Fall Amanda Knox:Letzte Chance auf Klarheit

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Unter Tränen gab Amanda Knox 2011 bei ihrer Rückkehr in die USA eine Presskonferenz am Flughafen von Seattle. 

(Foto: REUTERS)

Das höchste Gericht Italiens entscheidet, ob der Mordfall Meredith Kercher neu verhandelt werden muss - oder ob Amanda Knox endgültig freizusprechen ist. Gut möglich, dass es so kommt, wie die Mutter des Opfers nach dem ersten Urteil befürchtete: dass der Tod ihrer Tochter nie geklärt wird.

Von Andrea Bachstein, Rom

Bleibt es bei den Freisprüchen für Amanda Knox und Raffaele Sollecito, oder muss der spektakuläre Mordfall von Perugia erneut verhandelt werden? Darüber soll am Montag in letzter Instanz der römische Kassationshof entscheiden. "Ich bin besorgt, vertraue aber auf meine Anwälte und hoffe, die Geschichte ist bald vorbei", das habe ihm Knox per SMS mitgeteilt, sagte ihr Verteidiger Luciano Ghirga. Aus Mangel an Beweisen waren die amerikanische Studentin und ihr italienischer Ex-Freund am 3. Oktober 2011 vom Schwurgericht in Perugia für nicht schuldig erklärt worden - nicht schuldig am grausamen Mord an der britischen Austauschstudentin Meredith Kercher.

Kercher war in der Nacht vom 2. November 2007 an Verletzungen gestorben, die ihr jemand mit einem Messer zugefügt hatte, sie war misshandelt und vermutlich vergewaltigt worden. Voller Blut war ihr Zimmer, das sie im selben Haus, auf derselben Etage bewohnte, wo auch Knox ihr Studentenappartement gemietet hatte. Schnell gerieten Knox und Sollecito in Verdacht, 2009 wurden sie in erster Instanz zu 26 und 25 Jahren Haft verurteilt.

Bei Sexspielen unter Drogeneinfluss hätten sie die junge Britin gemeinsam mit dem dritten Täter Rudi Guede getötet, befand das Gericht. Der Prozess geriet zum globalen Medienspektakel. Für den Informatikstudenten Sollecito und den in einem eigenen Verfahren verurteilten Guede interessierte sich kaum jemand. Aber Amanda Knox, die von den Medien teilweise als hemmungslose Verführerin, teilweise als unschuldiges Provinzmädchen dargestellt wurde, erregte weltweit Interesse und wurde zum "Engel mit den Eisaugen".

Das erste Urteil spaltete die Öffentlichkeit ebenso sehr wie der Freispruch 2011. Mit dem Freispruch wollten sich die Staatsanwälte nicht abfinden, deswegen muss nun die letzte Instanz entscheiden. Vier Jahre saßen Knox und Sollecito im Gefängnis, ehe Gutachter im Berufungsverfahren die auf DNA-Spuren basierenden Beweise für nicht ausreichend erklärten - im ersten Prozess hatten die selben Spuren zu den Haftstrafen geführt.

Verfahrensprüfung vor dem höchsten Gericht

Am Morgen nach dem Urteil in Perugia hatte Amanda Knox mit ihrer Familie Italien verlassen und war nach Seattle gereist. Am 30. April wird sie dem US-Sender ABC erstmals ein Interview geben, am Tag, an dem auch ihr Buch über den Fall erscheint. Raffaele Sollecito studiert inzwischen in Verona und steht kurz vor dem Abschluss. Weder er noch Knox sind am Montag vor dem Kassationsgericht erschienen, das nur zu prüfen hat, ob im Prozess alles korrekt verlaufen ist.

Sollte das Gericht die Freisprüche bestätigen, wird sich die Frage stellen, welche juristischen Folgen das für Rudi Guede haben wird. Der aus Elfenbeinküste stammende junge Mann wäre dann der einzige, der für den Mord an Meredith Kercher eine Strafe verbüßt. Verurteilt wurde er aber als Mittäter von Knox und Sollecito. Die Spuren vom Tatort, das wurde im letzten Prozess in Perugia klar, sind nicht mehr verwertbar. Gut möglich, dass es so kommt, wie die Mutter von Meredith Kercher es damals nach dem Urteil befürchtete - dass der Mord an ihrer Tochter nie geklärt werden wird.

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