Familienrecht:Das Justizministerium plant im Stillen eine Revolution des Familienrechts

Christiane Woopen bei der Premiere der Vortragsreihe Adenauer Lectures in der Aula der Universität z

Christiane Woopen, 54, Professorin für Ethik und Theorie der Medizin an der Universität Köln, war von 2012 bis 2016 Vorsitzende des Deutschen Ethikrats

(Foto: Christoph Hardt/imago)
  • Der Arbeitskreis Abstammungsrecht des Justizministeriums legt am Dienstag Vorschläge für die rechtliche Ordnung der neuen Familienwelt vor.
  • Fortschritte der Reproduktionsmedizin - von Leihmutterschaft bis Samenspende - sollen so juristisch klarer eingebettet werden.
  • Für verheiratete oder verpartnerte lesbische Paare soll es eine automatische "Mit-Mutterschaft" geben.
  • Die Macht der Gene im Familienrecht bleibt groß: Das Auskunftsrecht, dank dem Kinder erfahren können müssen, wer ihre leiblichen Eltern sind, wird ausgeweitet.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Wer in den vergangenen Tagen meinte, allein die Ehe sei grundstürzenden Veränderungen ausgesetzt, der hat eine stille Revolution übersehen. Der rapide Fortschritt der Reproduktionsmedizin macht Leihmutterschaft, Embryonen-, Eizellen- und Samenspende möglich - und damit die Familie für alle, von der alleinstehenden Mutter über das schwule Paar bis zur Mehrelterngemeinschaft. Das traditionelle Familienrecht gerät dadurch unter Druck.

Deshalb hat das Bundesjustizministerium vor zwei Jahren einen Arbeitskreis Abstammungsrecht damit betraut, Vorschläge für die rechtliche Ordnung der neuen Familienwelt zu erarbeiten. Der Kommission unter dem Vorsitz von Meo-Micaela Hahne, einst Vorsitzende des Familiensenats im Bundesgerichtshof, gehörte auch Christiane Woopen an, die ehemalige Vorsitzende des Deutschen Ethikrats. An diesem Dienstag legt das Gremium seinen 134 Seiten starken Abschlussbericht vor.

Lesbische Frauen müssen das Kind der Partnerin künftig nicht mehr adoptieren

Die markanteste Änderung, die der Bericht anregt, knüpft an die Einführung einer Ehe für alle an. Für lesbische Paare sollen nach dem Votum der elf Experten eine "Mit-Mutterschaft" eingeführt werden. Wenn eine Frau mithilfe einer Samenspende ein Kind zur Welt bringt, soll ihre Partnerin zur Zweitmutter werden können - entweder automatisch, wenn es sich um eine Lebenspartnerschaft handelt, oder durch ausdrückliche Anerkennung. Also genauso wie zwischen Mann und Frau. Deshalb gehörte dieser Schritt eigentlich zur Ehe für alle; nur ist er im vergangene Woche beschlossenen Gesetz nicht enthalten.

Diese Mit-Mutterschaft wäre vor allem die Anerkennung einer sozialen Realität - nach Schätzungen sind bundesweit mehr als 3000 Kinder in gleichgeschlechtliche (meist lesbische) Beziehungen hineingeboren worden. Dass die nicht biologisch mit dem Kind verwandte Frau als Mutter anerkannt werden soll, folgt aus dem Prinzip Verantwortung: Ein Paar bekennt sich zur gemeinsamen Elternschaft und soll daher entsprechend rechtlich abgesichert werden. Bisher ist die Partnerin einer lesbischen Mutter auf den mitunter mühsamen Weg der Adoption verwiesen.

Die Macht der Gene im Familienrecht bleibt dennoch groß

Allerdings läutet der Arbeitskreis damit keineswegs den Abschied von der biologischen Verwandtschaft ein - eher im Gegenteil. Die Macht der Gene im Familienrecht bleibt groß, und nach dem Bericht soll sie eher noch größer werden.

Das zeigt sich beim Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung, eine Kreation des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1989. Die Experten möchten dieses Recht erweitern. Unter anderem sollen Kinder - bei begründetem Verdacht - gegen ihren mutmaßlichen Erzeuger einen Anspruch auf Klärung der Vaterschaft haben. Das ist ihnen bisher versagt; bisher können sie einen Gentest nur gegen den "rechtlichen" Vater durchsetzen, den sie nicht für den leiblichen Vater halten.

Diese Empfehlung entspricht einem langfristigen Trend, der von der Erkenntnis ausgeht, dass das Wissen um die eigene Herkunft elementar für die Identitätsfindung ist. So sieht man das inzwischen auch beim Thema Adoptionen, wo die Herkunftseltern nicht mehr - wie einst - anonym bleiben. Ebenso bei der Samenspende: Inzwischen hat der Bundestag die Einrichtung eines Spendenregisters beschlossen, um sicherzustellen, dass Spenderkinder ihre genetischen Väter finden können.

Beim Thema Samenspende ist der Gesetzgeber den Empfehlungen der Fachleute zuvorgekommen: Samenspender sollen fortan vor möglichen Vaterschaftsklagen sicher sein. Bisher blieb, trotz verbindlicher Absprachen, hier immer noch eine Restunsicherheit. Zugleich empfiehlt der Arbeitskreis, bei ärztlich unterstützten Befruchtungen mit Spendersamen Regeln zu schaffen, die von vornherein Gewissheit über die Elternschaft schaffen - damit nicht ein Zerwürfnis des Paares noch vor der Geburt alles wieder infrage stellt. Auch hier soll laut Expertenkreis wieder das Prinzip Verantwortung gelten.

Insgesamt sind die Vorschläge zurückhaltend ausgefallen. Die wirklich heiklen Themen blieben ohnehin ausgespart: Leihmutterschaft und Eizellenspende, beides ist in Deutschland verboten, gehörten nicht zum Arbeitsauftrag. Und bei der Zahl der Eltern votieren die Experten gegen die Revolution: Es sollen nicht mehr als zwei sein.

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