Flugzeugabsturz in Libyen:Airbus explodiert bei Landung

Absturz beim Landeanflug: In Tripolis sind mehr als 100 Menschen ums Leben gekommen, als ein Airbus Minuten vor der Landung verunglückte. Ein kleiner Junge überlebte.

Mehr als hundert Menschen starben, nur ein kleiner Junge überlebte. Beim Absturz einer Passagiermaschine am Flughafen der libyschen Hauptstadt Tripolis sind am Mittwochmorgen 103 Menschen ums Leben gekommen. Unter den Toten sind nach ersten Behördenangaben 61 Niederländer und 13 Libyer sowie Briten und Südafrikaner. Hinweise auf deutsche Opfer gebe es nicht, teilte das Auswärtige Amt mit.

Flugzeugabsturz, Libyen, Tripolis; AP

Beim Landeanflug auf Tripolis ist ein Passagierflugzeug der Afriqiyah Airways abgestürzt.

(Foto: Foto: AP)

Der Zustand des Kindes sei stabil, es habe Knochenbrüche und Blutergüsse erlitten, sagte ein Krankenhaus- Mitarbeiter. Der niederländische Junge soll einem Sprecher am Flughafen zufolge neun Jahre alt sein, andere Quellen berichteten von einem Acht- oder Zehnjährigen.

Viele der Passagiere hatten von Johannesburg via Libyen nach London, Brüssel, Düsseldorf oder Paris fliegen wollten. Sah man den Helfern zu, die im Sand zwischen verbogenen grünen Sitzen, verstreuter Kleidung und winzigen Metallteilen nach den sterblichen Überresten der Opfer suchten, fiel es schwer zu glauben, dass überhaupt jemand dieses Unglück überleben konnte.

Traurig ragte das bunt lackierte, abgerissene Seitenleitwerk der Maschine in die Luft. Am Nachmittag erklärte ein Sprecher der Fluggesellschaft Afriqiyah Airways die Bergungsarbeiten für beendet. Die Helfer - Männer mit Atemschutzmasken und Frauen mit Kopftüchern - zogen sich zurück.

Die Maschine vom Typ Airbus A330-200 war am Morgen während des Landeanflugs auf ein leeres Gelände am Flughafen von Tripolis gestürzt, der etwa 25 Kilometer südlich des Stadtzentrums liegt. Der Rumpf des Flugzeuges zerbarst. Die Ursache des Unglücks blieb zunächst unklar. Einen Terroranschlag schlossen die libyschen Behörden aus.

Ein Augenzeuge will gesehen haben, wie kurz vor dem Aufprall Flammen aus einem Triebwerk schlugen. An Bord waren nach Auskunft der Fluggesellschaft elf libysche Besatzungsmitglieder und 93 Passagiere. Der niederländische Ministerpräsident Jan Peter Balkenende sagte vor der Presse in Den Haag, er sei von den Berichten aus Libyen "geschockt". Mitarbeiter der Botschaft in Tripolis seien am Flughafen, um Hilfe zu leisten und Informationen zu sammeln. Königin Beatrix sprach den Angehörigen der Opfer ihr Beileid aus.

Das Flugzeug der 2001 gegründeten libyschen Fluggesellschaft Afriqiyah Airways war am Dienstagabend in Johannesburg gestartet. Es war der erste schlimme Unfall einer Maschine dieser Gesellschaft, die nach Angaben der Europäischen Agentur für Flugsicherheit mit Sitz in Köln mehrere Sicherheitstests bestanden hatte. Im libyschen Fernsehen wurde gezeigt, wie an der weiträumig abgesperrten Unglücksstelle der Flugdatenschreiber und der Stimmenrekorder geborgen wurden.

Berichte, wonach kurz vor der Landung ein technischer Defekt festgestellt worden sein soll, bestätigten die Behörden nicht. Der Flugzeughersteller Airbus versprach, die Luftfahrtbehörde bei der Untersuchung des Unglücks zu unterstützen und schickte ein Expertenteam nach Tripolis.

Die schwersten Flugzeugunglücke

Das Unglück in Libyien ist eines der folgenschwersten der vergangenen Jahre. Hier eine Übersicht der schwersten Flugzeugunglücke des vergangenen Jahrzehnts.

2010

25. Januar: Eine Boeing 737 der Firma Ethiopian Airlines stürzt kurz nach dem Abflug aus Beirut ins Meer, alle 90 Insassen kommen ums Leben.

10. April: Eine Tupolew Tu-154 mit Polens Präsident Lech Kaczynski und 95 weiteren Menschen an Bord, darunter mehrere führende Militärs und Politiker, stürzt vor der Landung in Smolensk im Westen Russlands ab, es gibt keine Überlebenden.

2009

1. Juni: Ein Airbus A330 der Fluglinie Air France stürzt auf dem Weg von Brasilien nach Frankreich in den Atlantischen Ozean. Alle 228 Menschen an Bord sterben.

30. Juni: Ein Airbus A310 der jemenitischen Fluggesellschaft Yemenia stürzt vor den Komoren ab, von den 153 Menschen an Bord überlebt nur ein zwölfjähriges Mädchen.

15. Juli: Eine Maschine der Fluglinie Caspian Airlines stürzt auf dem Weg von Teheran nach Eriwan im Norden des Iran ab, 168 Menschen sterben.

2008

20. August: Beim Start vom Flughafen von Madrid gerät eine MD-82 der spanischen Fluggesellschaft Spanair in Brand, 154 Menschen sterben.

2007

18. Juli: 200 Menschen sterben, als ein Airbus der brasilianischen Fluglinie TAM in São Paulo bei der Landung über die Landebahn hinausschießt und in ein Gebäude rast.

2006

22. August: 170 Menschen sterben im Osten der Ukraine beim Absturz einer Tupolew 154, darunter 45 Kinder.

29. September: Eine Boeing 737-800 des brasilianischen Billigfliegers GOL kollidiert mit einem Privatjet und stürzt im Amazonas-Urwald ab. Alle 155 Menschen an Bord sterben; die Insassen des Privatjets bleiben unverletzt.

2005

16. August: Im venezolanischen Badeort Maracaibo sterben beim Absturz einer McDonnell Douglas der kolumbianischen Fluglinie West Caribbean Airways 160 Menschen, darunter 152 Franzosen.

5. September: 150 Menschen sterben bei einem Flugzeugunglück auf der indonesischen Insel Sumatra.

2004

3. Januar: Vor der Küste des ägyptischen Badeortes Scharm el Scheich stürzt eine Urlaubermaschine ins Meer. Es sterben 148 Menschen.

2003

19. Februar: 302 Menschen kommen beim Absturz eines iranischen Militärflugzeugs nahe Kerman im Südosten des Landes ums Leben.

8. Mai: Bei einem Inlandsflug in der Demokratischen Republik Kongo verliert eine Iljuschin ihre Hauptklappe. 200 Menschen sterben.

2002

25. Mai: Eine Boeing 747-200 der taiwanischen Gesellschaft China Airlines stürzt ins Meer, 225 Insassen sterben.

2001

12. November: Ein Airbus A300 von American Airlines stürzt nach dem Start auf das New Yorker Viertel Queens: 265 Tote, davon fünf am Boden.

2000

Eine Überschall-Concorde von Air France fängt beim Start in Paris Feuer. 113 Menschen sterben.

Das folgenschwerste Unglück der zivilen Luftfahrtgeschichte war bislang die Kollision zweier Boeing-Maschinen vom Typ 747 auf dem Flughafen von Teneriffa am 27. März 1977. Damals starben 583 Menschen.

Flugzeugunglücke mit wenigen Überlebenden

Bei Flugzeugabstürzen mit vielen Todesopfern kommen manchmal einzelne Insassen mit dem Leben davon. Beim Absturz in der libyschen Hauptstadt Tripolis soll jetzt nur ein Kind überlebt haben. Andere spektakuläre Beispiele:

30. Juni 2009: Ein Airbus A310 der jemenitischen Gesellschaft Yemenia stürzt mit 153 Menschen an Bord kurz vor der Landung auf den Komoren in den Indischen Ozean. Nur eine 14-Jährige überlebt. Das Mädchen klammert sich bis zu seiner Rettung stundenlang an ein Wrackstück.

27. August 2006: Nur ein Mensch überlebt den Absturz einer Comair CRJ-100 in Lexington (US-Staat Kentucky). 49 Menschen sterben, weil sich der Pilot für eine zu kurze Startbahn entschieden hatte.

8. Juli 2003: Eine Boeing 737 der Sudan Airways mit 117 Insassen zerschellt wegen Motorproblemen kurz nach dem Start in Port Sudan. Nur ein zwei Jahre alter Junge überlebt schwer verletzt.

6. März 2003: Ein Überlebender und 102 Tote sind die Bilanz eines Unglücks auf dem Flughafen der südalgerischen Stadt Tamanrasset. Eine Boeing 737 war 600 Meter hinter der Rollbahn abgestürzt, nachdem ein Motor beim Start Feuer gefangen hatte.

4. September 1997: Ein einjähriger Junge aus Thailand und ein vierjähriger Vietnamese überleben als einzige den Absturz einer Vietnam-Airlines-Maschine nahe Phnom Penh (Kambodscha). 64 Menschen sterben. Die Tupolew Tu-134 hatte den Airport bei schlechter Sicht aus der falschen Richtung angeflogen.

16. August 1987: Kurz nach dem Start in Detroit stürzt eine MD-80 der Northwest Airlines auf eine Autobahn. Nur ein vierjähriges Mädchen entkommt der Feuerhölle. 157 Menschen sterben.

31. Mai 1987: Schleswig-Holsteins damaliger Ministerpräsident Uwe Barschel (CDU) überlebt als einziger den Absturz einer Privatmaschine auf dem Flughafen Lübeck-Blankensee. Die beiden Piloten und ein Sicherheitsbeamter kommen ums Leben.

24. Dezember 1971: Ein Flugzeug mit 92 Menschen an Bord stürzt in den peruanischen Dschungel. Retter finden am Unglücksort nur Tote. Wochen später taucht in einer Siedlung eine 17-jährige Deutsche auf, die sich als einzige Überlebende verletzt durch den Urwald gekämpft hatte. Filmemacher Werner Herzog Werner dokumentiert ihr Schicksal unter dem Titel "Julianes Sturz in den Dschungel".

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