Flugzeugabsturz bei Amsterdam:Sinkflug in den Tod

"Ein Rums, Panik, Schreie und überall Blut": In Schiphol stürzt eine Maschine der Turkish Airlines bei der Landung ab - mindestens neun Menschen sterben.

Siggi Weidemann, Amsterdam

Ein Passagierflugzeug der Fluggesellschaft Turkish Airlines mit 134 Passagieren und sieben Besatzungsmitgliedern an Bord ist am Mittwoch beim Landeanflug auf den Flughafen Amsterdam-Schiphol auf einen Acker gestürzt und in drei Teile zerbrochen. Neun Personen kamen dabei ums Leben, darunter die beiden Piloten und ein Ausbildungspilot. Mindestens 80 Personen wurden verletzt, unter ihnen 25 schwer.

Flugzeugabsturz bei Amsterdam: Rettungskräfte bei Bergungsarbeiten am Wrack der abgestürzten Turkish-Airline-Maschine.

Rettungskräfte bei Bergungsarbeiten am Wrack der abgestürzten Turkish-Airline-Maschine.

(Foto: Foto: AFP)

Obwohl die Ursache der Katastrophe offiziell noch nicht geklärt ist, wurde der Absturz nach bisherigen Erkenntnissen vermutlich durch einen Triebwerkausfall kurz vor der Landung verursacht. Der Pilot soll ersten Medienberichten zufolge einen "kontrollierten Schwebeflug" versucht haben, um die Boeing 737/800 sicher auf die Landebahn zu bringen.

Flug TK 1951 befand sich auf dem Weg von Istanbul nach Amsterdam und sollte dort planmäßig gegen 10.30 Uhr ankommen. Aber in der Ankunftshalle warteten die Angehörigen vergeblich. Noch gut eine Stunde, nachdem die Boeing bereits im Acker lag, stand auf der Ankunftstafel "verwacht" - also: "wird erwartet".

Zu diesem Zeitpunkt waren die Wartenden in Halle 3, viele von ihnen mit Blumen in den Händen, bereits von ihren Verwandten oder Freunden, die den Absturz überlebt hatten, per Mobiltelefon über das Unglück informiert worden. Schiphol-Mitarbeiter verteilten unter den Wartenden vorgedruckte gelbe Zettel in verschiedenen Sprachen, dass sie mit Bussen zu eine nahe Sporthalle gefahren werden sollen, um dort genauer über den Absturz informiert zu werden, der einen Kilometer von der Landebahn entfernt geschah. Informationen auf Türkisch fehlten gleichwohl.

In Schiphol war unmittelbar nach dem Unfall der Katastrophenplan in Kraft getreten. Krankenwagen und Feuerwehren der nahen Umgebung und aus Amsterdam wurden alarmiert, Krankenhäuser erhielten den Auftrag, sich auf den Notfall einzurichten. Eine Augenzeugin, die offenbar als eine der ersten an der Unfallstelle war, berichtete im niederländischen Fernsehen: "Ich sehe regelmäßig Flugzeuge landen, aber diese Maschine flog viel zu tief, die Nase nach unten und dann plötzlich fiel sie runter und der Motor brach ab."

Über den Triebwerkschaden gab es am Mittwoch unterschiedliche Berichte. Einige Medien meldeten, ein Triebwerk sei beim Aufprall abgerissen worden, andere berichteten, das Triebwerk sei noch während des Fluges abgebrochen. Die Augenzeugin, die mit ihrem Mann zum Unglücksort gekommen war, berichtete von dramatischen Szenen. Von blutenden Verletzten sowie von Überlebenden, die ,,uns entgegenliefen, auch einige schreiende Kinder, das war das Schlimmste''. Alle hätten nur weg vom Flugzeug gewollt.

Die Krankenwagen konnten wegen des nassen Feldes nicht zum Wrack fahren. Verletzte mussten auf Tragen zu den Wagen gebracht werden. Ein türkischer Passagier erzählte im türkischen Fernsehen über den Absturz, dass er glaubte, in eine Turbulenz geraten zu sein und dann merkte, wie das Flugzeug auf den Acker zustürzte: "Es dauerte Sekunden und doch war es lange. Dann ein Rumms, Panik, Schreie und überall Blut. Es ging so schnell, das kann man sich nicht vorstellen." Viele Passagiere waren nach dem Crash allein aus dem Flugzeug gestiegen.

Es sei ein Wunder, dass es nicht mehr Todesopfer gegeben habe, sagte der türkische Verkehrsminister Binali Yildirim. Die Bruchlandung auf relativ weichem Untergrund und die Tatsache, dass kein Brand ausgebrochen sei, habe etlichen Insassen das Leben gerettet.

Spekulationen über die Unglücksursache

Der Tank der Boeing war bei dem Aufprall offenbar intakt geblieben. Unklar war am Mittwoch, warum die türkischen Behörden noch eine Stunde vor der offiziellen Pressekonferenz in Amsterdam meldeten, es habe keine Todesopfer gegeben. Zunächst wurde deshalb vom "Wunder von Amsterdam" gesprochen - in Anlehnung an die geglückte Notwasserung einer Maschine auf dem Hudson River vor wenigen Wochen.

Spekuliert wurde zudem über mögliche andere Unglücksursachen, etwa Nebel oder Treibstoffmangel. Der Aufsichtsratsvorsitzende von Turkish Airlines, Candan Karlitekin, erklärte, zum Unglückszeitpunkt sei die Sicht gut gewesen. Eine erste Durchsicht der Unterlagen habe zudem ergeben, dass die Maschine aus dem Jahr 2003 ordnungsmäßig gewartet worden sei, der Pilot habe über große Erfahrung verfügt. Auch einen Anschlag schlossen die Behörden aus. Aufschluss erhoffen sich die Ermittler von der Auswertung der Aufnahmegeräte. Die Black Box wurde zur Auswertung nach Paris geschickt.

Es war der 10. Absturz einer Maschine von Turkish Airlines seit 1973, die meisten ereigneten sich aber vor langer Zeit. Zuletzt war die Flotte stark modernisiert und die Standards verbessert worden.

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