Frachter "Arctic Sea":Piraten ohne Beute

Der russische Geheimdienst schirmt die Besatzung der geretteten Arctic Sea vor der Öffentlichkeit ab - dabei kann nur die Crew aufklären, was die Piraten auf dem Frachter wollten.

Bei der Befreiung des wochenlang verschollenen Frachters Arctic Sea haben russische Sicherheitskräfte acht Piraten festgenommen. Die mutmaßlichen Schiffsentführer stammten aus Russland, Estland und Lettland, sagte der russische Verteidigungsminister Anatoli Serdjukow nach Angaben der Agentur Itar-Tass. Die russische Schwarzmeerflotte hatte das Schiff mit den 15 russischen Seeleuten an Bord gestern in der Nähe des westafrikanischen Inselstaats Kap Verde befreit.

Frachter "Arctic Sea": Noch immer ist unklar, was die Piraten auf der "Arctic Sea" wollten.

Noch immer ist unklar, was die Piraten auf der "Arctic Sea" wollten.

(Foto: Foto: dpa)

Angehörige der geretteten Seeleute und die russische Seefahrergewerkschaft beklagten, dass der russische Geheimdienst weiter den persönlichen Kontakt verhindere. "Ich weiß bisher nur aus den Nachrichten von der Befreiung", sagte Jelena Sarezkaja, die Ehefrau des Arctic Sea-Kapitäns Sergej Sarezki. Über den Verbleib der Männer war zunächst nichts bekannt. Die Gewerkschaft forderte, die Seeleute umgehend nach Hause zu fliegen. Die finnische Polizei konnte die Festnahme der Piraten nicht bestätigen.

Die internationale Zusammenarbeit in dem mysteriösen Fall sei zwar bis zum Auffinden des angeblich mit Holz beladenen Schiffs "sehr gut" gewesen, sagte Polizeisprecher Rabbe von Hertzen in Helsinki. Doch funktioniere die Kooperation nicht "Minute für Minute". An der Befragung der Seeleute sei die finnische Polizei ebenfalls nicht beteiligt gewesen.

Die verdächtigten Piraten hatten die Arctic Sea laut Serdjukow bereits am 24. Juli vor der schwedischen Küste in der Ostsee in ihre Gewalt gebracht. Nach seiner Darstellung hatten sich zwei Russen, zwei Letten und vier Esten dem Schiff in einem Schlauchboot genähert und unter dem Vorwand, in Seenot zu sein, die Besatzung um Hilfe gebeten. Das berichtete Serdjukow dem russischen Präsidenten Dmitrij Medwedjew unter Berufung auf Ermittler.

Ziel des Überfalls bleibt unklar

Was das Ziel des Überfalls war, blieb aber weiter unklar. Medien hatten von Lösegeldforderungen berichtet und davon, dass die Piraten sich als Drogenfahnder ausgegeben hätten, um auf das Schiff zu gelangen. Bislang war die Rede davon, dass die Seeräuber die Arctic Sea nach zwölf Stunden ohne Beute wieder verlassen hätten.

Russlands Nato-Botschafter Dmitri Rogosin hatte eingeräumt, dass absichtlich falsche Informationen verbreitet worden seien, um die Ermittlungen und die Rettung der Crew nicht zu gefährden. Die finnische Reederei Solchart Management dementierte erneut Lösegeldforderungen der Piraten. Der Direktor des Unternehmens, Viktor Matwejew, sagte dem Internetportal Life.ru, dass kein Geld gefordert oder bezahlt worden sei. Der Frachter sei jetzt beschädigt und müsse aufwendig aus afrikanischen Gewässern geborgen werden.

Bordtechnik ausgeschaltet

Nach dem Überfall seien alle Navigationsgeräte und die Bordtechnik abgestellt worden, sagte Serdjukow. Er erklärte damit den fehlenden Funkkontakt und das wochenlange Rätselraten um den Verbleib des Schiffs. Die russische Staatsanwaltschaft teilte mit, dass den Piraten im Fall einer Verurteilung eine Gefängnisstrafe von 20 Jahren drohe.

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