Fall Maddie:Respekt für die Ermittler

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Die Medien wollen Ergebnisse - hier, jetzt, sofort. Der Fall Maddie aber braucht Ruhe und mehr Vertrauen in die Arbeit von Polizei und Justiz.

Javier Cáceres

Medien und Ermittlungsbehörden arbeiten mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, so auch im Fall der vor vier Monaten in Portugal verschwundenen Madeleine McCann. Neu ist, wie sich die Welt der Ermittler und die Welt der Medien ineinander verkeilt haben. Die Interessen der portugiesischen Behörden und einer von Maddies Eltern instrumentalisierten Öffentlichkeit prallen wuchtig aufeinander.

Auch in England von Reportern umringt: die McCanns bei ihrer Ankunft in Rothley (Foto: Foto: AFP)

Die einen wollen genau herausfinden, was an jenem Abend geschah, an dem Maddie letztmals lebend gesehen wurde. Die anderen fordern mit dem knallenden Klang der Peitsche Ergebnisse - hier, jetzt, sofort.

Gewiss, es ist schwer verständlich, dass 130 Tage nach dem Verschwinden des Mädchens aus der Ferienanlage in Praia da Luz bei Lagos kein belastbarer Hergang der Ereignisse rekonstruiert worden ist. Doch es wäre wohlfeil, den portugiesischen Ermittlungsbehörden einen Vorwurf zu machen.

Sie sind an Recht und Gesetz gebunden, und deswegen können sie zu laufenden Ermittlungen nicht Stellung nehmen. Wie ein Mantra haben sie in den vergangenen Monaten vor sich hergetragen, dass in absolut alle Richtungen ermittelt werde. Sie müssen also auch über eine Hypothese nachdenken, die jetzt zu einer dramatisch anmutenden Volte geführt hat - die mögliche Verwicklung der McCanns in das Verschwinden ihrer Tochter.

Man muss der portugiesischen Polizei den Vorwurf machen, dieser Hypothese erst mit monatelanger Verspätung brutal genug auf den Grund gegangen zu sein. Angesichts des weltweiten Mitleids, das Kate und Gerry McCann erheischen konnten, wäre es aus heutiger Sicht nur wünschenswert, dass diese Möglichkeit früher abschließend behandelt worden wäre.

Doch andererseits: Wer hätte auch nur ahnen können, dass die globale Medienkampagne der McCanns so irrationale Ausmaße annehmen würde? Dass sie jede Ikone der Popkultur für sich gewinnen würden, Minister, Bestseller-Autoren, den amerikanischen Generalstaatsanwalt, Klaus Wowereit - und den Papst? Und dass sich dazu in den wenig zimperlich agierenden britischen Medien ein wagnerianischer Chor mit chauvinistischem Unterton erheben würde, der das arrogante Klischee pflegte, wonach die Portugiesen zwar ganz gut Sardinen braten, nicht aber Kriminalfälle lösen können?

Wenn man den Ermittlungsbehörden etwas unterstellen darf, dann jedes Interesse daran, die Schuldigen für das wie auch immer geartete Verbrechen zu finden. Wenn man einer auf Personalisierung fixierten Medienlandschaft, der britischen zumal, etwas unterstellen muss - dann das Interesse, eine die perfekte Harmonie verkörpernde, christliche Vorzeigefamilie der oberen Mittelklasse auszustellen. Da ist es zwingend, jeden unbequemen Gedanken auszublenden. Etwa jenen, dass die McCanns selbst Hand an ihre kleine Tochter gelegt haben könnten.

Portugals Polizei hegt nun genau diesen Gedanken. Er ist schockierend, ja. Doch so sehr Portugal hinter den Pyrenäen liegt - die Polizei hat die McCanns nicht aus schierer Willkür ins Visier genommen. Der Verdächtigen-Status wird auf der Grundlage von Indizien ausgesprochen, die zum Teil mit britischer Hilfe gewonnen und analysiert worden sind.

Nun kommen den McCanns alle Garantien zugute, die ein moderner Rechtsstaat verspricht. Das bedeutet, dass die McCanns ausreisen dürfen. Das bedeutet, dass die Staatsanwaltschaft jetzt die von der Polizei gesammelten Informationen prüfen wird - lieber akribisch als rasch, so sehr auch die Dynamik des Falles nach raschen Entscheidungen schreit. Zunächst haben die McCanns als unschuldig zu gelten.

Diese Atempause sollten die Familie im Zentrum des tragischen Falls und auch die Medien nutzen. Durch Hysterie wurde noch kein Kriminalfall gelöst.

© SZ vom 11.09.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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