Geiselbefreiung auf der "Ponant":5000 Soldaten gegen ein Dutzend Piraten

Die abenteuerliche Geiselbefreiung vor Somalias Küste wurde von Präsident Sarkozy und Frankreichs Militärspitze generalstabsmäßig geplant.

Gerd Kröncke, Paris

Noch fern von Paris, auf Besuch in Japan, hat Premierminister François Fillon die ersten Lehren aus der Geiselbefreiung vor der somalischen Küste gezogen - Frankreich will das Problem der Piraterie mit Hilfe der UN entschärfen. Fillon tritt für eine "internationale Eingreiftruppe im Rahmen der Vereinten Nationen" ein, mit der besonders gefährdete Seegebiete geschützt werden sollen.

Befreite Crew der "Ponant"; dpa

Die Crew der "Ponant": Für ihre Befreiung setzte sich die französische Militärspitze ein.

(Foto: Foto: dpa)

Im Sicherheitsrat will Frankreich die Idee zur Diskussion stellen, dass Staaten, die ihre Küstengewässer nicht sichern können, "auf freiwilliger Basis" Geiselbefreiungen akzeptieren.

Andere Staaten, die dazu in der Lage sind, sollen Patrouillen in den Abschnitten unterhalten, die besonders von der Piraterie bedroht sind.

"Piraten sind immer besser ausgerüstet", erläutert Präsidenten-Berater Jean-David Levitte, "sie sind bestens organisiert und können in einem Radius von Hunderten von Kilometern aktiv sein".

Am Montagabend wurden in Paris die französischen Matrosen erwartet, die vorige Woche aus der Hand somalischer Piraten befreit worden waren. Die 30 Besatzungsmitglieder der Dreimaster-Luxusyacht "Le Ponant", darunter sieben Frauen, waren unversehrt geblieben.

Krisenstab im Keller

Dies war der Abschluss eines Thrillers, das Drehbuch wurde von der französischen Militärspitze geschrieben. Und selbst Nicolas Sarkozy hat mitredigiert.

"Lassen Sie mich nur machen", hatte der Präsident die Angehörigen der Geiseln beruhigt, "ich habe genug Erfahrung". Sarkozy, so wurde berichtet, fühlte sich ganz in seiner Rolle als früherer Innenminister, nur dass der Einsatz, den er im Krisenstab des Elysée verantwortete, sich einige Tausend Kilometer entfernt abspielte.

Die "Operation Thalatine" (benannt nach dem somalischen Wort für 30) begann bald nach dem ersten Hilferuf. Er war beim kommandierenden Admiral der französischen Seestreitkräfte im Indischen Ozean eingegangen. Wie viele Schiffe unter französischer Flagge hat sich die "Ponant" einer freiwilligen Kontrolle unterworfen, um im von Piraten frequentierten Gebiet am Horn von Afrika besser geschützt zu sein.

Admiral Gérard Valin gab die Information weiter an die Task Force 150, Teil der permanenten Antiterror-Operation Enduring Freedom. Ein Hubschrauber der kanadischen Fregatte Charlottetown hatte die ersten Bilder des Piratenbootes geliefert.

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In Paris, im tiefsten Keller des Verteidigungsministerium am Boulevard Saint Germain, wurde unterdessen ein Krisenstab installiert. Das Task-Force-150-Schiff "Commandant Bouan", das sich auf die Fährte der "Ponant" gesetzt hatte, meldete alle Bewegungen.

Als das gekaperte Schiff in somalischen Gewässern aufkreuzte, bat die französische Diplomatie die somalische Regierung um die Erlaubnis, in den Gewässern vor der Küste gegen die Piraten aktiv zu werden. Präsident Abdullah Yusuf Ahmed wird mit den Worten zitiert: "Schafft mir diese Typen vom Hals."

Die Einsatzstäbe sind offenbar die ganze Zeit bestens über die Situation an Bord der "Ponant" informiert gewesen. Kapitän Patrick Marchesseau war es gelungen, über Funk und ohne Wissen der Piraten in Kontakt mit der Außenwelt zu bleiben. Gleichzeitig hatte Paris, auf Sarkozys Weisung, die somalischen Seeräuber wissen lassen, dass die geballte Macht des Militärs sofort eingreifen werde, sollten sie die Geiseln von Bord schaffen und an Land bringen.

Während der Reeder noch mit den Piraten verhandelte, wurde die "Jeanne d'Arc", das Schulschiff der französischen Flotte, zum Krisenherd geleitet. Zudem steuerte der Lenkwaffenzerstörer "Jean Bart" in die Gewässer. Aus Frankreich und aus Dschibuti wurden Kampfschwimmer und Marine-Soldaten herbeordert, insgesamt waren an die 5000 Soldaten in der Region mobilisiert.

Gleichwohl wurde den Piraten zunächst das geforderte Lösegeld von zwei Millionen Dollar ausgehändigt, auf das sich der Reeder eingelassen hatte. Drei Gendarmen im Schlauchboot überbrachten den Piraten die Geldtasche. Danach durften die Geiseln, bis auf den Kapitän, die "Ponant" verlassen und wurden von der "Jean Bart" aufgenommen. Kurz darauf wurde die Yacht von französischen Marine-Soldaten geentert und auch der Kapitän befreit.

Die meisten der vermutlich zwölf Piraten floh an Land. Doch in der Wüste hatten sie mit ihrem schweren Geländewagen keine Chance. Aus einem Kampfhubschrauber schossen die Franzosen den Motor zu Schrott. Die Piraten wurden gefangen und auf der Fregatte festgesetzt.

Sarkozy hatte die Weisung ausgegeben, "kaltblütig, effizient und angemessen" zuzuschlagen, mit anderen Worten: ihm war daran gelegen, auch bei den Piraten keine Opfer in Kauf zu nehmen. Unklar ist aber noch, ob tatsächlich keine Seeräuber bei der Aktion getötet wurden.

Unklar ist noch, wo die Piraten abgeurteilt werden. Zwar hatte der somalische Präsident sein Plazet für den Einsatz gegeben, doch wartet Paris nun auf eine schriftliche Bestätigung. Der Reeder der "Ponant" ist überzeugt, dass die Geiselnehmer in Frankreich angeklagt werden können. Seit Napoleon gilt der Grundsatz, wo immer Franzosen Opfer von Verbrechen sind, da fühlt sich Frankreich juristisch zuständig.

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