Fall Maria Bögerl:Ein einziger Albtraum für die Polizei

Familiengrab Bögerl

Das Familiengrab von Maria und Thomas Bögerl ist am 06.04.2017 in Herrieden (Bayern) auf dem Friedhof mit Blumen geschmückt.

(Foto: dpa)

Der Fall Maria Bögerl ist von Beginn an reich an Ermittlungspannen. Sieben Jahre nach der Tat behauptet ein Mann, er habe die Bankiersgattin getötet. Auch ihn müssen die Ermittler laufen lassen.

Von Josef Kelnberger, Stuttgart

Dieser Fall ist ein einziger Albtraum. Man muss bloß das Video vom 19. Mai 2010 sehen, ausgestrahlt in der Sendung "Aktenzeichen XY ungelöst", gut eine Woche nach der Tat. Thomas Bögerl, seine Tochter und sein Sohn flehen unter Tränen die Entführer an, sie sollen die Ehefrau, die Mutter am Leben lassen. Maria Bögerl war zu dem Zeitpunkt, wie man heute weiß, schon tot, erstochen.

Danach wurde Vater Bögerl, ein Bankdirektor aus Heidenheim, zum Opfer von offensichtlich grundlosen Spekulationen, er sei in die Tat verwickelt. Er nahm sich im Juli 2011 das Leben. Auch die beiden Kinder gerieten ins Visier der Ermittler, ohne Ergebnis. Sie werfen der Polizei angesichts ihres Martyriums bis heute schwere Fehler vor: gescheiterte Geldübergabe, mangelhafte Spurensicherung, die Unfähigkeit, auch nur die Leiche ihrer Mutter zu finden. Sie wurde am 3. Juni 2010 von einem Spaziergänger entdeckt, am Waldrand, wenige Kilometer vom Haus der Familie entfernt.

Und so wurde der Mord an Maria Bögerl, 54, auch zu einem Albtraum für die Polizei. Einem Albtraum, der kein Ende findet.

Der Mann gibt zu, er habe die Familie Bögerl gehasst

Fast sieben Jahre nach der Tat müssen die Ermittler nun einen neuerlichen Fehlschlag wegstecken. Am Mittwochabend nahmen sie nach groß angelegter öffentlicher Fahndung einen Tatverdächtigen fest, Hoffnung machte sich breit in der zuständigen Sonderkommission. Doch schon am Donnerstag mussten sie den Mann wieder laufen lassen.

Der Mann ist 47 Jahre alt und stammt aus Königsbronn. Der Ort, bekannt als Heimat des Hitler-Attentäters Georg Elser, liegt zehn Kilometer von Heidenheim entfernt. Seine DNA wurde am Donnerstag mit Täterspuren abgeglichen, die aus dem Auto von Maria Bögerl stammen. Ergebnis: negativ. Ansonsten hatten die Polizei in Ulm und die zuständige Staatsanwaltschaft Ellwangen zunächst nichts gegen ihn in der Hand. Allerdings sollte offenbar noch seine Wohnung durchsucht werden.

Maria Bögerl war in ihrem Haus überfallen und in ihrem Auto verschleppt worden, das Fahrzeug fand die Polizei nicht weit vom Fundort der Leiche entfernt beim Kloster Neresheim. Hunderte von jungen Männern aus der Region hatte die Polizei vor drei Jahren bereits zu zwei Massen-Gentests gebeten, ohne Erfolg. Jetzt also wieder: kein Treffer. Der Mann gibt zu, er habe die Familie Bögerl gehasst, warum auch immer. Aber er leugnet, an der Tat beteiligt gewesen zu sein.

Auf der Tonaufnahme offenbarte er laut Polizei auch "Täterwissen"

Die Polizei war durch Zufall auf seine Spur gekommen. In einer Julinacht 2016 hatte er in Hagen, Westfalen, schwer alkoholisiert auf der Straße zwei Männer auf den Fall angesprochen. Im Laufe der Unterhaltung brüstete er sich mit dem Mord an Maria Bögerl, offenbarte laut Polizei auch "Täterwissen" - also Kenntnisse über Details der Tat, die von der Polizei nicht an die Öffentlichkeit gegeben worden waren. Die beiden Männer halfen der Polizei, ein Phantombild anzufertigen, stellten auch eine Aufzeichnung des Gesprächs zur Verfügung, die sie mit ihrem Smartphone gemacht hatten. Aber es gelang der Polizei nicht, den Mann zu finden. Dabei hatte er seine Heimat eindeutig identifiziert, einen Ortsteil von Königsbronn: "Ich komm vom Ochsenberg."

Mit diesem Satz endet die Sprachaufzeichnung, die gemeinsam mit dem Phantombild am Mittwochabend an die Öffentlichkeit gegeben wurde. Auch Aktenzeichen XY stieg wieder groß in den Fall ein, zum dritten Mal bereits. Binnen kürzester Zeit meldeten sich fast fünfzig Leute, die den Mann identifizierten.

Die Heidenheimer Zeitung berichtet, es handle sich um einen in der Gegend durchaus bekannten, psychisch labilen Mann. Er wohne bei seinen Eltern. Immer wieder sei er in Tarnkleidung im Wald unterwegs gewesen und habe von ihm selbst erfundene Wehrspiele betrieben. Auf der Sprachaufzeichnung aus Hagen ist zu hören, wie er damit prahlt, er sei früher Angehöriger der Bundeswehr gewesen und habe dort einen Speziallehrgang bei einer PSV-Kompanie (Psychologische Verteidigung) absolviert. Er sprach an jenem Abend in Hagen auch von einem Messer: "das beste Überlebensmesser auf der Welt: Aitor Jungle King III". In welchem Zusammenhang dieses Messer mit der Tat stehen könnte, teilte die Polizei nicht mit.

Soko "Flagge" wiederbelebt - wegen einer Spur, die wohl ins Nichts führt

80 Beamte gehörten anfangs der Sonderkommission "Flagge" an, benannt nach der Deutschland-Flagge an der Autobahn A 7, mit der die Täter die Stelle markierten, wo die geforderten 300 000 Euro Lösegeld am Tag der Entführung deponiert werden sollten. Es war der 12. Mai 2010, Vater Bögerl lieferte das Geld offenbar zu spät ab. Ende des Jahres 2015 wurde die Soko zwar formell aufgelöst, doch ein Ermittlerteam der Ulmer Polizei arbeitete weiter an dem Fall. Nun wurde die Soko wiederbelebt - wegen einer Spur, die allem Anschein nach wieder ins Nichts führt.

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