Fall Mirco kommt vor Gericht:Gutachter vermuten weitere Opfer

Den Mord an Mirco hat Olaf H. gestanden. Für das Krefelder Landgericht wird es von morgen an vor allem darum gehen, das Motiv für die Bluttat zu klären. Und es steht die Vermutung im Raum, dass der Zehnjährige nicht das erste Opfer des Familienvaters war.

Für die Eltern müssen es furchtbare Monate gewesen sein, bis sich ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigten. Zwischen dem Verschwinden ihres Sohnes Mirco und dem Fund seiner Leiche lagen 145 Tage voller Ungewissheit. Der Zehnjährige war am 3. September 2010 nicht nach Hause gekommen. Sein Verschwinden löste eine der größten Polizeiaktionen der letzten zehn Jahre aus. Doch von Mirco fehlte jede Spur - bis sein mutmaßlicher Mörder die Ermittler am 26. Januar 2011 zur Leiche des Jungen führte.

Vorschau: Mirco-Prozess

Mit diesem Foto wurde monatelang nach Mirco gesucht.

(Foto: dapd)

Morgen beginnt nun vor dem Krefelder Landgericht der Prozess gegen den 45-jährigen Familienvater Olaf H. Selten war das öffentliche Interesse so hoch, die Entrüstung so stark, wie im Fall Mirco - das spiegelt sich auch die anstehende Verhandlung wider: Knapp die Hälfte der 82 Stühle im Saal ist für Berichterstatter reserviert. Pressedezernent Tim Buschfort bestätigt das starke Interesse: "Jetzt rufen sogar Leute an und fragen, ob man noch einen Platz im Gerichtssaal haben kann."

Erdrückende Beweise

Dass Olaf H. der Mörder des Jungen ist, bezweifelt das Gericht nicht. Zu erdrückend sind die Beweise gegen den 45-Jährigen. An seinem früheren Leasing-Wagen wurde Spurenmaterial sichergestellt, das mit der Kleidung des Opfers identisch ist. Der Angeklagte hat die Tat gestanden - unklar ist bis heute jedoch das Motiv für den Mord.

Der Angeklagte selbst hatte als Tatauslöser beruflichen Stress angegeben. Sein Chef habe ihn am Telefon "zusammengefaltet". Doch wie sich herausstellte, kommt dieses fragwürdige Motiv für den Mord an Mirco nicht in Frage, da der Vorgesetzte des mutmaßlichen Täters zum fraglichen Zeitpunkt im Urlaub war. Die Staatsanwaltschaft nennt als Tatmotiv die "Verärgerung" des Angeklagten für eine ausgebliebene Erektion sowie die "Angst vor seiner Entdeckung".

Das Gericht wird außerdem zu prüfen haben, ob sich die schreckliche Tat tatsächlich so ereignet hat, wie vom Angeklagten beschrieben. Demnach soll der blonde Junge am 3. September mit seinem Fahrrad auf dem Nachhauseweg kurz vor seinem Heimatort Grefrath auf Olaf H. getroffen sein. Dieser soll sich Mirco in Weg gestellt und ihn gezwungen haben, in sein Auto zu steigen.

Die Fahrt habe auf einem Acker geendet, wo H. versuchte, den Schüler zu missbrauchen. Anschließend soll er Mirco mit einer Kunststoffschnur erdrosselt und auf dem Acker abgelegt haben. Um sicherzugehen, dass der Junge wirklich tot ist, habe H. ihm ein Messer mit voller Kraft in den Hals gestoßen. Auf dem Weg zu seinem Haus in Schwalmtal soll der Angeklagte Mircos Kleidung entlang einer Landstraße aus dem fahrenden Auto geworfen haben.

Für das Verfahren gegen den 45-Jährigen hat der Vorsitzende Richter Herbert Luczak etwa 40 Zeugen, sowie einen psychiatrischen Gutachter nach Krefeld geladen. Die Zeugen sollen vor allem aus dem Umfeld des mutmaßlichen Mörders stammen. Sie sollen möglichst umfassend dessen Persönlichkeit beleuchten.

Denn obwohl der Angeklagte bei der Polizei als unbeschriebenes Blatt gilt, halten Kriminalpsychologen es für unwahrscheinlich, dass der Verdächtige erst mit Mitte 40 sein erstes Verbrechen begangen hat. Bundesweit prüfen daher 35 Mordkommissionen, ob es sich bei dem Familienvater nicht doch um einen Serienmörder handeln könnte. Allerdings tauchte in der DNA-Datenbank kein passender genetischer Fingerabdruck auf.

Mircos Eltern treten bei dem auf 15 Verhandlungstage angesetzten Prozess als Nebenkläger auf.

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