Fall Sandro Wagner:Heul doch!

Sandro Wagner ist sauer, weil er nicht mit darf zur Fußball-WM in Russland. Er ist mit diesem Gefühl nicht alleine. Eine kleine Liste anderer gekränkter Eitelkeiten.

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Sandro Wagner

Training Bayern München

Quelle: Andreas Geber/picture alliance

Sandro Wagner mag nicht mehr mitspielen. Und plötzlich gilt der Fußballer als beleidigte Leberwurst der Stunde. Nachdem er vom Bundestrainer nicht in den WM-Kader gewählt worden war, verkündete er in der Bild, er trete "hiermit aus der Nationalmannschaft zurück" und zweifle an der Entscheidung Jogi Löws. "Ernst nehmen kann ich das natürlich nicht." Bäm.

Ist natürlich nicht gerade feine Zurückhaltung, und auch nicht konstruktiv. Aber aus psychologischer Sicht ist eine solche groß-kleine Geste, der laute Abgang, gar nicht verkehrt. Als gefährlicher gilt psychologisch das Schmollen. Eine Kommunikationstechnik, derer sich der Mensch bedient, wenn er eine Niederlage erlitten hat. Durch den stillen Boykott, so heißt es, verschaffe er sich den kleinen Sieg. Aber ist das wirklich befriedigend? Dann doch lieber der ganz große Knall wie bei Sandro Wagner. Diese Form des öffentlichen Eklats hat schon viele Prominente emotional befreit und rehabilitiert. Ein Überblick.

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Gerhard Schröder

Angela Merkel

Quelle: Michael Hanschke/picture alliance/dpa

Die Kränkung: Ihn wolle man aus dem Kanzleramt werfen? Wegen eines läppischen Prozents? Auf keinen Fall. Gerhard Schröder setzt sich am Abend der Bundestagswahl 2005 in die Elefantenrunde und tut so, als wäre er weiter der Größte. Dabei liegt die Union bei etwa 35 Prozent, seine SPD bei 34. Seine Logik: Weil er im Volk beliebter sei als Merkel, müsse er Kanzler bleiben. Eine Form der Realitätsverweigerung, die alle staunen ließ. Sein Außenminister Fischer wollte nur noch heim und zu Abend essen.

Der Wutausbruch: "Wir müssen die Kirche doch auch mal im Dorf lassen."

Die Bewältigungsstrategie: Einen mächtigen Freund suchen. Schröder wählte Wladimir Putin. Der weiß schließlich, wie man für immer an der Macht bleibt. Für immer und ewig.

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Axl Rose

Axl Rose

Quelle: Mark Allan/picture alliance/AP Photo

Die Kränkung: Bei einem Konzert in Dublin 2010 bewirft das Publikum die Band Guns N'Roses mit Wasserflaschen, nachdem es mehr als eine Stunde lang auf die Musiker gewartet hat. Frontmann Axl Rose wirft zurück, wie auf Videos zu sehen ist, schimpft ein wenig ins Mikrofon und verlässt mit seinen Kollegen die Bühne.

Der Wutausbruch: "Wenn ihr keinen Spaß wollt, müsst ihr es uns nur wissen lassen!"

Die Bewältigungsstrategie: Pünktlichkeitsexperten raten, Handy- und Armbanduhren eine Viertelstunde vorzustellen und sich selbst so auszutricksen. Oder, wenn es sein muss, eben eine Stunde.

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Kevin Kuranyi

Kevin Kuranyi

Quelle: Daniel Karmann/dpa

Die Kränkung: Das Schlimmste für Fußballer ist, nicht mitspielen zu dürfen. Das ist auf dem Bolzplatz genauso wie in der Nationalmannschaft. Das Gefühl, ausgeschlossen zu sein, tut hundert Mal mehr weh als ein Tritt gegen das Schienbein. Und wie jeder Psychologe weiß, braucht die verletzte Seele ein Ventil. Während die einen schimpfen und klagen (Wagner), fahren die anderen heim. Kevin Kuranyi verschwindet 2008 in der Halbzeit des Länderspiels gegen Russland. Bundestrainer Löw hatte dem Stürmer einen Sitz auf der Tribüne zugeteilt, diese Demütigung ist zu viel für ihn. Er verlässt das Stadion und ist die ganze Nacht lang nicht zu erreichen. Freunde holen seine Habseligkeiten aus dem Mannschaftshotel. Am nächsten Tag wirft ihn Löw raus, Kuranyi spielt nie wieder für Deutschland.

Der Wutausbruch: ". . ."

Die Bewältigungsstrategie: Flucht als Ausweg, er wechselt bald darauf zu Dynamo Moskau. Hätte stattdessen vielleicht richtig schimpfen und klagen sollen. Oder besser spielen.

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Brigitte Hobmeier

Bayerischer Filmpreis 2013

Quelle: Tobias Hase/picture alliance/dpa

Die Kränkung: Die Schauspielerin hat 2016 bei den Münchner Kammerspielen nach zwölf Jahren Engagement mit der Begründung gekündigt, sie fühle sich dort "wie auf dem Abstellgleis". Kritiker urteilten damals, das sei "als ließe der FC Bayern Robert Lewandowski auf der Ersatzbank hocken". Seit dem Antritt des damals neuen Intendanten Matthias Lilienthal in der Saison 2015/16 hatte sie an dem Theater kaum mehr was zu spielen bekommen. Sie "hätte gern mitgemacht", sagte sie der SZ damals.

Der Wutausbruch: "Die können mit mir nichts anfangen!"

Die Bewältigungsstrategie: Eine neue Mannschaft. Seit ihrem Abgang war Hobmeier in mehreren Fernsehfilmen zu sehen, gerade stand sie für eine Krimiserie vor der Kamera.

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Sigrid Löffler

Siegrid Löffler

Quelle: Catherina Hess

Die Kränkung: Sommer 2000, die Literaturkritikerin und ehemalige Chefin des Zeit-Feuilletons, Sigrid Löffler, diskutiert mit Hellmuth Karasek und Marcel Reich-Ranicki, die beide schon gestorben sind, im "Literarischen Quartett" des ZDF über Haruki Murakamis Roman "Gefährliche Geliebte". Ist das nun erotische Literatur? Nein, findet Löffler, es handele sich bei der Erzählung des Japaners um "sprachloses, kunstloses Gestammel", "literarisches Fastfood". Was Reich-Ranicki anders sieht. Es sei ein "hoch erotisches, sich steigerndes Buch". Es geht hin und her, her und hin. Sie, Löffler, habe einfach keinen Sinn für Erotik, sagt Reich-Ranicki.

Der Wutausbruch: "Literarisches Fastfood!"

Die Bewältigungsstrategie: Hätte es vor 18 Jahren schon Twitter gegeben, wäre zwei Tage später alles vergessen gewesen - und der Streit in den ganzen Shitstorms einfach untergegangen. So aber geht es an die Existenz. Löffler steigt nach zwölf gemeinsamen Jahren aus dem "Literarischen Quartett" aus. Reich-Ranicki gibt der Bunten ein nicht sehr nettes Interview, und Löffler wirft ihrem ehemaligen Kollegen einen "medialen Amoklauf" vor. Auch der Sendung hat der Streit nicht geholfen: Sie wurde ein Jahr später eingestellt.

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Cherno Jobatey

Verstehen Sie Spaß Paola Felix Jobatey

Quelle: Bernd Weißbrod/picture-alliance/dpa

Die Kränkung: Die Chemie stimmt nicht so ganz zwischen dem Fernsehmoderator Cherno Jobatey und Christine Westermann (Sie: "Bist du schlecht gelaunt heute Abend?, er: "Nein, null, ich bin immer so."); das transportiert sich auch über das sehr wacklige Youtube-Video, das eine im Jahr 1999 aufgezeichnete (und erst 2003 ausgestrahlte) Folge von "Zimmer frei" in die Gegenwart holt. Sie trägt den inoffiziellen Name "Chernobyl". Nachdem Jobatey in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung angegeben hatte, dass er seine Legasthenie überwunden habe, fordern ihn die Gastgeber nach allerlei Anspielungen auf seine Rechtschreibschwäche zum - Achtung, lustig - Scrabble auf. Er solle doch bitte das Wort "Kommunalobligation" legen, ob kalkulierter Eklat oder spontane Rache, Jobatey verlässt das Studio mit dem Hinweis, das Wort mal kurz nachschlagen zu gehen. Ist kurze Zeit später wieder da.

Der Wutausbruch: "Kennst Du mich überhaupt?", Jobatey reicht die Hand, "Cherno Jobatey".

Die Bewältigungsstrategie: Beim nächsten Mal: Sollen doch Westermann und Alsmann mal in seine Sendung kommen und was anderes spielen als Scrabble.

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