Flug U49525:Offiziell gesund

Entrance of a Lufthansa Flight Training school is pictured in Bremen

Es bleibt die Frage, ob die Lufthansa alles tat, um sicherzustellen, dass jemand, der als depressiv bekannt war, nicht erneut ein Risiko darstellte.

(Foto: Fabian Bimmer/Reuters)

Das Luftfahrtbundesamt wusste nichts von Lubitz' Erkrankung. Hat die Lufthansa alles getan, um sicherzustellen, dass er kein neues Risiko darstellte?

Von BERND DÖRRIES, Düsseldorf

Bei der Lufthansa dachten sie lange, es sei gar nicht so gut, wenn man sich richtig kennenlernt im Cockpit, weil Vertrautheit auch zu Nachlässigkeit führen könne. Also wird bei der Lufthansa und ihren Töchtern darauf geachtet, dass es so etwas wie Pärchenbildung nicht gibt im Cockpit: Es kommt selten vor, dass ein Pilot mehrfach hintereinander mit demselben Copiloten fliegt. Die Flugzeuglenker sollen das übliche Prozedere einhalten, sich nicht über das vergangene Wochenende unterhalten. Letztlich fliegen also Fremde miteinander, was es für den Copiloten Andreas Lubitz wahrscheinlich einfacher machte zu verbergen, dass es da noch eine andere Seite gab in ihm, die niemand kennen durfte. Zumindest nicht bei der Lufthansa. Dass er von Arzt zu Arzt rannte, von einem Psychiater zum nächsten Neurologen, auf der Suche nach einem, der ihm helfen konnte. Dass er Angst hatte, seine Sehkraft zu verlieren.

Seine Fliegerärzte dagegen traf Lubitz nur einmal im Jahr. Sie prüften seine Tauglichkeit, sie sahen ihm in die Augen. Nur in den Kopf schauen, gewissermaßen, konnten sie nicht. Oder doch?

Schwere Erkrankungen müssen erst seit 2013 gemeldet werden

Im Jahr 2009 hatte Andreas Lubitz bekanntermaßen seine Ausbildung an der Flugschule unterbrochen, wegen einer Depression. Die Krankheit sei abgeklungen, stellte ein externer Gutachter einige Monate später fest, Lubitz wurde von den Fliegerärzten der Lufthansa wieder für tauglich befunden. In seine Unterlagen wurde das Kürzel SIC vermerkt, das für regelmäßige medizinische Untersuchungen steht. Jeder, der seine Unterlagen sah, wusste also, dass dort jemand ist, bei dem man genauer hinschauen muss. "Wenn ich so jemanden habe, lasse ich mir sofort seine Unterlagen kommen", sagt Matthias Wirth vom Verband der deutschen Fliegerärzte.

Die Frage ist nun, was die Fliegerärzte von Andreas Lubitz taten, ob sie genauer hinschauten. Nach der abgeklungenen Depression bekam Lubitz noch viermal die Tauglichkeit zugesprochen, in einem Standardprozedere, bei dem psychische Aspekte keine große Rolle spielen. Vielleicht haben die Lufthansa-Ärzte auch genauer nachgefragt. "Piloten sind aber gute Schauspieler", sagt Fliegerarzt Wirth. Lubitz wusste, dass er seine Lizenz verlieren wird, sobald er auch nur das Wort Depression in den Mund nimmt. Und ein zweites Mal würde er sie nicht wieder bekommen, zumindest nicht so einfach.

Es bleibt die Frage, ob die Lufthansa alles tat, um sicherzustellen, dass jemand, der als depressiv bekannt war, nicht erneut ein Risiko darstellte. Seit 2013 müssen schwere Erkrankungen dem Luftfahrtbundesamt gemeldet werden. Neben dem Kürzel SIC steht auch die Aufforderung "contact licensing authority". Wenn der Arzt das Kürzel SIC in die Unterlagen des Piloten einträgt, muss er sich beim Luftfahrtbundesamt melden und der Behörde die Diagnose mitteilen. Das LBA sagt, man habe von der Erkrankung von Lubitz erst nach dem Absturz erfahren. Hat die Lufthansa also einen schwerwiegenden Fehler gemacht? Der Konzern und externe Fliegerärzte sagen, dass es erst seit 2013 Pflicht ist, Depressionen an das Bundesamt zu melden, und die Aufforderung nicht rückwirkend zu verstehen ist. Lubitz wurde 2009 wieder für gesund erklärt. Und es scheint so, als habe seitdem niemand wirklich gefragt, wie es ihm geht. Die Vorschriften hätten das nicht vorgesehen, sagen die Beteiligten.

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