Finnland:Tram zu verschenken

Finnland: Finnlands Herz ist grüngelb: Nirgendwo im ganzen Land fahren noch Trambahnen, außer in Helsinki.

Finnlands Herz ist grüngelb: Nirgendwo im ganzen Land fahren noch Trambahnen, außer in Helsinki.

(Foto: imago stock&people)

Helsinki verschenkt seine alten Straßenbahnen - an Selbstabholer. Doch wer eine Tram will, braucht eine gute Idee.

Von Silke Bigalke

Sie sind ziemlich schwer, grün-gelb gestrichen und passen in kein Wohnzimmer, aber sie sind umsonst erhältlich. Die Trams sind zu einem Symbol für die Stadt Helsinki geworden, dort ruckeln sie seit fast 130 Jahren durch die Straßen, erst von Pferden gezogen, später elektrisch. In keiner anderen finnischen Stadt fahren noch Trams, in der Hauptstadt führt das Liniennetz durch das kleine Zentrum. Da, wo die Trams sind, ist das Herz Finnlands.

Nun kann praktisch jeder so einen alten Bahnwagen mit nach Hause nehmen. Die Stadt hat eine Auswahl verschiedener Modelle ins Netz gestellt. Da ist die mehr als hundertjährige Tram, gebaut, bevor Finnland unabhängig wurde. Ein kleiner Wagen, keine neun Meter lang, zwei Meter breit, 20 Sitzplätze, 24 Stehplätze. Oder wie wäre es mit einer Tram Baujahr 1958? Dieser Waggon wiegt mehr als 13 Tonnen und bietet Platz für 111 Passagiere. Ein anderes Modell stammt aus den Zwanzigern.

Die Verkehrsbetriebe HKL wollen Platz schaffen im Lager. Ihr Problem kennt jeder vom Frühjahrsputz, wenn man über Dinge stolpert, die niemand mehr braucht, die aber zu schade sind zum Wegwerfen. Die ältesten dieser Trams haben bereits im Museum gestanden. Doch dort wurden sie aus Platzgründen vor einigen Jahren wieder aussortiert. Seither stehen sie im Lager.

"Weder das Museum noch wir haben die Kapazität, sie zu behalten", sagt Teemu Niippa, der die HKL-Abteilung für Schienenfahrzeuge leitet. Deswegen kann nun jeder Ideen dafür einreichen, was er mit den alten Waggons anstellen würde - und wer den besten Plan für eine der Trams hat, bekommt sie geschenkt.

Das ist gar nicht so einfach: Die Bahnen sind Museumsstücke, Helsinkier Lieblingskinder. Bei alledem solle "die Geschichte und die Würde der Trams" erhalten werden, sagt deswegen Teemu Niippa. Wer sie zum Sommerhäuschen umbauen oder als Abstellraum nutzen möchte, hat keine Chance. Stattdessen gibt es Extra-Punkte, wenn die Bahnen weiterhin der Öffentlichkeit dienen, irgendwie. Eine Bibliothek, ein kleines Museum, ein Restaurant im Tramwagen? Alles möglich, sagt Niippa. Die Ausschreibung läuft bis Ende August.

Wer den Zuschlag bekommt, für den wird es danach nicht einfacher. Die Stadt vergibt die Trams nur an Selbstabholer. Die Verkehrsbetriebe würden zwar vielleicht helfen, wenn möglich. Sie hätten einen Lastwagen, der diese Trams transportieren kann, so Niippa. Allerdings komme es auch auf die Länge der Reise an und in jedem Fall müsse der neue Eigentümer die Kosten übernehmen. Dazu kommt der Unterhalt. Wer eine Tram bekommt, muss den Verkehrsbetrieben einen jährlichen Bericht schicken. "Wir wollen, dass die neuen Besitzer sie in gutem Zustand halten", sagt Teemu Niippa. Und, ganz wichtig: Die Trams dürfen Finnland nicht verlassen.

Ob sich überhaupt jemand bewirbt? Er sei erstaunt über das große Interesse an den Trams, sagt der Bahn-Beauftrage. Und was, wenn der neue Besitzer irgendwann auch ausmistet? Er dürfte die Tram nicht ohne die Zustimmung von HKL weiterverschenken. Verschrotten dürfte er sie schon: auf "korrekte, umweltfreundliche Weise", versteht sich.

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