Frankreich:Ausschreitungen in Nantes

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Nach dem Tod eines jungen Mannes wurden in Nantes Autos angezündet. (Foto: Sebastian Salom Gomis/AFP)

Tödliche Schüsse eines Polizisten auf einen 22-Jährigen lösen Unruhen und eine verstörende Nacht aus.

Von Andrea Bachstein

Brandgeruch hing in der Luft, als die Menschen Mittwochfrüh in den Vierteln Breil, Malakoff und Dervallières von Nantes zur Arbeit gingen. Sie haben eine verstörende Nacht erlebt, davon zeugen von Feuer verrußte Ladenfassaden. Mit Molotowcocktails, Tischbeinen und Wurfgeschossen ausgerüstet waren am späten Dienstagabend in der westfranzösischen Stadt an der Loire nahe der Atlantikküste mindestens hundert Personen auf die Polizei losgegangen. Sie steckten rund 30 Autos in Brand, Mülltonnen, mehrere Gebäude.

Der Tod eines jungen Mannes hatte die Wut entzündet. Von einer Polizeikugel in den Hals getroffen gab es für den 22-jährigen Aboukar F. im Krankenhaus keine Hilfe mehr. Gegen 20.30 Uhr hatten ihn Polizisten in seinem Auto in Breil zur Kontrolle gestoppt. Der Département-Chef der Polizeibehörde für öffentliche Sicherheit, Jean-Christophe Bertrand, schilderte das Geschehen so: F., der keinen Gurt angelegt hatte, habe keine Papiere gezeigt, und die Polizisten hätten ihn aufgefordert, aufs Kommissariat mitzugehen. F. habe getan, als wolle er aussteigen, sei aber rückwärts gefahren und habe so einen Beamten am Bein verletzt. Daraufhin schoss ein Polizist auf ihn und traf die Halsschlagader.

Die Nachricht von Aboukar F.s Tod verbreitete sich schnell in den umliegenden Vierteln der 300 000-Einwohner-Stadt, das Wort vom Polizeimord machte die Runde, Jugendliche hätten gesagt, sie wollten sich rächen, berichtete der Sender France Bleu Loire Océan. Die Krawalle endeten gegen drei Uhr morgens, 200 Polizisten schritten ein mit Tränengas, die Feuerwehr löschte noch Stunden danach.

Frankreichs Justizministerin Nicole Belloubet kündigte am Mittwoch im Sender RTL an, die Umstände des Todes würden untersucht, "damit in völliger Transparenz alles aufgeklärt wird". Sie appellierte, Ruhe zu bewahren. Aboukar F. kam aus dem Pariser Umland und lebte seit einer Weile in Nantes. Er wurde seit einem Jahr polizeilich gesucht wegen bandenmäßigen Einbruchs und Hehlerei, teilte das Innenministerium mit. Das würde erklären, warum F. der Kontrolle entgehen wollte.

Die Frage ist, warum der Polizist nicht auf die Reifen zielte oder zumindest auf eine Stelle des Körpers, bei der eine tödliche Verletzung unwahrscheinlich ist. Eine Lokaljournalistin in Nantes veröffentlichte ein Video, in der ein Mann erzählt, was er gesehen haben will: Dass F. mit seinem Auto schon festsaß, weil er auf eine Mauer gefahren war. Und dass der Polizist aus nächster Nähe direkt auf den Hals des Mannes gefeuert habe.

© SZ vom 05.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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