Frankreich: Sexualtäter:Die Möglichkeit der Kastration

Lesezeit: 2 min

Nach Polen will nun auch Frankreich mit drastischen Mitteln gegen verurteilte Sexualstraftäter vorgehen: Sie könnten bald chemisch kastriert werden. Ein brutaler Mord hat die Debatte neu entfacht.

J. Rubner

"Bitte kastriert mich", hatte vor zwei Wochen Francis Evrard in einem Brief an Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy gefleht. Dem 63-jährigen Evrard wird demnächst der Prozess gemacht, er soll vor einem Jahr in der nordfranzösischen Stadt Roubaix einen fünfjährigen Jungen entführt und vergewaltigt haben. Nun will er, dass seine Hoden entfernt werden - nur so könne er "seine Neigung zu Kindern" in den Griff bekommen.

Noch kann Evrard nicht erhört werden, denn die Kastration ist verboten. Allerdings könnte sie, wenn auch in einer sanfteren Variante als durch die Amputation der Hoden, in Frankreich bald Vergewaltigern drohen. In einem Interview mit dem Figaro Magazine von diesem Samstag erklärt IJustizministerin Michèle Alliot-Marie, was die Regierung in Zukunft mit Sexualstraftätern vorhat: Sie werden sich, wenn es zu einem Gesetz kommt, einer chemischen Kastration unterziehen müssen.

Darunter versteht man die Behandlung mit Medikamenten ("Antiandrogene"), welche die Ausschüttung männlicher Sexualhormone unterdrücken und so den Geschlechtstrieb erheblich dämpfen. Wer sich chemisch kastrieren lässt, könne dann auch, so Frankreichs Innenministerin, vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen werden.

Andersherum müsse ein Straftäter damit rechnen, wieder hinter Gitter zu wandern, wenn er sich nicht einer vorgeschriebenen Therapie unterziehe. Und vielleicht, die Ministerin will es nicht ausschließen, könnte das Gesetz auch Menschen wie Evrard zumindest auf Wunsch die physische Kastration erlauben.

Haben die Richter versagt?

Der grausame Mord an einer Joggerin Ende September im Wald von Fontainebleau durch einen verurteilten Vergewaltiger, der wegen guter Führung vorzeitig entlassen worden war, hatte ganz Frankreich aufgeregt und die Debatte über Sexualstraftäter neu entfacht. Innenminister Brice Hortefeux hatte den Richtern offen Versagen vorgeworfen.

Ähnlich ist die Lage in Polen, wo die Regierung diese Woche ein Gesetz verabschiedet hat, das härtere Strafen und die chemische Kastration für Sexualtäter vorschreibt. Auch dort hatte ein Inzestfall vor einem Jahr die Öffentlichkeit empört und letztlich zu den verschärften Paragraphen geführt. Andere europäische Länder wie Großbritannien, Dänemark und Schweden bieten seit längerem die freiwillige chemische Kastration an, der Täter kann dann mit einer kürzeren Gefängnisstrafe rechnen.

Eine medikamentöse Therapie von Sexualstraftätern wird auch immer wieder in Deutschland diskutiert, 2001 hatte etwa der CSU-Abgeordnete Hans-Peter Uhl dafür plädiert. Viele Fachleute warnen allerdings, darin ein Allheilmittel zu sehen. Auch wenn sich die Libido unterdrücken ließe, so der französische Psychiater und Regierungsberater Louis Albrand: Sexualverbrechen begännen im Kopf. Hormonspiegel und Potenz spielten eine geringere Rolle. Ohnehin gibt es kaum zuverlässige Studien, welche Therapien und Rückfallquoten von Sexualtätern bewerten.

© SZ vom 24.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: