Flut in Queensland:Ministerin mit Kapitänsgenen

Ihr Bundesstaat steht unter Wasser. Doch Premierministerin Anna Bligh punktet durch die richtige Mischung aus Emotion und Pragmatismus. Dabei hilft ihr vielleicht auch ein berühmter Vorfahre.

Cathrin Kahlweit

Vielleicht sind es die Gene, die aus der Landratte Anna Bligh in diesen Tagen der Flutkatastrophe eine krisenfeste Überlebenshelferin machen: Ein Vorfahre der Premierministerin des australischen Bundesstaates Queensland ist der legendäre William Bligh, Kommandeur auf der Bounty, der nach einer Meuterei mitsamt 18 Seeleuten in einer Barkasse in der Südsee ausgesetzt wurde. Bligh navigierte das überladene Boot über Hunderte Seemeilen nach Timor und entdeckte auf der Heimreise nach England gleich noch ein paar unbekannte Inseln.

Anna Bligh muss nun, mehr als 200 Jahre später, wiederum mit unbekannten Wassern kämpfen. Verheerende Überschwemmungen haben weite Teile von Queensland überflutet, allein in der Hauptstadt Brisbane stehen 15.000 Häuser unter Wasser, bislang sind 15 Todesopfer gemeldet, bis zu 15 Milliarden Euro machen die Schäden nach bisherigen Schätzungen aus. Bligh geht fast täglich vor die Presse, meist in Jeans und weißer Bluse, und informiert ihre Landsleute ausführlich über die Lage und den Stand der Aufräumarbeiten. Dabei argumentiert sie plastisch ("Auf uns kommt ein Wiederaufbau wie nach einem Krieg zu"), aber auch sehr pragmatisch ("Die Ampelanlagen in Brisbane sind durch die Flut ausgefallen, vermeiden Sie bitte das Autofahren").

Vor allem aber punktet die zierliche 50-Jährige derzeit mit ihrer Emotionalität: Auf einer Pressekonferenz am Mittwoch begann sie zu schluchzen, als sie die Queenslander in einer teilweise pathetischen Rede zum Durchhalten aufforderte: "Wir weinen um das, was wir verloren haben. Aber wir stellen uns der Herausforderung. Denn wir stehen auf, wenn wir niedergeschlagen werden. Diese Katastrophe mag unsere Herzen brechen, aber sie wird nicht unseren Willen brechen."

Bligh, Mitglied der Labor Party und erste Premierministerin von Queensland, wollte als junges Mädchen Nonne werden. Aber die harte Haltung der katholischen Kirche gegenüber Scheidungen brachten das Scheidungskind Anna dazu, sich stattdessen für Frauenrechte und das Recht auf Abtreibung einzusetzen. Nach dem Studium an der University of Queensland und zahlreichen Jobs in kommunalen und karitativen Einrichtungen ging sie in die Politik, wo sie eine steile Karriere machte. Kurz nach der Wahl ins Parlament ihres Bundesstaates wurde sie Familien-, dann Erziehungsministerin, später übernahm sie das Finanzressort.

Nach dem Rücktritt ihres Mentors Peter Beattie wurde sie 2007 Premierministerin und verteidigte dieses Amt bei der Wahl 2009. Sie arbeitet mit Australiens Regierungschefin Julia Gillard eng zusammen; mit deren Unterstützung versucht sie derzeit auch, die Flutkatastrophe in Queensland zu meistern. Als größten Erfolg rechnet sich Anna Bligh derzeit an, dass die Queenslander dem Unglück mit Hilfsbereitschaft und großer Ruhe begegnen; weder Plünderungen noch Verzweiflungsakte werden vermeldet. "Es gibt eine Lawine der Hilfsangebote", sagt sie lobend, und vergisst, pragmatisch wie sie ist, nicht, gleich mal die Webseite mitzuteilen, bei der jeder Bürger sich mit konkreten Vorschlägen melden soll.

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