Flucht:Die einzige Waffe hatte der Schwerverbrecher

Reichsalarm in Schweden: Einer der gefürchtetsten Kriminellen ist ausgebrochen, es war offenbar nicht sehr schwer für ihn.

Von Gerhard Fischer

Stockholm - Einer der gefährlichsten Verbrecher Schwedens ist frei. Der zu lebenslanger Haft verurteilte Polizistenmörder und Neonazi Tony Olsson brach in der Nacht zum Mittwoch zusammen mit drei anderen Häftlingen aus dem Gefängnis aus.

Die Polizei löste Reichsalarm aus, errichtete Wegsperren, schickte Hundepatrouillen und Helikopter auf den Weg. Alle Polizisten Schwedens stehen in Bereitschaft.

Wie in billigem Gaunerfilm

Schweden ist ein hoch entwickeltes, modernes Land; aber die Umstände des Ausbruchs erinnern an einen billigen Gaunerfilm: Am Dienstagabend, etwa um 23.30 Uhr, rief in der Isolationsabteilung der Haftanstalt Hall im Süden von Stockholm ein Häftling die Wächter um Hilfe; er fühle sich schlecht, sagte er.

Zwei Wächterinnen machten sich auf den Weg. Plötzlich stand Olsson vor ihnen. Er hatte eine Pistole in der Hand. Eine Wächterin wurde in einer Zelle eingesperrt, mit der anderen gingen Olsson und die drei Häftlinge Daniel Maiorana, Alfred Sansiviero und Mahmoud Amaya zur Zentralwache des Gefängnisses.

Dort gab Olsson Warnschüsse ab und drohte, die Frau zu erschießen, wenn man ihre Flucht behindern würde. Dann gingen sie nach draußen, wo sie von zwei Männern in einem roten Saab empfangen wurden. Sie ließen die Geisel frei und fuhren davon. Der Saab wurde mittlerweile gefunden, nicht aber die Ausbrecher.

Die einzige Waffe hatte der Schwerverbrecher

"Wir haben keine Ahnung, wie Olsson zu der Pistole gekommen ist und weshalb er vor seiner Zellentür stand", sagte Gefängnischef Tomas Berger. Die Polizei glaubt, ein Wächter habe den Häftlingen geholfen.

Tony Olsson ist seit 1999 in Schweden berühmt, gefürchtet und gehasst. Der Neonazi und Gewaltverbrecher hatte zusammen mit den gleich gesinnten Jackie Arklöv und Andreas Axelsson in Kisa bei Stockholm eine Bank überfallen und 2,8 Millionen Kronen (etwa 300.000 Euro) erbeutet.

Auf der Flucht hatten die drei Männer in Malexander unweit des Vätternsees die Polizisten Olov Boren und Robert Karlström erschossen. Schon damals war die schwedische Justiz in die Kritik geraten, denn der verurteilte Verbrecher Olsson war zur Zeit dieses Verbrechens ein so genannter Freigänger; er musste nur abends in seine Zelle. Tagsüber war er am Königlichen Theater in Stockholm engagiert.

Der Starregisseur Lars Noren hatte dort ein Stück über Strafgefangene aufgeführt und echte Verbrecher mitwirken lassen, der Authentizität wegen. Olsson spielte einen Neonazi - überzeugend, wie die Kritiker fanden.

"Tony Olsson ist der Letzte, den wir auf freiem Fuß sehen wollen, die Flucht hätte nicht möglich sein dürfen", sagte der Chef der konservativen Partei "Die Moderaten", Fredrik Reinfeldt. Er forderte den Rücktritt des schwedischen Justizministers Thomas Bodström.

Reinfeldt und andere Politiker verlangten zudem strengere Regeln in den schwedischen Gefängnissen - dort dürfen beispielsweise die Wächter keine Waffen tragen.

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