Flüchtlingsheim von Til Schweiger:Schlechte Besetzung

05 03 2015 Frankfurt am Main Filmmuseum Til Schweiger Tilman Valentin deutscher Schauspieler Reg

Til Schweiger hat sich lautstark für Flüchtlinge eingesetzt und wollte ein "Vorzeigeheim" schaffen - nun scheint das Projekt vor dem Aus zu stehen.

(Foto: imago/Hartenfelser)

Ein ziemlich undurchsichtiges Geschäft mit ziemlich merkwürdigen Figuren: Die Pläne von Schauspieler Til Schweiger für ein "Vorzeigeheim für Flüchtlinge" stecken fest. An ihm liegt es nicht.

Von Peter Burghardt

Für eine schnelle Erfolgsgeschichte hätte Til Schweiger dieses Dreh-buch einfacher schreiben müssen, der Plot ist inzwischen kompliziert. Dabei hatte es gut begonnen: "Ein Vorzeigeheim für Flüchtlinge" werde er bauen, eröffnete der Schauspieler und Regisseur Anfang August der Bild am Sonntag. Zuvor war er wegen seines Einsatzes für Immigranten auf Facebook von Rassisten beleidigt worden und deutlich geworden ("verpisst euch"). Später griffen Unbekannte sein Haus in Hamburg an. Schweiger ist nun eine Stimme der offenen Gesellschaft.

Das "Vorzeigeheim" sollte in Osterode im Harz entstehen, wie Schweiger also vor einem Monat bekannt gab. Das wäre verdienstvoll, denn auch Niedersachsen braucht dringend Platz für all die Hilfsbedürftigen. Das Bundesland rechnet für dieses Jahr mit mehr als 75 000 Asylanträgen, weit mehr als zunächst erwartet, Notaufnahmen wie Friedland platzen aus allen Nähten. Da drängt sich ein leer stehendes Gelände wie die frühere Rommel-Kaserne in Osterode auf.

Ein ziemlich undurchsichtiges Geschäft mit merkwürdigen Figuren

Das Areal gehört seit Kurzem dem Unternehmen "Princess of Finkenwerder" von Wolfgang Koch aus Stade, einem Bekannten Schweigers. Der hatte die 80 000 Quadratmeter im vergangenen Jahr für 160 000 Euro einem insolventen Investmentbetrieb abgekauft - ein Schnäppchen mit einer Grundschuld in mehr als doppelter Höhe. Im Spiel sind außerdem: Jan Karras, ein Freund und Bewacher Schweigers, sowie ein anonymer Dritter. Doch das Projekt steckt fest, denn Til Schweiger hat trotz guter Absichten offenbar schlecht gecastet.

Seit Wochen überschlagen sich die Meldungen, es geht um viel Geld und seltsame Gerüchte. Es geht um ein ziemlich undurchsichtiges Geschäft mit merkwürdigen Figuren.

Erst war die Begeisterung groß, auch Vizekanzler Sigmar Gabriel und der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius trafen sich mit Til Schweiger. Dann hieß es, in Osterode sei alles recht schwierig, Schweiger unterstütze deswegen fürs erste eine Notunterkunft in Osnabrück. Er gründete eine Stiftung und erklärte, er selbst werde 100 000 Euro einzahlen, zu den weiteren Helfern gehören Prominente wie Gabriel und Bundestrainer Joachim Löw.

Vom Tisch sei Osterode aber nicht, so Schweiger, der für eine persönliche Auskunft nicht zu erreichen war. Niedersachsen verhandelt laut Pistorius' Sprecher weiterhin mit dem Kasernen-Besitzer Princess of Finkenwerder, der allerdings nicht als Betreiber eines Camps infrage komme, sondern allenfalls als Vermieter. Nur: Als seriös und liquide gelten die Gesprächspartner eher nicht.

Die Sanierung der Kaserne würde Millionen kosten

Die Princess of Finkenwerder erwies sich als eine Art Briefkastenfirma, mit verdächtigen Bilanzen und ohne Aussicht auf nötige Kredite. Geschäftsführer Koch hat unterdessen die Zweigstelle Neue Kaserne OHA GmbH gegründet, Stammkapital: 25 000 Euro. Für die Sanierung der Rommel-Kaserne wäre ein zweistelliger Millionenbetrag nötig. Die vormalige Militäranlage ist unter anderem schadstoffverseucht, laut Verordnung müssten sogar Hunderte Dreifachfenster eingebaut werden.

Da käme "einiges an Geld zusammen", räumt auch Wolfgang Koch ein, als die SZ ihn auf dem Handy erreicht. Dennoch sei die Unterkunft "eigentlich nach wie vor das Ziel". Personalien spielten keine Rolle, "ich bin da völlig unwichtig". Es gehe um die Not von 600 Menschen, "der Winter steht vor der Tür." Koch wird wütend. "Schreiben Sie doch mal was Positives." Als man sich nach Einzelheiten erkundigt, legt er auf.

"Die hätten sich eine goldene Nase verdient"

Kochs Mitstreiter Karras wiederum bezeichnet sich als ehemaliger Polizeikommissar und Security-Experte mit internationaler Krisenerfahrung. Er stand als Ansprechpartner auf der Website einer Greenzone Consulting ("kritische Unterstützungsaufgaben für das Militär und zivile Institutionen"), ehe die Seite kürzlich aus dem Netz verschwand.

Offenbar flog Karras indes von der Polizeischule, zudem ist er als privater Sicherheitsmann, Türsteher und Schweigers Leibwächter bekannt. Zuschauer kennen den Zweimeter-Mann als Schweigers Begleiter im Fernsehen sowie als Möbelpacker in dessen Film "Honig im Kopf" den bereits sieben Millionen Menschen gesehen haben. Von ihm hatte Schweiger die Idee zu der gemeinsamen Herberge für Zuwanderer, das bestätigte Karras der Hamburger Morgenpost und verriet: "Ich gebe zu, anfangs dachte ich an ein Flüchtlingsheim, weil sich damit Geld verdienen lässt." Dann aber "fand, auch dank Til, bei mir ein Wertewandel statt".

Natürlich sollte das mit der Kaserne und den Flüchtlingen ein Geschäft sein, sagt der Osteroder Kreistagsabgeordnete Frank Kosching. "Die hätten sich eine goldene Nase verdient." Er ist als Mitglied der Linken rechtem Widerstand gegen Schweigers Ensemble unverdächtig, Koch und Karras waren ihm jedoch schon Monate vor Schweigers Vorstoß suspekt. Ein Anbieter für Akteneinlagerung und IT-Serverfarmen (Koch) und ein Personenschützer (Karras)? Seit dem Frühjahr kritisiert Kosching deren Engagement, ihm kamen abenteuerliche Details zu Ohren.

Wenig Ahnung, unrealistische Pläne

Ebenfalls informiert hat sich der aus einer Hamburger Kaufmannsfamilie stammende Privatinvestor Carsten Jungclaus aus Zürich. Er hatte seit März als potenzieller Geldgeber mit Koch und Karras gesprochen. Bald fiel ihm auf, dass die neuen Eigner der Kaserne wenig Ahnung von einem Umbau zum Aufnahmelager hatten. Jungclaus wunderte sich über Business-Pläne, die bei einem Einsatz von nur 1,5 Millionen Euro Jahreseinkünfte von 8,6 Millionen Euro in Aussicht stellten. Er spricht am Telefon von "hochnotpeinlichen Fakten". Nach seiner Kalkulation brauche man mindestens zehn Millionen Euro, um das Terrain in Stand zu setzen. Das würde Jungclaus aufbringen, doch eingedenk der Ereignisse würde er das Projekt nur mit einem professionellen Entwickler, dem Land Niedersachsen und einem gemeinnützigen Betreiber vorantreiben - ohne Koch und Karras. Er machte daher ein Kaufangebot: 1,5 Millionen Euro. Fast das Zehnfache des Kaufpreises. Karras wollte aber sechs Millionen Euro und Koch mindestens drei Millionen Euro - "völlig unrealistisch", sagt Jungclaus. "Dem haben wir abgesagt", verkündet hingegen Koch. Jungclaus vermutet, dass Koch und Karras irgendwie als Betreiber auftreten wollen. Kommerziell sei es interessanter, eine Flüchtlingsunterkunft zu betreiben statt sie zu vermieten. Für den Quadratmeter gebe es etwa sechs Euro pro Monat, für die Versorgung 50 Euro pro Tag und Person.

Mit Profis könne man Osterode im Frühling 2016 eröffnen, meint Carsten Jungclaus. "Mit jedem Tag, der im Moment verstreicht, verschiebt sich die Deadline weiter nach hinten." Niedersachsen sieht sich nach Ersatz um. Til Schweiger baut seine Schweiger Foundation, dreht einen Tatort und will Osterode nicht aufgeben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: