Flug 4U9525:Düsseldorfer Ermittler an Absturzstelle eingetroffen

Germanwings A320 abgestürzt - Seyne Les Alpes

Die Ermittler hätten die am Absturzort gefundenen Handys noch nicht ausgewertet, heißt es bei der französischen Gendamerie in Seyne Les Alpes.

(Foto: dpa)
  • In Haltern wollen Trauernde am Mittwoch einen öffentlichen Gottesdienst für die Verstorbenen von Flug 4U9525 abhalten.
  • An der Absturzstelle in Frankreich ist inzwischen ein Ermittlerteam aus Düsseldorf eingetroffen.
  • Mehrere Medien hatten berichtet, sie hätten Handy-Aufnahmen von den letzten Sekunden an Bord einsehen können - die französische Polizei dementierte.
  • Das Auswärtige Amt korrigiert die Zahl der deutschen Opfer.
  • Lufthansa-Chef Spohr ist erneut zur Absturzstelle in die französischen Alpen gereist und macht den Hinterbliebenen ein Versprechen.

Gottesdienst in Haltern

In der westfälischen Stadt Haltern kommen Trauernde am Mittwochabend zu einem öffentlichen Gottesdienst zusammen, um der Toten des Germanwings-Unglücks zu gedenken. Die Pfarrer der katholischen und der evangelischen Kirche sowie der Halterner Bürgermeister Bodo Klimpel haben für 17 Uhr in die St.-Sixtus-Kirche eingeladen. Wegen der hohen Teilnehmerzahl wird der Gottesdienst über Lautsprecher nach draußen übertragen. 16 Schüler und zwei Lehrerinnen eines Halterner Gymnasiums gehören zu den Opfern des Absturzes.

Ermittlerteam in Frankreich

Ein Ermittlerteam aus Düsseldorf ist an der Absturzstelle der Germanwings-Maschine in den französischen Alpen eingetroffen. Mit dabei ist auch der Chef der Sonderkommission "Alpen". Mit den vier deutschen Polizisten flogen die vier französischen Ermittler, die die Arbeit in Düsseldorf bisher unterstützt hatten. Zum deutschen Team gehört ein Spezialist des Landeskriminalamts für lasergestützte Tatortvermessung und digitale Spurenkarten.

Insgesamt gehören der Sonderkommission etwa 100 Beamte an. Sie ermitteln zu etwaigen Motiven des vermutlich vorsätzlich verursachten Absturzes. Allein die eigens dazu eingesetzte Mordkommission zählt demnach rund 50 spezialisierte Ermittler. Zudem sollen sie bei der Identifizierung der Opfer helfen.

An der Absturzstelle in den französischen Alpen war am Mittwoch damit begonnen worden, persönliche Gegenstände der Toten zu sichern. Die Bergung der Opfer wurde nach Angaben der Gendarmerie bereits am Dienstag abgeschlossen. Bis spätestens Ende der Woche sollen alle Opfer identifiziert sein. Das hatte Frankreichs Präsident François Hollande am Dienstag in Berlin erklärt. Außerdem geht in Frankreich die Suche nach dem Flugdatenschreiber weiter.

Auswärtiges Amt: 72 statt 75 Deutsche unter Todesopfern

Unterdessen korrigiert das Auswärtige Amt die Zahl der Toten mit deutscher Staatsangehörigkeit. Unter den 150 Opfern seien 72 Deutsche, nicht 75, wie zunächst angenommen. Der Grund für die späte Berichtigung der Zahl ist, dass es zunächst Unklarheiten bei den Passagieren mit doppelter Staatsangehörigkeit gab.

Chefs von Lufthansa und Germanwings versprechen Hilfe

Auch die Chefs von Lufthansa und Germanwings hatten sich am Mittwoch erneut ein Bild der Lage in den französischen Alpen gemacht. Carsten Spohr (Lufthansa) und Thomas Winkelmann (Germanwings) legten am Gedenkort in Le Vernet, einer kleinen Siedlung in unmittelbarer Nähe des Katastrophenortes, einen Kranz nieder. In Marseille wollten sie außerdem erneut mit Angehörigen zusammenkommen. Spohr sagte zu: "Wir helfen nicht nur diese Woche. Wir möchten solange helfen, wie Hilfe benötigt wird."

Zu den am Vorabend bekanntgewordenen neuen Details über die Erkrankung des Copiloten äußerte er sich nicht. Der Konzernchef dankte allen Einsatzkräften, Helfern und den Menschen im Absturzgebiet erneut für ihre Unterstützung. Er zeigte sich "tief beeindruckt von der Professionalität, der Energie, dem Mitgefühl und der Sympathie".

Eine geplante Feier zu ihrem 60. Jubiläum hat Lufthansa am Dienstag abgesagt. Die für den 15. April vorgesehenen Feierlichkeiten fänden "aus Respekt vor den Opfern des Absturzes von Flug 4U9525" nicht statt, teilte der Germanwings-Mutterkonzern mit. "An Stelle der geplanten Jubiläumsveranstaltung wird Lufthansa den Staatsakt aus dem Kölner Dom, bei dem Angehörige und Freunde am 17. April 2015 der Opfer gedenken werden, für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übertragen."

Verwirrung um angebliches Absturz-Video

Die französische Justiz hat die Herausgabe eines Videos gefordert, das die letzten Sekunden im Inneren der in den französischen Alpen abgestürzten Germanwings-Maschine zeigen soll. "Wenn eine Person ein solches Video besitzen sollte, muss sie es umgehend den Ermittlern übergeben", erklärte der zuständige Staatsanwalt von Marseille, Brice Robin. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt liege den Ermittlern kein Video vor, das den Absturz des Airbus A320 zeige.

Zuvor hatten mehrere Medien über ein solches Video berichtet. Auf der Internetseite von Paris Match hieß es, auf dem nur wenige Sekunden dauernden Video seien keine Menschen zu erkennen, aber "Oh, mein Gott"-Rufe in mehreren Sprachen zu hören. Gezeigt wurden die Aufnahmen, die stark verwackelt sein sollen, aber nicht. Paris Match und Bild zufolge stammt das Video von einem Speicherchip, den jemand aus dem "Kreis der Ermittler" am Absturzort gefunden hätte.

Der Vertreter der Gendarmerie, Jean-Marc Ménichini, hatte diese Angaben in einem Interview mit dem US-Nachrichtensender CNN bestritten. Das sei "vollkommen falsch". Ermittler hätten die am Absturzort gefundenen Handys noch gar nicht ausgewertet. Die Geräte würden im Zuge weiterer Untersuchungen an ein spezialisiertes Institut in Rosny-sous-Bois bei Paris geschickt.

Lufthansa ließ Lubitz psychiatrisch beurteilen

Fliegerschule war über Depression informiert

Die Verkehrsfliegerschule der Lufthansa wusste während der Ausbildung von Copilot Andreas Lubitz von einer vorausgegangenen Depression. In einer E-Mail habe der damalige Flugschüler 2009 im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme seiner Ausbildung die Verkehrsfliegerschule über eine "abgeklungene schwere depressive Episode" informiert, teilte die Lufthansa in einer Pressemeldung am Dienstag mit.

"Die Unterlagen wurden erneut durchgesehen inklusive der E-Mails", erläuterte eine Lufthansa-Sprecherin in Frankfurt am Main am Mittwoch. Diese "neue Erkenntnis" sei vom Unternehmen an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet worden. Der Co-Pilot des Germanwingsflugs 4U9525 hatte in seiner Ausbildung in der Verkehrsfliegerschule eine Unterbrechung von mehreren Monaten. Im Anschluss an die Ausbildung wurde dem Co-Piloten die erforderliche ärztliche Flugtauglichkeit bestätigt.

"Bewerber mit einem psychiatrischen Leiden müssen einer zufriedenstellenden Beurteilung unterzogen werden", heißt es in der Verordnung 1178/2011, veröffentlicht im Amtsblatt der EU. Auf Dutzenden Seiten ist dort aufgeführt, wer Berufspilot werden darf und wer nicht. Und diese erneute psychiatrische Beurteilung für Lubitz gab die Lufthansa allem Anschein nach in Auftrag. Weil psychische Erkrankungen aber wiederkehren, versahen die Ärzte sein Medical mit dem Hinweis, dass er sich regelmäßigen medizinischen Untersuchungen unterziehen muss. Seinem Arbeitgeber war dieser Hinweis bekannt.

Ministerium will Ermittlungen abwarten

Das Bundesverkehrsministerium will vor Entscheidungen über mögliche Konsequenzen aus dem Germanwings-Absturz für die Pilotenauswahl die weiteren Ermittlungen abwarten. Die bestehenden Anforderungen an die Flugtauglichkeit von Piloten bei Bewerbungen und den jährlichen Überprüfungen seien hoch, sagte eine Sprecherin am Mittwoch. Zunächst sei nun wichtig zu sammeln, was an Erkenntnissen zusammengetragen werde. Diese seien in Ruhe auszuwerten, um dann möglicherweise Schlüsse aus den Ergebnissen zu ziehen.

Germanwings-Versicherer erwarten Schaden von 300 Millionen Dollar

Der Versicherungskonzern Allianz rechnet für das abgestürzte Germanwings-Flugzeug Branchenkreisen zufolge mit Kosten für die Versicherer von bis zu 300 Millionen Dollar. Bei der Summe handele es sich um eine vorläufige Schätzung, sagte eine mit den Berechnungen vertraute Person. Der endgültige Betrag könne sowohl darüber als auch darunter liegen. Die Allianz als Hauptversicherer der Maschine habe diese Summe aber zunächst festgelegt. Denselben Betrag nannten auch Berichte der Versicherungszeitung The Insurance Insider und des Handelsblatts.

Den Hauptteil der Zahlungen macht demnach der Schadenersatz für die Passagiere aus. Der Germanwings-Mutterkonzern Lufthansa zahlt den Hinterbliebenen zunächst bis zu 50 000 Euro je Opfer als Entschädigung. Insgesamt wird in der Regel in der Luftfahrt aber mit einer Entschädigung von einer Million US-Dollar im Todesfall pro Passagier kalkuliert. Im Fall von Flug 4U9525 wären das 150 Millionen Dollar. Hinzu könnten einem der Berichte zufolge Schadenersatzklagen der Familien der drei getöteten US-Bürger vor amerikanischen Gerichten kommen. Außerdem fallen weitere Kosten wie die Bergung und der Verlust des Flugzeugs an, das aufgrund des Alters von 24 Jahren allerdings nur noch etwa 6,5 Millionen Dollar wert war.

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