Fall Stormy Daniels:Trump widerspricht Trump

Fall Stormy Daniels: Donald Trump erklärt sich.

Donald Trump erklärt sich.

(Foto: AFP)

Was sein neuer Anwalt gesagt hat, sei nicht richtig, erklärt der US-Präsident - dabei hatte er die Aussagen zuvor via Twitter bestätigt. Ein Überblick über den immer widersprüchlicheren Fall Stormy Daniels.

Von Thorsten Denkler, New York

Jetzt soll alles doch ganz anders gewesen sein. Zumindest behauptet das US-Präsident Donald Trump. Am Freitag erklärt er, in der Sache Stormy Daniels sei in den vergangenen Tagen einiges durcheinandergeraten. Was wohl vor allem an den Aussagen seines neuen Anwaltes und früheren New Yorker Bürgermeisters Rudy Giuliani gelegen habe. Es wirkt skurril: Trump hat zuvor Giulianis Aussagen ja selbst via Twitter bestätigt.

Es geht um jene 130 000 Dollar, die Trumps persönlicher Anwalt Michael Cohen kurz vor der Wahl an die Pornodarstellerin Stormy Daniels überwiesen hatte. Daniels, mit echtem Namen Stephanie Clifford, erklärt, es sei Schweigegeld gewesen; Geld damit sie sich nicht mehr öffentlich über eine Sex-Affäre äußert, die sie 2006 mit Trump gehabt habe - kurz nach der Geburt seines Sohnes Barron. Giuliani hatte vor wenigen Tagen gesagt, Trump habe das Geld an Cohen zurückgezahlt.

Trump hatte dagegen Anfang April an Bord der Air Force One das Gegenteil beteuert. Er habe weder von der Zahlung gewusst, noch etwas darüber, woher Cohen das Geld dafür hatte. Nach einem Bericht der New York Times aus der vergangenen Nacht ist das zumindest zweifelhaft. Demnach soll Trump schon Monate vorher Bescheid gewusst haben.

Es ist eine verwirrende Geschichte voller Widersprüche, vor allem auf Trumps Seite. Hier die Ereignisse in der Causa, Tag für Tag und Schritt für Schritt:

Am 12. Januar 2018 berichtet das eher konservative Wall Street Journal erstmals von dem Deal, den Stormy Daniels mit Trumps Anwalt Michael Cohen gemacht haben soll. 130 000 Dollar bekommt die Pornofilmdarstellerin angeblich dafür, dass sie über ihre angebliche Affäre mit Trump schweigt. Das Geld wurde demnach wenige Tage vor der Präsidentenwahl 2016 an Daniels überwiesen. Cohen äußert sich damals nicht zu der Zahlung. Er erklärt lediglich, dass sein Mandant Trump die Behauptung zurückweise, er habe eine Affäre mit Daniels gehabt.

Es dauert nur wenige Tage, bis am 17. Januar das People-Magazin In Touch ein Interview mit Daniels veröffentlicht, das es im Jahr 2011 mit ihr geführt haben will. Darin äußert sich Daniels explizit zu den Sex-Praktiken, die sie mit Trump erlebt habe. Trumps Anwalt Cohen reagiert darauf eher gelangweilt: "Das sind alles alte Nachrichten. Sie waren damals nicht wahr und sie sind es auch heute nicht."

Am 22. Januar legt der politische Watchdog "Common Cause" im Justizministerium Beschwerde gegen Michael Cohen ein. Das Schweigegeld könnte eine versteckte und damit illegale Wahlkampffinanzierung gewesen sein. Kaum jemand nimmt diese Beschwere zunächst so richtig ernst. Ein Fehler.

Michael Cohen aber scheint darauf irgendwie reagieren zu müssen. Am 13. Februar bestätigt er gegenüber der New York Times, er habe das Geld an Daniels gezahlt. Aus eigener Tasche. Um Trump zu schützen. Warum er das Geld gezahlt hat, wenn es wirklich keine Affäre gab, will er nicht sagen. Nur so viel: Weder die Trump Organization, in der die Geschäfte der Familie Trump gebündelt sind, noch Trumps Wahlkampagne seien in die Zahlung involviert gewesen. Und zwar "weder direkt noch indirekt". Damit will Cohen den Verdacht entkräften, die Zahlung könnte etwas mit dem Wahlkampf zu tun gehabt haben.

Spätestens mit dem 7. März beginnt die Verwirrung: Regierungssprecherin Sarah Huckabee Sanders behauptet vor der Presse, Trump habe mit Daniels einen Vergleich geschlossen. Und zwar so, dass Trump daraus als Sieger hervorgehe. Der Anwalt von Daniels widerspricht dieser Behauptung später vehement. Außerdem sagt Sanders auf die Frage, ob Trump Kenntnis von der Zahlung an Daniels habe: "Nicht, dass ich wüsste."

An Bord der Air Force One bekommen Reporter am 5. April Trump dazu, erstmals selbst auf den Daniels-Deal zu reagieren: Ob er er etwas von der Zahlung gewusst habe? "Nein, nein." Ob er wisse, woher Cohen das Geld habe? "Nein, das weiß ich nicht." Warum habe dann Cohen überhaupt so viel Geld an Daniels gezahlt? "Das müssen sie Michael Cohen fragen", sagt der Präsident.

Vier Tage später, am 9. April, durchsuchen Ermittler des FBI die Geschäfts- und Privaträume von Cohen in New York. Ein Verdacht: illegale Wahlkampffinanzierung. Die Ermittler beschlagnahmen unzählige Akten, Festplatten und einige Telefone. Trump ist außer sich. Er beschuldigt das FBI, sein Justizministerium, den Russland-Ermittler Robert Mueller, an einem großen Komplott gegen ihn zu arbeiten. Das sei ein "Angriff auf unser Land", ereifert sich Trump.

Vor Gericht versuchen Trumps und Cohens Anwälte alles, um selbst die beschlagnahmten Daten sichten zu dürfen und das Material herauszufiltern, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Klient berühren könnte. Sie erringen nur einen Teilsieg. Die zuständige Richterin in New York lässt jetzt eine unabhängige Sonderbeauftragte die Daten prüfen.

Trump streitet erst ab, irgendetwas zu wissen. Dann erklärt er seinen Anwalt für unwissend.

Trump hat bis dahin alles abgestritten, was mit Stormy Daniels zu tun hat. Oder sich auf Unwissenheit berufen. Am 26. April aber lässt er sich am Morgen per Telefon in seine Lieblings-TV-Show "Fox and Friends" zuschalten. Eine halbe Stunde redet er recht wirr durcheinander. Ein Satz aber bleibt hängen. Cohen habe ihn "in diesem verrückten Stormy-Daniels-Deal" vertreten. Es ist das erste Mal, dass er den Namen Stormy Daniels öffentlich ausspricht.

Wusste Trump also doch von der Sache? Die Antwort darauf ist gar nicht so einfach. Am 2. Mai sitzt Trumps neuer Anwalt Rudy Giuliani in der Sendung des Trump-Freundes Sean Hannity (ebenso ein Klient von Michael Cohen).

Giuliani offenbart: Trump habe Cohen für die Zahlung jener 130 000 Dollar "entschädigt". Über das Jahr 2017 hinweg hat Trump seinem Anwalt das Geld zurückerstattet - so sagt es Giuliani.

Allerdings soll Trump keine Details gekannt haben, behauptet sein neuer Rechtsbeistand. Trump habe lediglich von dem Arrangement gewusst, dass Cohen gewisse Dinge regelt. Auch wenn sie viel Geld kosten. Wichtig sei nur, dass das Geld nicht aus der Wahlkampfschatulle gekommen sei. Sondern aus Trumps Privatvermögen. Damit sei die Zahlung unbedenklich, sagt Giuliani.

Das Interview und was er dort sagt, habe er mit Trump abgesprochen, sagt Giuliani später. Viele im Weißen Haus hat es dennoch kalt erwischt. Trumps Stabschef John Kelly soll geschockt gewesen sein, berichten Mitarbeiter.

Noch am selben Abend spricht Giuliani mit der New York Times. Er sagt, Trump habe seinem Anwalt insgesamt "etwa 460 000 bis 470 000 Dollar" als Kompensation überwiesen. In Raten von jeweils 35 000 Dollar. Ein Teil davon sei die Entschädigung für die 130 000 Dollar an Daniels. Ein anderer Teil seien "Nebenkosten", die Cohen im Dienst von Trump entstanden seien.

Am frühen nächsten Morgen, es ist der 3. Mai, postet Trump eine Reihe von Tweets, die die Geschichte von Giuliani unterstreichen. Er schreibt dort auch, dass der Deal mit Stormy Daniels dem Zweck diente, sie davon abzuhalten, weiter falsche Behauptungen in die Welt zu setzen. Eine interessante Begründung. Demnach kann jeder, der nur laut genug verspricht, Falsches über Trump zu erzählen, viel Geld von ihm bekommen. Noch spannender aber ist, dass Trump, seinen eigenen Tweets nach zu urteilen, sehr wohl von den Einzelheiten des Deals gewusst haben müsste.

Am 4. Mai dann die nächste Kehrtwende. Trump erklärt öffentlich, Giuliani habe bisher nur geringe Einsicht in den Deal mit Stormy Daniels gehabt. Giuliani sei ein guter Kerl. Aber erst "seit einem Tag dabei" (tatsächlich sind es zwei Wochen). Und Giuliani werde die Fakten schon noch geraderücken. Es habe in den vergangenen Tagen eine Menge Falschinformationen gegeben, sagt Trump. Alles was bisher in der Sache gesagt worden sei, sei "inkorrekt" gewesen. Und an Giuliani gerichtet: "Ich würde sagen: 'Arbeite dich ein, bevor Du etwas sagst.'"

Der Satz kommt einem Tiefschlag gegen Giuliani gleich. Was aber genau "inkorrekt" gewesen sein soll, erklärt Trump nicht.

Wenige Stunden später lässt Giuliani eine Mitteilung verbreiten. Darin erklärt er, dass alles, was er gesagt habe, nur seinem bisherigen Verständnis von der Angelegenheit entspreche. Er habe nicht wissen können, was Trump tatsächlich gewusst hat. Die Zahlung an Daniels wäre allerdings in jedem Fall erfolgt, egal ob Trump Kandidat war oder nicht. Und einzig zu dem Zweck, Trumps Familie zu schützen.

Durchsichtiger ist die Lage nach den vergangenen beiden Tagen also nicht geworden. Und Trump scheint wenig Lust zu haben, zur Aufklärung beizutragen. "Es ist eigentlich alles sehr einfach", sagt er am Freitag. Liefert aber wieder keine Erklärung, was er damit meinen könnte.

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