Woche zwei Mensch-Tier-Friedhöfe, in Essen und Braubach bei Koblenz. Zwei Jahre habe es gedauert, die Sache organisatorisch und rechtlich zu klären, sagt Judith Könsgen von der Deutschen Friedhofsgesellschaft.

Sie ist gekommen, um die etwa 400 Quadratmeter große Rasenfläche zu eröffnen, die neben einem traditionellen evangelischen Friedhof liegt. Hier sollen künftig Grabsteine nicht nur an Menschen, sondern auch an Hunde, Katzen, Kaninchen und vielleicht das ein oder andere Pferd erinnern. Auf dem Modellgrabstein, auf dem eine Hand und eine Hundepfote sich in einem Steinboot verschränken, sperren sich gerade drei Bulldoggen dagegen, für ein Foto zu posieren.

Wie genau ihr Unternehmen den Spezialfriedhof ermöglicht hat, will Könsgen nicht sagen. Aus Angst vor der Konkurrenz. 30 Millionen Haustiere in Deutschland versprechen ein gutes Geschäft. Der PR-Mensch, den die Firma engagiert hat, vergleicht die juristische Konstruktion gleich mal mit dem Rezept für Coca-Cola.

Dabei war die Mensch-Tier-Bestattung bisher nicht explizit verboten. Erst jetzt allerdings wird der Spielraum ausgenutzt, den die Gesetze bieten. Einige Gemeinden prüfen bereits, ob sie die neue Bestattungsform ermöglichen.

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Es ist aber nach wie vor nicht erlaubt, Menschen zusammen mit Tierkadavern zu beerdigen, so will es das "Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz". Tote Tiere müssen in die Tierkörperbeseitigungsanstalt. Ein Besitzer kann sich also nicht ins Grab neben sein Pferd legen lassen. Urnen mit der Asche der Tiere dagegen sind eine Art Grabbeigabe. Die Friedhofsgesetze der Länder schreiben lediglich vor, dass die Pietät gewahrt werden muss.

In Essen will der Betreiber dem mit einer Hecke Genüge tun, die er zwischen die neue Fläche für Mensch und Tier und den Menschenfriedhof gepflanzt hat. Torsten Barthel, Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Friedhofsrecht aus Berlin, kann sich da einige Pietät-Probleme vorstellen: "Wenn einer sagt: In meinem Nachbargrab liegt ein Pudel, das stört mich massiv."

Auch evangelische und katholische Kirchen haben die gemeinsame Bestattung von Mensch und Tier kritisiert. Die Rituale nach dem Tod eines Menschen dürften nicht mit denen anderer "Kreaturen" vermengt werden. Aber nicht die Kirche entscheidet, sondern der Markt. Eine Grenze darf rechtlich nicht fallen: Menschen haben ihre Krematorien, Tiere ihre. Zusammenkommen dürfen Hund und Halter erst wieder im Grab.

Steffi überlegt nicht nur, ob sie die Asche ihrer Katze Sharon mit ins Grab nimmt: "Jetzt habe ich zwei neue." Und auch die würden älter. Norbert denkt groß: "Das könnte man machen wie eine Familiengruft, dass eine Katze bestattet wird, und der Rest kommt irgendwann nach." Da muss Steffi widersprechen: "Nee, ich will die Urnen lieber bei mir haben. Lieber am Ende uns alle in einem Rutsch beerdigen." Die beiden Rockfans haben sich nicht nur über den Tod ihrer Katzen Gedanken gemacht: "Wir haben beide eine Patientenverfügung und Vollmachten."

Die Urnen sind aus Maisstärke oder Zellulose. Alles bio

Die juristischen Konstruktionen, die den Friedhof in Essen ermöglichen, legalisieren eine offenbar verbreitete Praxis: Angehörige schmuggeln gerne mal die Überreste eines Lieblingshaustiers zum Herrchen ins Grab, sagt Firmenchef Karl-Heinz Könsgen. "Wenn die Blümchen aufs Grab pflanzen, wird die Urne mit vergraben." Das wisse jeder Friedhofsverwalter. In Testamenten steht oft der - bisher kaum zu erfüllende - Wunsch, zusammen mit Hund oder Katze begraben zu werden.

Nicht-Tierbesitzern kommen solche Wünsche schnell mal skurril bis komplett unverständlich vor. Doch bei der Eröffnung von "Unser Hafen" erklärt Pfarrer Rolf Brandt, welche Bedeutung es für alte Menschen hat, wenn sie mit Tieren zusammen leben. Brandt ist einer der Kirchenmänner, die von dem Konzept überzeugt sind: "Wir gehen damit auf eine veränderte gesellschaftliche Realität ein. Einsamkeit im Alter wird immer mehr zu einem Problem." Verwandte lebten oft weit weg, Pflege sei selten Familiensache. Da würden Haustiere emotional eben wichtiger für alte Menschen.

Hinzu kommt, dass die Individualisierung sich auch vom Tod nicht aufhalten lässt. Der Mensch-Tier-Friedhof liege im Branchentrend, sagt Betreiberin Judith Könsgen. Früher seien Gräber Statussymbole gewesen: protzig die der Reichen, ungepflegt die der Einsamen. Heute gibt es eine Vielzahl von Wahlmöglichkeiten für die Bestattung: "Friedwälder", in denen man sich in der Natur bestatten lassen kann, Urnenwände oder komplett anonyme Gräber. Ein paar Kilometer von Essen entfernt gibt es seit drei Jahren einen Schalke-Friedhof. Mit Blick aufs Stadion, für echte Fans.

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In Essen können Tierbesitzer zwischen zwei Angeboten wählen: Ein "Familiengrab" mit "individueller Grabgestaltung" kostet 2300 Euro für 25 Jahre, Grabstein exklusive; ein anonymes "Freundschaftsgrab" 1725 Euro ("Max. 2 Humanurnen und 4 Tierurnen"). Die Urnen sind aus Maisstärke oder Zellulose. Alles bio.

Steffi und Norbert setzen ihre Sonnenbrillen auf, zünden sich Zigaretten an und gehen davon durch die steinernen Reihen. Sie haben viel zu besprechen. Kaum eine Kaufentscheidung überlegen Menschen sich so gut wie die, die mit dem eigenen Tod zu tun hat. Und dann ist da ja noch das Leben. Steffi trägt ein Medaillon um den Hals, auf dem steht: "The best is yet to come." Das Beste kommt noch.

© SZ vom 16.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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