"Flecki":Deutsche Tierliebe

Ein vermisster Hund bringt seit Tagen eine ganze Region in Wallung. Die Geschichte treibt kuriose Blüten.

Von Stefan Mayr, Dornstadt

Die vermutlich längste Rast in der Geschichte der deutschen Autobahnen ist beendet, aber die Suche nach dem entlaufenen Flecki geht weiter. Neun Tage und Nächte harrten Sven Hossalla und Lisa Metzler auf dem Parkplatz Kemmental an der A 8 bei Ulm in ihrem Cabrio aus, um dort - des Deutschen Tierliebe treibt schon kuriose Blüten - auf ihren verschollenen Mischlingsrüden Flecki zu warten. Der scheue Hund war in den Wald gerannt, danach warteten Frauchen und Herrchen auf seine Rückkehr. Je länger sie dort saßen, desto größer wurde die öffentliche Anteilnahme. Am Mittwochabend erlebte der Fall Flecki dann eine Wendung: Das Pärchen verließ den Parkplatz wieder. Aber die Hoffnung auf ein Happy-End hat es noch nicht aufgegeben. In seinem Auftrag sucht jetzt der "Tierrettungsdienst UNA e.V." nach dem Hund.

Die Geschichte von Lisa, Sven und Flecki begann als rührend-nette Sommerloch-Story. Inzwischen taugt sie als trauriges Lehrstück über die oft maßlose Tierliebe der Deutschen.

Die 24-Jährige und ihr 36-jähriger Verlobter aus Longuich bei Trier hatten den Border-Collie-Mischling aus einer Tierauffang-Station in Kroatien mitgenommen. "Es war Liebe auf den ersten Blick", sagt Lisa Metzler. Auf dem Heimweg aus dem Urlaub wollte sie ihren Hund "nur kurz zum Pinkeln rauslassen". Doch das scheue Tier erschrak wegen eines Knalls auf einer nahen Baustelle, riss sich los und rannte davon. Metzler und Hossalla waren sich einig, dass sie jetzt auf Flecki warten müssten. Aus einer Übernachtung wurden neun. Sie campierten an einer Stelle, die jeder Mensch eigentlich schnellstmöglich wieder verlässt; Autos und Lkw rauschen und donnern vorbei. Dazu kommen die Explosionen von der anderen Straßenseite, wo ein Tunnel ins Gestein getrieben wird. Es gibt keine Dusche, keinen Imbiss. Nur ein streng riechendes WC-Häuschen. All das machte dem Pärchen nichts aus. Auch weil (offenbar ebenso tiernärrische) Bewohner aus dem nahen Dorf Scharenstetten die Wartenden mit Essen und Trinken versorgten. "Wir warten hier, bis Flecki wieder da ist", sagte Hossalla. Mit ihrer Ausdauer kamen die beiden bundesweit in die Schlagzeilen. Irgendwann stellte ihnen sogar jemand noch einen Wohnwagen hin.

Auch an freiwilligen Helfern mangelte es zumindest in diesem Fall von deutscher Flüchtlingshilfe nicht. "Das war ja alles gut gemeint", sagt Angela Kazmaier vom UNA e.V., "aber da waren blödeste Aktionen dabei." Die Sucher bretterten teilweise mit Pferden und Motocross-Motorrädern durch den Wald. "Auch etwa 200 läufige Hündinnen waren dabei", berichtet Kazmaier. Alles hatte nur ein Ergebnis: Das extrem scheue Tier wurde nachhaltig vertrieben. "Wenn die vielen Leute nicht gewesen wären, wäre der Hund schon längst wieder zurück", vermutet Kazmaier. "Teilweise standen 30 Leute um unseren Campingwagen", berichtet Hossalla. Flecki habe sich zwar immer wieder in der Nähe des Autos blicken lassen. "Aber der Lärm und die Hektik haben ihn verscheucht." So kann's gehen.

Deshalb ergriffen nach Flecki nun auch Hossalla und Metzler die Flucht. "Sie sind jetzt an einem geheimen Ort, wo Ruhe herrscht", sagt Kazmaier. Ihr Team zieht die Flecki-Suche generalstabsmäßig auf: Duftfährten sind ausgelegt, Futterstellen mit Kameras installiert. Eine 24-Stunden-Hotline wartet auf "Sichtungen" des schwarz-weißen Rüden.

Und die Arbeit? Herrchen ist selbständig und hat alle Aufträge storniert. Frauchen hat sich freistellen lassen. Bei ihnen ist "Einsatzleiter" Uwe Lässig - mit einem Gewehr, das ein Fangnetz 50 Meter weit schießen kann. "Wir wissen schon, wo er steckt", sagt Lässig. Der PC habe ein Bewegungsmuster errechnet. "Vielleicht haben wir ihn bald." Des Deutschen Tierliebe, sie treibt manchmal schon merkwürdige Blüten.

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