Flugchaos nach Vulkanausbruch:Der Himmel macht Pause

Die Europäer kommen nicht in die Luft, weil der Flugverkehr ruht: In Deutschland ist der Luftraum bis mindestens Sonntagabend 20 Uhr gesperrt - wegen der Aschewolke.

Ausnahmezustand im europäischen Flugverkehr: Noch immer gelangen Hunderttausende Reisende wegen der Aschewolke aus einem isländischen Eyjafjalla-Vulkan nicht an ihr Ziel. Die Deutsche Flugsicherung verlängerte die Sperrung des Luftraums über Deutschland am Morgen bis Sonntagabend 20 Uhr - mindestens. Das teilte eine Sprecherin mit. Über das weitere Vorgehen soll im Laufe des Tages entschieden werden. Zuvor hatte bereits die Lufthansa erklärt, sie streiche sämtliche Flüge bis Sonntag 20 Uhr.

Da der Vulkan unter dem isländischen Gletscher Eyjafjalla weiterhin Asche in die Luft bläst und sich die Luftströmungen nach Einschätzung von Wetterexperten kaum ändern dürften, ist mit weiteren Verlängerungen der europaweiten Flugverbote zu rechnen.

Kritik an Sperrung des deutschen Luftraums

Unterdessen werden erste kritische Stimmen an dem ausgedehnten Flugverbot über Deutschland laut: Air-Berlin-Vorstandschef Joachim Hunold sagte der Bild am Sonntag: "Die Schließung des Luftraums erfolgte ausschließlich aufgrund der Daten einer Computersimulation beim Vulcanic Ash Advisory Centre in London". Aufgrund dieser Daten errechnet der Deutsche Wetterdienst kontaminierte, also mit Vulkanasche belastete Gebiete. Mit diesen Daten wiederum entscheidet die Deutsche Flugsicherung (DFS) über ein Flugverbot. Hunold weiter: "Es ist in Deutschland noch nicht mal ein Wetterballon aufgestiegen, um zu messen, ob und wie viel Vulkanasche sich in der Luft befindet." Für die Fluggesellschaften bedeutet das Abriegeln des Luftraums massive Einkommenseinbußen.

Bei der Deutschen Lufthansa hieß es: "Wir haben heute zehn Überführungsflüge von Großraumjets der Typen Boeing 747 und Airbus 340 von München nach Frankfurt durchgeführt. Dabei sind unsere Maschinen bis auf 24.000 Fuß, also rund 8000 Meter Höhe, gestiegen", sagte Konzernsprecher Klaus Walther der Zeitung. "In Frankfurt wurden die Maschinen von unseren Technikern untersucht. Weder auf den Cockpitscheiben, an der Außenhaut noch an den Triebwerken fanden sie auch nur den kleinsten Kratzer."

Der Konzernsprecher beklagte: "Durch das Flugverbot, das ausschließlich auf Computerberechnungen beruht, entsteht ein volkswirtschaftlicher Schaden in Milliardenhöhe. Er forderte, dass zukünftig vor einem Flugverbot verlässliche Messungen vorliegen müssten.

Nach Informationen der Bild am Sonntag ist ein Forschungsflugzeug des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums (DLR) bislang nicht einsatzbereit gewesen, da die entsprechenden Messgeräte für Vulkanasche erst eingebaut werden müssen. Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) kündigte an, am Montagabend ein Flugzeug mit Wissenschaftlern des Instituts für Atmosphärenphysik in Oberpfaffenhofen starten zu lassen.

Vulkan möglicherweise noch Monate aktiv

Der isländische Wetterdienst rechnet indes damit, dass die Aschewolkebelastung über Europa noch einige Tage anhält. Bei den Höhenwinden werde es vorerst "mehr oder weniger das gleiche" bleiben, sagte ein Mitarbeiter des Meteorologischen Instituts in Reykjavik. Die Asche werde weiter Richtung Großbritannien und Skandinavien ziehen. Dies werde "in den kommenden Tagen" so bleiben. Isländische Meterologen und Vulkanologen halten es sogar für möglich, dass der Vulkan noch Wochen oder Monate aktiv bliebt.

Der britische Wetterdienst beobachtete, dass die Wolke sich am Samstag weiter Richtung Südeuropa ausdehnte. Zudem werde die Aschewolke aber auch über dem Norden Europas mindestens bis Sonntag ihre Auswirkungen entfalten, sagte ein Sprecher des Met Office in London.

Auf den größten europäischen Flughäfen - darunter London-Heathrow, Paris-Roissy und Frankfurt am Main - waren am Wochenende keine Starts und Landungen möglich. Eurocontrol teilte mit, dass am Samstag von geplanten 22.000 Flügen nur 6000 abgewickelt werden konnten. In 17 europäischen Ländern sei der Flugverkehr vollständig unterbrochen, möglich waren Flüge demnach lediglich in Teilen Süd- und Südosteuropas, darunter in Spanien, Griechenland und der Türkei.

In mehreren nordeuropäischen Ländern weiteten die Behörden das Flugverbot bis zum Sonntag aus. Der Luftraum über Polen war nach Behördenangaben "bis auf Weiteres" nicht zugänglich. Damit wurde die Teilnahme internationaler Trauergäste am Staatsbegräbnis des verunglückten polnischen Präsidenten Lech Kaczynski am Sonntag in Krakau in Frage gestellt.

Erfahren Sie auf der nächsten Seite, wer nicht an der Trauerfeier für den polnischen Präsidenten teilnimmt.

Merkel sagt ab

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte ihre Teilnahme an den Trauerfeierlichkeiten für den polnischen Präsidenten ab. Als Grund nannte eine Regierungssprecherin die massiven Einschränkungen im Luftverkehr. Auch weitere internationale Staats- und gekrönte Häupter werden nicht an den Gedenkfeierlichkeiten in Krakau teilnehmen.

Merkel, die am Freitag bei ihrer Rückreise aus den USA einen unfreiwilligen Zwischenstopp in Portugal eingelegen musste, war am Samstag von Lissabon nach Rom weitergeflogen. Von dort fuhr sie mit dem Auto weiter, übernachtete von Samstag auf Sonntag aber in Bozen.

Die fünf in Afghanistan verletzten und am Freitagabend nach Istanbul ausgeflogenen Soldaten müssen indes weiter am Bosporus ausharren. Zwei von ihnen sollten dort zunächst weiter im US-Krankenhaus der Stadt behandelt werden. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, (CSU), der die Soldaten begleitet hatte, brach am Samstagnachmittag nach Deutschland auf. Das Ministerium wollte unter Hinweis auf die Sicherheit des Ministers nicht sagen, wie Guttenberg reiste.

Nur einer trotzte der Aschewolke: Papst Benedikt XVI. traf am Samstag zu einem Kurzbesuch in Malta ein. Seine Chartermaschine war eine der wenigen, die von dem römischen Flughafen Leonardo da Vinci abfliegen durften. Auch der Flugraum über Norditalien ist eigentlich gesperrt.

Um das Flugchaos über Europa nach Abzug der Aschewolke wieder in der Griff zu bekommen, plädiert der Bundesverband der Deutschen Fluggesellschaften für eine befristete Aufhebung der Nachtflugbeschränkungen. Sobald der Luftraum wieder frei sei, zähle jede Stunde Betriebszeit, sagte BDF-Geschäftsführer Michael Engel am Samstag.

Forderung nach Aufhebung des Nachtflugverbots

Gerade große Flughäfen wie Frankfurt, München, Düsseldorf und Hamburg hätten aber sehr restriktive Nachtflugbeschränkungen, die verhinderten, dass auch nachts Passagiere nach Deutschland zurückgebracht werden könnten.

Auch der Flughafenverband ADV bat die Behörden, die Regelungen für Start- und Landezeiten in den kommenden Tagen flexibel zu handhaben, damit im Ausland wartende Passagiere so schnell wie möglich zurückkommen können. Mehrere Politiker haben sich dieser Forderung bereits angeschlossen.

Bundesverkehrsminister Ramsauer erklärte, er halte ein flexibles Vorgehen zur möglichen Aufhebung des Nachtflugverbots für sinnvoll. "Da sind die Landesbehörden zuständig, schnell zu reagieren", sagte eine Ministeriumssprecherin am Samstag auf Anfrage in Berlin.

Die Deutsche Bahn bemüht sich unterdessen, dem Ansturm der Reisenden, die vom Flugzeug auf die Bahn umsteigen müssen, gerecht zu werden: "Wir beobachten die Situation genau und werden unsere Angebote anpassen", sagte ein Bahn-Sprecher. Vor allem Richtung Wien und Frankfurt am Main seien die ICE-Züge sehr voll. Auch auf den ICE-Verbindungen zwischen den großen deutschen Flughäfen könnte es zu Überlastungen kommen.

Alle verfügbaren Züge seien im Einsatz. Wie schon am Freitag stünden an den Bahnhöfen mehr Mitarbeiter bereit, um die Fahrgäste über die aktuellen Verbindungen zu informieren.

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