Flutkatastrophe in Pakistan:"Ein Tsunami in Zeitlupe"

Während das Ausmaß der Flutkatastrophe immer verheerender wird, haben bei der UN-Vollversammlung in New York mehrere Staaten ihre Hilfszusagen für Pakistan erhöht. In der Not nähert sich das Land sogar dem Erzrivalen Indien an.

Ein "Tsunami in Zeitlupe", dessen "Kraft der Zerstörung sich mit der Zeit verstärkt" - dieses Bild hat UN-Generalsekretär Ban Ki Moon gewählt, um die Naturkatastrophe in Pakistan zu beschreiben. Im Land ist mittlerweile eine Fläche so groß wie Italien überschwemmt. Mindestens 1500 Menschen starben, 4,6 Millionen haben durch den verheerenden Monsun ihre Bleibe verloren, 20 Millionen sind insgesamt von den Folgen der Flut betroffen.

Flutopfer in Pakistan, Reuters

Das Leid steht den Menschen ins Gesicht geschrieben: 20 Millionen Pakistaner kämpfen mit den Folgen der Flutkatastrophe.

(Foto: Reuters)

Bei der Sondersitzung der UN-Vollversammlung rief Ban deshalb erneut zu schnellerer Hilfe für die Opfer auf. Mehrere Staaten kündigten bei dem Treffen in New York eine Aufstockung ihrer finanziellen Unterstützung für Pakistan an. US-Außenministerin Hillary Clinton sagte, Washington erhöhe seine Soforthilfen von 90 auf 150 Millionen Dollar. Auch die EU und Großbritannien stockten ihre Hilfen auf, Deutschland steigert die humanitäre Soforthilfe auf 25 Millionen Euro.

Die Katastrophe sei ein "wichtiger Prüfstein für die internationale Solidarität", sagte Ban. Er würdigte, dass bereits die Hälfte der von den Vereinten Nationen erbetenen 460 Millionen Dollar an Hilfen bewilligt worden sein, forderte aber noch mehr Einsatz. "Wir brauchen die ganze Summe und wir brauchen sie jetzt", sagte er vor den Vertretern der 192 UN-Mitgliedsländer.

Clinton gab in einer Videobotschaft bekannt, dass ihr Ministerium einen Hilfsfonds einrichte und darüber Spenden an die Notleidenden weiterleite. Sie bat ihre Mitbürger, auch kleine Beträge zu spenden. "Für fünf Dollar können 50 Protein-Riegel gekauft werden, die dringend benötigten Nährwert liefern", so die US-Außenministerin.

Der belgische Außenminister Steven Vanackere sagte, die Hilfsgelder der EU würden von 110 Millionen auf 140 Millionen Dollar aufgestockt. Großbritannien verdoppelte seinen Beitrag auf 64 Millionen Pfund (fast 78 Millionen Euro).

"Ausmaß weitaus größer als angenommen"

Außenamtsstaatsminister Werner Hoyer, der Deutschland bei der Sondersitzung vertrat, sicherte Pakistan langfristige Unterstützung zu. "Wir alle stimmen darin überein: Die internationale Gemeinschaft muss an der Seite von Pakistan stehen - auch wenn das Wasser zurückgegangen ist und sich die Fernsehkameras abgewendet haben", sagte er laut vorab veröffentlichtem Redetext.

"Das Ausmaß der Überschwemmungen in Pakistan ist weitaus größer als ursprünglich angenommen", hatte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) vor der Konferenz erklärt.

Willkommene Hilfe vom Erzrivalen

Die Teilnehmer der Versammlung verabschiedeten eine Resolution, in der sie die internationale Gemeinschaft aufforderten, Pakistan ihre "volle Unterstützung" bei seinen Bemühungen zu gewähren, die Folgen der Überschwemmungen einzudämmen, sowie beim mittel- und langfristigen Wiederaufbau der betroffenen Regionen.

Indes hat Pakistan hat zugesagt, die vergangene Woche vom Nachbarland Indien angebotene Nothilfe für die Überschwemmungsopfer anzunehmen. Das indische Angebot sei eine "sehr willkommene Initiative", sagte Pakistans Außenminister Shah Mehmood Qureshi in einem Interview mit dem indischen Fernsehsender NDTV. Indien hatte dem Nachbarland das Angebot über Hilfe im Umfang von fünf Millionen Dollar (fast vier Millionen Euro) bereits am Freitag vergangener Woche unterbreitet.

Am Donnerstag forderte Indiens Premierminister Manmohan Singh seinen pakistanischen Kollegen Yousuf Raza Gilani in einem Telefonat auf, die Hilfe zu akzeptieren. Zuvor hatten bereits die USA Pakistan dazu gedrängt, politische Rivalitäten außer Acht zu lassen und das Angebot anzunehmen. Die beiden Atommächte Indien und Pakistan haben seit mehr als 60 Jahren angespannte Beziehungen.

Pakistan sagte islamistischen Hilfsorganisationen den Kampf an, die politisches Kapitel aus der Flutkatastrophe schlagen wollen. Verbotene Stiftungen würden von den überschwemmten Gebieten ferngehalten, sagte Innenminister Rehman Malik der Nachrichtenagentur Reuters.

Spendenbereitschaft weiter gering

Die Spendenbereitschaft der Deutschen ist trotz anhaltender Spendenaufrufe weiterhin gering: Mehr als die Hälfte der Bundesbürger will einer Umfrage zufolge trotz der prekären Lage in Pakistan kein Geld für die Flutopfer spenden.

Wie das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap im Auftrag des ARD-Deutschlandtrends ermittelte, haben bislang zwölf Prozent der Deutschen gespendet, 24 Prozent wollen noch helfen. Das ARD-Morgenmagazin berichtete am Freitag, nach dem Tsunami 2005 hätten zu einem vergleichbaren Zeitpunkt bereits 62 Prozent der Deutschen einen finanziellen Beitrag geleistet.

Als Grund für die mangelnde Hilfsbereitschaft gilt auch die politisch unsichere Lage im Land: "Wir dürfen nicht erlauben, dass Terroristen von dieser Katastrophe profitieren", mahnte der pakistanische Außenminister Shah Mehmood Qureshi. Pakistan sei durch die Katastrophe ein Schaden von 43 Milliarden Dollar entstanden.

Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) mahnte eine genaue Kontrolle der Mittel an. "Wir begrüßen, wenn die Staaten der Welt sich zu mehr Hilfe für Pakistan entschließen", sagte DRK-Präsident Rudolf Seiters dem Berliner Tagesspiegel. Die Bundesregierung müsse aber ebenso wie die humanitären Organisationen strikt darauf achten, dass die Gelder direkt bei den Bedürftigen ankämen.

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