Fährunglück in N.Y.:Ermittlungen konzentrieren sich auf Kapitän

An dem Aufprall einer Fähre auf die Kaimauer in Staten Island trägt Kapitän nach Zeitungsberichten zumindest eine Mitschuld, da er bewusstlos gewesen sei. Andrew J. Smith leide an Bluthochdruck und habe vergessen seine Medikamente einzunehmen.

Die Untersuchung des schweren Fährunglücks in New York konzentriert sich US-Medienberichten zufolge immer stärker auf den Kapitän der Andrew J. Barberi. Die gut 90 Meter lange, leuchtend orangefarbene Fähre war am Mittwoch ungebremst auf einen Anlege-Kai der Insel Staten Island aufgeprallt. Freunde von Kapitän Richard Smith berichteten der New York Post anschließend, dass jener am Ende über seinem Steuer zusammengebrachen war.

Andrew J. Smith

Kapitän Andrew J. Smith wollte sich nach der Havarie das Leben nehmen.

(Foto: Foto: AP)

Das schwere Fährunglück in New York hat nach Ermittlungen der Polizei vom Donnerstag doch nur zehn Todesopfer gefordert. Eine Frau, die seit der Katastrophe am Mittwoch vermisst und deshalb als "wahrscheinlich elftes Todesopfer" geführt wurde, hat sich laut einem Bericht des Senders New York 1 gemeldet. Sie war bei einer Freundin untergekommen und wusste nicht, dass Taucher sie im New Yorker Hafenbecken suchten.

Das mit 1500 Menschen besetzte Schiff rammte am Mittwochnachmittag (Ortszeit) bei starkem Wind einen Hafenkai und wurde aufgeschlitzt. An Bord brach Panik aus. 42 Fahrgäste wurden verletzt, einige davon schwer.

Ursache weiter unklar

Die genaue Ursache des Fährunglücks bleibt allerdings weiter unklar. Berichte nach denen der Kapitän der Unglücksfähre kurz vor dem Unfall das Bewusstsein verloren haben soll, wollte die Leiterin der amerikanischen Bundesverkehrsbehörde, Ellen Engleman, bisher nicht bestätigen. "Wir haben noch nicht mit dem Kapitän gesprochen und wollen unsere Untersuchungen auf Daten, Fakten und Interviews mit den betroffenen Personen stützen", sagte Engleman in New York.

Die Fähre, die täglich zehntausende Pendler nach Manhattan bringt, gilt als beliebte Attraktion bei Touristen. New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg warnte vor voreiligen Schlüssen bei der Suche nach der Unglücksursache. Auch technisches Versagen und der Wind könnten verantwortlich sein, hieß es.

Menschliches Versagen vermutet

Die New York Post hatte am Donnerstag berichtet, ein kurzer Ohnmachtsanfall von Kapitän Richard J. Smith sei daran mit schuld, dass er die Andrew J. Barberi gegen den Kai vor Staten Island gesteuert hatte. Als der Kapitän zu sich gekommen sei, habe er aus Versehen volle Kraft voraus gegeben, statt das Tempo zu drosseln.

Er leide an Bluthochdruck und habe an dem Tag vergessen, seine Medikamente zu nehmen, sagte Smith dem Bericht zufolge Ermittlern der New Yorker Polizei. Nach der Havarie versuchte der Kapitän, sich das Leben zu nehmen.

An Bord spielten sich dramatische Szenen ab. "Die zwei Leute hinter mir haben es nicht geschafft. Ich bin um mein Leben gerannt, es gab keine Warnung, kein Signal", sagte Bauarbeiter Sean Johnson der New York Times. "Die Trümmer waren wie eine Flutwelle, die Decke, die Stühle wurden alle mitgerissen."

Nach Angaben von Passagieren hatte die Fähre vor dem Anleger nicht wie gewöhnlich das Tempo gedrosselt, sondern mit voller Geschwindigkeit den Kai gerammt. Dabei wurden in Sekundenschnelle der Bug und die rechte Seite der Fähre aufgerissen. Der Aufprall ließ Glas splittern, zerstörte Stuhlreihen und Treppenaufgänge und verbog Stahlträger.

Panik an Bord

In Panik versuchten sich die Menschen zu retten, einige sprangen ins Wasser oder wurden gestoßen. Auf der Flucht trampelten sich die Passagiere gegenseitig nieder. Andere griffen sich Schwimmwesten, weil sie dachten, das Schiff gehe unter. New York sei erneut von einer "furchtbaren Katastrophe getroffen worden", sagte Bürgermeister Bloomberg. Es gebe aber keine Hinweise auf einen Terroranschlag.

Wie Vertreter der Stadtverwaltung berichteten, übernahm der erste Kapitän sofort nach dem Unfall das Steuer und manövrierte den Havaristen zu einem Passagierkai, wo die unverletzten Fahrgäste sicher aussteigen konnten. Der Unglücks-Kai wird normalerweise für Wartungsarbeiten genutzt. Die Fähre, die bis zu 6000 Passagiere transportieren kann, war zum Zeitpunkt der Havarie nur zu einem Viertel besetzt.

Fünf Fähren transportieren jeden Tag rund 65.000 Pendler zwischen Manhattan und Staten Island. Eine Fahrt mit dem leuchtend orangefarbenen Schiff ist auch eine beliebte Touristen-Attraktion, weil sie atemberaubende Blicke auf die Südspitze der Wolkenkratzer- Insel bietet. Auch die Freiheitsstatue ist von der Staten Island Ferry aus zu sehen. Schwere Unfälle sind selten. Zuletzt war 1978 eine Fähre wegen dichten Nebels in einen Uferdamm im Süden Manhattans gerammt.

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