Fall des getöteten Trayvon Martin:Rassismus-Tiraden auf Myspace-Profil des Todesschützen

Nach dem Tod des afroamerikanischen Jugendlichen Trayvon Martin im US-Bundesstaat Florida organisieren Aktivisten Online-Proteste gegen Rassismus - und die Familie des Todesschützen George Zimmerman sucht Spenden für seine Verteidigung. Auch die juristische Auseinandersetzung hat im Netz längst begonnen. Die neueste Facette: ein fünf Jahre altes Myspace-Profil des Angeklagten.

Lena Jakat

Der Fall Zimmerman ist ein Novum. Nicht, weil er die Debatte um ethnische Konflikte in der amerikanischen Gesellschaft und strukturellen Rassismus in der Justiz neu und heftig entfacht hat. Auch nicht, weil er einmal mehr Anlass zur Kritik am liberalen US-Waffenrecht gibt. Oder weil er die Kulturgeschichte des Kapuzen-Sweaters verändert hat. Sondern weil Medien und Anwälte die Auseinandersetzung schon vor Beginn des Prozesses aus dem Gerichtssaal herausverlagern: ins Internet. Jüngste Facette ist eine fünf Jahre alte Myspace-Seite des Angeklagten George Zimmerman.

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Der Medienansturm ist enorm: Seit einigen Tagen betreibt Anwalt Mark O'Mara für den Fall Zimmerman eigene Profile auf Twitter und Facebook.

(Foto: AFP)

Zimmerman - Sohn einer Peruanerin, der sich selbst als Hispanic bezeichnet - hatte am 26. Februar den unbewaffneten 17-jährigen Afroamerikaner Trayvon Martin erschossen, wurde jedoch zunächst nicht von der Polizei verhaftet. Dies hatte in den USA eine heftige Rassismus-Debatte und landesweite Proteste ausgelöst. Gut einen Monat später wurde schließlich Anklage gegen den 28 Jahre alten Wachmann erhoben.

Verteidiger Mark O'Mara hatte in der vergangenen Woche seinen Mandanten eigentlich gebeten, dessen digitales Ich verschwinden zu lassen: Dieser löschte daraufhin seine Webseite und diverse Profile in sozialen Netzwerken. Übersehen hat er dabei offenbar das 2005 unter dem Nickname "Joe G." erstellte Profil beim Musik-Netzwerk Myspace, das inzwischen selbst fast in Vergessenheit geraten ist. Der Miami Herald hat die Zimmerman-Seite nun ausgegraben. Anwalt O'Mara hat bestätigt, dass das Profil von seinem Mandanten stammt.

In der Sektion "Über mich" schildert Zimmerman in krudem Slang sein Befinden, nachdem er aus Manassas in Virginia weggezogen ist: Wie er seine Jugendfreunde ("Niemand gibt dir so gut Deckung wie die Jungs, die mit dir aufgewachsen sind und so viel Angst vor deiner Mama haben wie du") und seine kleine Schwester ("Die einzige, die IMMER für mich da war - meine kleine Schwester schlägt zu wie ein motherfucking erwachsener Mann") vermisst.

Für die Staatsanwaltschaft - und möglicherweise auch die Jury - interessant werden könnten jedoch Zimmermans rassistischen Ausführungen über Mexikaner: "Was ich nicht vermiss,e ist, die Straße entlangzufahren und dabei Angst haben zu müssen, einen Mexikaner zu überfahren, der die Straße entlangläuft, Weicheier und Möchtegern-Gangster. Die mit den Autos anderer Leute Scheiß anstellen (was beweist man schon, wenn man eine Delle in ein Auto macht, wenn niemand hinschaut). Da arbeitet man 96 Stunden für ein anständiges Gehalt und jeder Mexikaner, den du triffst, zückt sofort das Messer."

Außerdem prahlt Zimmerman auf der Webseite mit ausgestandenen Gerichtsverfahren - in denen es um Strafsachen und einen Rechtsstreit mit einer Ex-Freundin ging, die er in dem Posting als seine "Ex-Hure" tituliert. Das Profil illustriere Zimmermans "Charaktermuster", kommentierte Opferanwalt Benjamin Crump umgehend im Miami Herald. "Es ist eine Sache, so zu denken, aber so etwas zu schreiben? Da muss man wirklich ein Rassist sein. Man muss schlechte Absichten haben und bösartig sein."

Eine Schlüsselfrage des Prozesses dürfte werden, ob Zimmerman Trayvon Martin aus rassistischen Motiven erschossen hat, aus Notwehr - wie er selbst behauptet - oder vor einem völlig anderen Hintergrund.

Das Myspace-Profil dürfte erstere Version stützen. Es ist ein neues Argument in der Auseinandersetzung, die ihren Anfang im Netz genommen hat: Über die sozialen Netzwerke formierten sich die ersten Proteste, nachdem bekanntgeworden war, dass Zimmerman nach Martins Tod zunächst auf freiem Fuß blieb. Medien zitierten aus zweifelhaften Posts von Martins Freunden und Bekannten. Das E-Mail-Konto des getöteten Teenagers wurde gehackt. Und sowohl der Angeklagte als auch Martins Familie sammelten für das Gerichtsverfahren beachtliche Spendensummen über eigene Webseiten.

Diese Vorteile erkannte in der vergangenen Woche auch Mark O'Mara und stellte ein eigenes Blog, einen Twitter-Account und ein Facebook-Profil zum Fall Zimmerman online. Die Kanzlei aus Florida beauftragte außerdem einen Dienstleister mit der Errichtung und Pflege eines professionellen Spendenfonds.

Zwar hat O'Mara sich und seine völlig neuartige Netzoffensive in einem ausführlichen Beitrag in seinem Blog erklärt - die Kontroverse um die Social-Media-Strategie des Anwalts aber ist längst nicht beigelegt. Während Berater wie Amy Singer das Vorpreschen des Anwalts loben, sehen andere darin einen möglichen Verstoß gegen den Berufsethos: Wie der Miami Herald berichtet, sehen die Regeln des US-Anwaltsverbandes American Bar Association vor, dass sich ein Anwalt so lange öffentlich zu einem Fall äußern darf, wie er eine mögliche Jury nicht beeinflusst. Ob diese Grenze im Fall Zimmerman gewahrt bleibt, erscheint fraglich.

Wenn demnächst der Prozess gegen den 28-Jährigen beginnt, könnten laut Verteidiger O'Mara die Zitate aus dem Netz auch im Gerichtssaal relevant werden. Allerdings müsse dann auch das Online-Leben des Opfers durchleuchtet werden, deutet er in einer Mitteilung an: "Wir glauben, dass wer dazu einlädt, dieses Myspace-Profil öffentlich zu analysieren, auch dazu einladen muss, die Profile aller Beteiligten genau zu untersuchen."

Die Verlesung der Anklage gegen Zimmerman ist für den 8. Mai angesetzt. Wann das analoge Verfahren beginnt, ist dagegen noch offen. Dem digitalen dürften also noch mindestens einige Wochen bleiben.

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