Frankreich:Yalda, der Lockvogel

In Frankreich löst eine wegen Entführung verurteilte 22-Jährige durch ihre Liaison mit dem Gefängnisdirektor einen Skandal aus. Ihre Verführungskünste brachten sie erst ins Gefängnis.

Stefan Ulrich, Paris

Es klingt nach einer Sittenkomödie hinter Gittern: Ein Gefängnisdirektor verliebt sich in seine schöne, junge Gefangene. Er macht ihr Geschenke, sie revanchiert sich mit Zärtlichkeiten. Die beiden planen eine gemeinsame Zukunft nach der Haftentlassung des Mädchens. Doch dann werden die Mitgefangenen eifersüchtig, und alles fliegt auf. So in etwa hat es sich tatsächlich abgespielt, im Frauengefängnis von Versailles.

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Die junge Yalda, wie sie bei dem Prozess im April 2009 von einer Gerichtszeichnerin gesehen wurde.

(Foto: AFP)

Zur Komödie taugt der Fall dennoch nicht. Im Gegenteil. Wie so vieles im Leben der 22 Jahre alten Yalda bringt auch ihr Techtelmechtel mit dem Gefängnisdirektor Florent Goncalves nur Unglück. Yalda muss jetzt damit rechnen, wesentlich länger als bisher vorgesehen in Haft zu bleiben; und der Familienvater Goncalves ist wohl seinen Job los. Die Liebe habe ihn offenbar blind gemacht, das vermuten zumindest seine Kollegen im französischen Justizvollzug.

Um die Geschichte zu verstehen, muss man bei Yaldas Kindheit in Iran beginnen. Ihre Mutter war zwangsverheiratet worden, ihr Vater soll schizophren gewesen sein. Als Kind beschuldigt Yalda ihren Onkel, er habe sie vergewaltigt. Die Mutter flieht mit Yalda und deren geistig behinderter Schwester nach Frankreich, wo sie Asyl erhält. Die Familie wächst in einer armen Pariser Vorstadt auf. Im Alter von 13 wird Yalda Opfer einer Gruppenvergewaltigung, mit 17 gerät die hübsche Gymnasiastin unter den Einfluss eines Burschen aus der Elfenbeinküste namens Youssouf Fofana.

Der junge Muslim, der im Gerichtsgutachten später als Psychopath mit Allmachtsphantasien beschrieben wird, bezeichnet sich selbst als Chef einer "Gang der Barbaren". Sein Plan: Er will Juden entführen und hohe Lösegelder erpressen. Hübsche Mädchen sollen ihm dabei als Lockvogel dienen. Doch mehrere Entführungsversuche scheitern. Dann macht Fofana den aus Marokko eingewanderten Juden Ilan Halimi als Opfer aus. Er arbeitet in einem Pariser Telefonladen. Yalda umgarnt ihn und lotst ihn an einen Treffpunkt in einer sozial verwahrlosten Banlieue. Dort wartet die "Gang der Barbaren" auf ihn, die wegen ihrer großen Brutalität später europaweit Schlagzeilen machen wird. Halimi wird von der Bande gefesselt und erst in einer Wohnung, dann in einem Keller gefangen gehalten. Die Täter, zumeist junge Muslime, quälen ihn Wochen lang, zerschneiden ihm das Gesicht oder drücken eine glühende Zigarette an ihm aus. Fofanas Versuche, von der keineswegs vermögenden Familie des Opfers 450.000 Euro Lösegeld zu erpressen, scheitern. Am 13. Februar 2006 setzt er Halimi mit tödlichen Verletzungen an einem Bahngleis aus. Er wird gefunden, stirbt aber noch auf dem Weg ins Krankenhaus. Wegen seiner Grausamkeit und der antisemitischen Haltung der Täter schockiert das Verbrechen die Öffentlichkeit weit über Frankreichs Grenzen hinaus. Auch wird deutlich, dass viele Freunde, Bekannte und Nachbarn der Bande von der Entführung wussten und schwiegen oder sogar bei der Bewachung des Opfers mithalfen. Im Juli 2009 und im Dezember 2010 werden schließlich 26 Angeklagte verurteilt. Anführer Fofana, der sich im Prozess mit dem Verbrechen brüstet und gegen das "Weltjudentum" wettert, erhält lebenslange Haft. Die anderen bekommen zum Teil langjährige Gefängnisstrafen.

Yalda, der Lockvogel, wird zu neun Jahren Gefängnis verurteilt, die sie in Versailles absitzen soll. Bei den Ermittlungen hatte sie gesagt, sie lege die Männer herein. "Ich liebe es, Macht über sie zu haben." Die Journalistin Elsa Vigoureux, die ein Buch über die Gang der Barbaren geschrieben hat, meinte über Yalda: "Sie befindet sich im Krieg gegen die Männer, und ihre einzige Waffe, um zu siegen, ist ihr Körper." Diesen sollte sie bald gegen den Gefängnisdirektor einsetzen.

Ihr Macht brachte ihr den Beinamen "Die Direktorin"

Florent Goncalves arbeitete sich vom Wächter bis zum Chef der Frauenhaftanstalt in Versailles hoch. Dort traf er auf Yalda. Bald fiel seinen Mitarbeitern auf, dass er sich veränderte. "Er muss wirklich verliebt gewesen sein, da er nicht bemerkte, was für Dummheiten er beging", sagte eine Wächterin jetzt dem Radiosender Europe 1. Goncalves habe sich ständig mit Yalda getroffen, stundenlang, an allen möglichen Orten. "Wir wussten nie, wo er gerade mit dieser Gefangenen war." Auch sei bald klar geworden, dass er die junge Frau im Haftalltag begünstigte. Den Aussagen von Zeugen zufolge bekam sie von dem Direktor illegal Geld, Telefonkarten und Päckchen. Auch soll er ihr einen guten Arbeitsplatz verschafft haben.

Schließlich traute sich in der Haftanstalt offenbar niemand mehr, Yalda in die Schranken zu weisen. Es heißt, sie habe sich die ganze Zeit herausgeputzt und gearbeitet, wie sie wollte. "Die Direktorin" wurde sie wegen ihrer Macht genannt. Außer dem Direktor soll auch noch ein Wärter ihrem Charme erlegen sein. Die Mitgefangenen informierten schließlich die Justizverwaltung. Diese schaltete die Staatsanwaltschaft ein.

Der Direktor gestand, sich in die junge Frau verliebt zu haben. Yalda habe nach Verbüßung der Hälfte ihrer Strafe damit rechnen dürfen, auf Bewährung entlassen zu werden. Dann wollte er mit ihr ein gemeinsames Leben aufbauen. Stattdessen droht dem Direktor nun selbst Gefängnis. Die Presse spekuliert über weitere Affären mit weiblichen Häftlingen. Yalda unternahm in den vergangenen Jahren mehrere Selbstmordversuche, zuletzt im vergangenen August.

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