Gefährliche Wasserkanäle in Freiburg:Blechle im Bächle

Die Frau des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl ist das prominenteste Opfer einer Freiburger Spezialität - ihr Mercedes landete am Wochenende aus Versehen im Gewerbekanal. Doch die Stadt verteidigt ihre Wasserkanäle, die schon seit 60 Jahren Autofahrer zur Verzweiflung treiben.

Martin Zips

Bei der Anfahrt zu einem Treffen mit dem Papst hat am vergangenen Wochenende die Frau des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl, Maike Kohl-Richter, das Familienauto versehentlich in einen historischen Freiburger Gewerbekanal gelenkt. Der Abschleppdienst benötigte 90 Minuten, um den Wagen wieder aus einem der sogenannten Freiburger Bächle herauszuziehen. Walter Preker, der 60-jährige Sprecher des Oberbürgermeisters und Bächle-Experte, über weitere Fehltritte.

Kohls Auto vor Papst-Audienz ins Baechle gefahren

Kohls Auto im Bächle: Kein Einzelfall.

(Foto: dapd)

SZ: Herr Preker, Maike Kohl-Richter ist das jüngste Opfer, das sich in den merkwürdigen Wasserkanälen Ihrer Stadt quasi nasse Füße holen musste. Reicht es nicht langsam? Wann endlich schüttet Freiburg seine Bächle zu?

Preker: Ich bitte Sie! Die ersten Bächle stammen doch schon aus dem Mittelalter. Gewerbekanäle, die aus dem Fluss Dreisam gespeist werden. Da muss man nur ein bisschen aufpassen - und dann passiert auch nichts. Gut, an der Stelle, an der die Kohls ins Bächle gefallen sind, ist es schon recht tief und breit. Aber um das am hellichten Tag nicht zu sehen und sogar mit dem Auto reinzufahren, da gehört schon was dazu.

SZ: Der Freiburger Automobilclub hat bereits im Jahr 1952 die sofortige Beseitigung dieser "Verkehrshindernisse". . .

Preker: Ach, hören Sie auf! Das ist doch eine Solitärmeinung aus dem Jahr 1952. Da sind wir ja Gott sei Dank mittlerweile drüber hinweg.

SZ: Und was ist mit der Klage eines Mannheimer Kaufmannes? Was ist mit dem gebrochenen Bein, dessen medizinische Versorgung sich ein armer Tourist zu einem Drittel selber bezahlen . . .

Preker: Es hat mehrfach Versuche gegeben, die Stadt wegen Verkehrssicherungspflicht haftbar zu machen. So ist es ja nicht. Aber wenn Sie in die Alpen fahren, so müssen Sie auch damit rechnen, dass es plötzlich bergauf oder bergrunter gehen kann. So haben es auch die Gerichte gesehen und auf die historisch gewachsene Besonderheit in unserer schönen Stadt hingewiesen. Das ist einfach zu akzeptieren!

SZ: Aha, akzeptieren. Und dass jeder, der ins Bächle fällt, laut einer regionalen Sage auch noch eine Freiburgerin heiraten muss, das ist auch zu akzeptieren?

Preker: Das sagt jedenfalls der Volksmund, aber nicht jeder folgt Volkes Meinung. Gerhard Schröder beispielsweise hat viermal geheiratet, aber niemals eine Freiburgerin. Obwohl auch er 2001 reingetreten ist. Aber daran waren die Journalisten schuld.

SZ: Bitte?

Preker: Diese vielen Fotografen, das war damals schon ein ziemliches Gedränge. Bei seinem Besuch am Wochenende in Freiburg war der Papst zum Glück nur im Papamobil unterwegs. Man stelle sich vor, er wäre ins Bächle. . .

SZ: Sehr komisch, Herr Preker. Sehr, sehr komisch.

Preker: Ob die Verpflichtung, eine Freiburgerin heiraten zu müssen, auch im konkreten Fall Kohl/Richter anwendbar wäre, daran bestehen ernsthafte Zweifel. Wir haben unseren Stadthistoriker beauftragt, diese Frage mal näher zu untersuchen. Die Volksweisheit spricht ja nur von "reintreten", nicht von "reinfahren".

Interview: Martin Zips

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