Frankreich:Der unschuldige Schuldige

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Fast sieben Jahre lang saß der Franzose Marc Machin im Gefängnis - für einen Mord, den ein anderer begangen hatte.

Gerd Kröncke

Die Geschichte des Marc Machin nimmt nun wohl doch einen guten Ausgang, so weit sich das sagen lässt, wenn einer fast sieben Jahre im Gefängnis war - unschuldig, für einen Mord, den ein anderer begangen hat. Marc Machin nämlich ist keines dieser Justizopfer für das die Medien kämpfen, und hätte nicht am Ende ein anderer sich zu der Tat bekannt, der junge Mann von 26 hätte noch ein paar Jahre länger hinter Gittern verbracht. Einmal, als seine Unschuld fast feststand, war er ausgerastet und hatte einen Gefängniswärter angegriffen. Dafür musste er noch drei Monate separat absitzen, bevor er endlich entlassen wurde. Die Justiz hat nichts zu verschenken.

Marc Machin: sieben Jahre im Gefängnis. (Foto: Foto: AFP)

An der Seine-Brücke von Neuilly am Rande von Paris wurde am 1. Dezember 2001 eine Frau namens Marie-Agnès Bedot ermordet. Marc Machin wurde nur Tage später festgenommen. Ein Zeuge wollte ihn zur Tatzeit in der Nähe gesehen haben. "Ich war der ideale Verdächtige", sagt Machin. Mehr noch: Die Beamten, die sich sicher glaubten, entlockten ihm sogar ein Geständnis. Sie haben ihm die Tat gewissermaßen eingeredet, erst in seiner Zelle hoffte Machin, dass die Ermittler selbst darauf kommen müssten, dass er nicht der Täter sein konnte.

Allerdings gab er nicht das Bild eines Unschuldslammes ab. Nach dem Tod seiner Großmutter, bei der er seine Kindheit verbrachte, war er abgeglitten in die kleine Kriminalität. Jedenfalls konnte er vor Gericht seine Unschuld nicht glaubhaft machen. 18 Jahre Haft lautete das Urteil.

In der Einsamkeit der Zelle flüchtete er sich in die Phantasie, der wirkliche Täter würde vielleicht einen Fehler machen, und er erwischte sich sogar bei dem fatalen Wunsch, der Mörder könnte noch einmal zuschlagen. Und so kam es denn auch: An der Brücke von Neuilly wurde eine zweite Frau ermordet - nur wollten weder Ermittler noch die Staatsanwaltschaft einen Zusammenhang erkennen. So hat Marc Machin 2497 Tage im Gefängnis zugebracht. Lange lebte er in dem Albtraum, erst mit 32 Jahren wieder freizukommen. Es müsste, dachte er, schon ein Wunder geschehen.

Das geschah schließlich, als sich ein obdachloser Mann bei der Polizei meldete. David Sagno hieß er und gestand, nicht nur den zweiten Mord an der Brücke begangen, sondern auch Madame Bedot getötet zu haben. "Sollte ich ihm je begegnen", schwor sich Machin, "bringe ich ihn um." Er sei in seiner Zelle zusammengebrochen, hätte geweint vor Wut. Als er ihm aber später einmal gegenübergestellt wurde, da spürte er Mitleid mit dem unglücklichen obdachlosen Mörder.

Es hat aber noch lange gedauert, bis die Justiz sich von der Schuld des wirklichen Täters überzeugen ließ. Die drei Monate für den Angriff auf den Wärter wurden ihm nicht geschenkt, obwohl man die gut auf die andere Haftzeit hätte anrechnen können. Eine DNS-Analyse untermauerte schließlich das Geständnis des Obdachlosen. Danach wurde Machin endlich freigelassen. Vorläufig, wie es technisch heißt. Denn das Urteil wird nicht einfach annulliert. Erst ein neues Verfahren muss seine Unschuld offiziell feststellen.

© SZ vom 09.10.2008/jüsc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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