Flug MH 370:Verloren im Meer

MH370 verschollen im Indischen Ozean

Eine Straße in Kuala Lumpur: Es gibt keine Hoffnung mehr für die Passagiere an Bord von Flug MH370.

(Foto: dpa)

"Es gibt keine Worte von uns, die Ihr Leid mindern könnten": Malaysia Airlines und Malaysias Regierung nehmen den Angehörigen der 239 Personen an Bord von Flug MH370 die letzte Hoffnung. Die Maschine sei im Indischen Ozean abgestürzt - doch Beweise gibt es weiterhin keine.

Von Jens Flottau

Die Angehörigen haben in den vergangenen zwei Wochen ein Martyrium durchleben müssen: Groß waren die Sorge um Passagiere und Besatzungsmitglieder des Malaysian-Airlines-Flugs MH370 und die Unsicherheit darüber, was geschehen ist. Täglich schwand zudem die Hoffnung auf Überlebende. Als der malaysische Premierminister Najib Razak am späten Montagabend (Ortszeit) in Kuala Lumpur vor die Kameras trat, versuchte er, zumindest die Unsicherheit auszuräumen: Auf der Grundlage neuer Berechnungen müsse man davon ausgehen, dass die Boeing 777 zuletzt über dem Indischen Ozean westlich der australischen Stadt Perth in der Luft gewesen sei. Weit weg von jeder Landebahn.

"Mit großer Betroffenheit muss ich Sie informieren, dass Flug MH370 nach diesen neuen Daten im südlichen Indischen Ozean endete", sagte Najib Razak unter Berufung auf neue Informationen des Satellitenbetreibers Inmarsat und die britische Untersuchungsbehörde für Luftunfälle (AAIB). Zum Zeitpunkt des letzten Satellitenkontakts war die Position des Flugzeugs bisher nur ungenau in einem weiträumigen Korridor verortet worden; nun sei gewiss, dass das letzte Signal westlich von Perth empfangen wurde, sagte Najib Razak. Allerdings ließ er offen, welche neuen Kalkulationen zu dem Schluss geführt haben. Jedenfalls übernimmt die malaysische Regierung nun erstmals offiziell die Position, dass es keine Rettung gab und gibt für die 239 Menschen an Bord. Eine Sicht, die trotz aller Hoffnung ohnehin schon die wahrscheinlichste war.

"Es gibt keine Worte, die Ihr Leid mindern könnten"

Die Fluggesellschaft verschickte kurz vor dem Auftritt Najib Razaks eine Mitteilung an die Angehörigen mit ähnlichem Wortlaut wie in der Rede des Premiers: "Malaysia Airlines bedauert zutiefst, dass wir davon ausgehen müssen, dass MH370 im südlichen Indischen Ozean endete", heißt es da. "Es gibt keine Worte von uns oder irgendjemand anderem, die Ihr Leid mindern könnten." Dem Vernehmen nach hat die Fluggesellschaft den Angehörigen angeboten, sie per Charterflug nach Australien zu bringen, um möglichst nahe an die vermutete Absturzstelle zu kommen.

Einen Durchbruch aber können die Suchtrupps auch nach dem offiziellen Statement Najib Razaks noch nicht vermelden. Flugzeuge und Schiffe aus mehreren Ländern haben seit Tagen in der Region gesucht, auf die nun auch die Berechnungen hindeuten. Sie haben auf der Meeresoberfläche schwimmende Objekte identifiziert, und zwar grob an drei Stellen in einem riesigen Suchgebiet, aber sie haben diese noch nicht eindeutig dem verschollenen Flugzeug zuordnen können. Trotz aller Indizien ist das Wrack somit bisher nicht geortet. Es ist nur eines sicher: Weiter als bis zu der vermuteten Position westlich von Perth hat der Treibstoff nicht gereicht.

In China gab es denn auch große Skepsis gegenüber der schlechten Nachricht aus Malaysia: Ohne Trümmer gebe es keine klaren Beweise, sagten mehrere Fachleute am Montag der Tageszeitung China Daily. So sagte der Luftverkehrsexperte Wu Peixin, es brauche noch "eine beträchtlich lange Zeit", um die Schlussfolgerung zu verifizieren. Die chinesische Regierung habe die Regierung in Kuala Lumpur derweil um "alle Informationen und Beweise" gebeten, die zu der Schlussfolgerung vom Absturz im Indischen Ozean geführt haben, sagte ein Sprecher des Pekinger Außenministeriums und betonte, dass die chinesische Suche weitergehe. 153 der 239 Insassen der Maschine waren Chinesen.

Wichtige Rückschlüsse könnten die Wrackteile liefern

Skeptisch reagierten auch die Familien der chinesischen Passagiere. Sie haben die Nachricht vom Absturz mit Wut und Erschütterung aufgenommen. Im Pekinger Lido Hotel, wo sie am Montag hörten, dass niemand überlebt habe, kam es zu Tumulten zwischen Verwandten und Reportern.

Im Nachgang an die dramatischen Tage wird noch viel aufzuklären sein, vor allem, wer wann welche Informationen weitergeleitet oder zurückgehalten hat. Auch ist immer noch weitestgehend unklar, was an Bord des Flugzeugs tatsächlich passiert ist und warum die Maschine statt Richtung Norden zum Zielflughafen Peking in die entgegengesetzte Richtung flog. Die Theorien reichen von einem Terroranschlag oder einer Entführung bis zu einem Kurzschluss oder Brand im Frachtraum.

Wichtige Rückschlüsse könnten die Wrackteile liefern und die Daten des Flugschreibers. Der Stimmenrekorder zeichnet allerdings immer nur die letzte halbe Stunde auf. Warum MH370 vom Kurs abgewichen ist, wird sich also, wenn überhaupt, nur indirekt aus den Gesprächen ableiten lassen. Und wenn es einen Defekt der Bordelektronik gab, dann könnte dieser auch die Funktion des Datenschreibers beeinträchtigt haben. Immerhin werden am Ende wohl Form und Größe der Trümmer Aufschluss darüber geben können, ob die Piloten in einem letzten dramatischen Manöver eine Notwasserung versucht haben.

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