Exit plant neue Aktionen gegen Neonazis:"Wir haben noch Ideen"

Sogar aus der rechten Szene bekommt die Organisation "Exit" Komplimente. Sie narrte Neonazis - mit einem vermeintlich nationalistischen Motto-Shirt, das sich nach dem Waschen als Werbetextilie für den Ausstieg entpuppt. Jetzt will "Exit" mit weiteren witzigen Aktionen Jugendliche zum Umdenken bewegen. Einer der Initiatoren erklärt, wie das gelingen soll.

Johanna Bruckner

Mancher Besucher eines Rechtsrock-Festivals im thüringischen Gera dürfte sich gewundert haben: Gäste erhielten als kostenloses Konzertsouvenir ein vermeintlich nationalistisches Motto-Shirt - das nach dem Waschen zu einer Werbefläche für die Nazi-Aussteigerorganisation "Exit-Deutschland" wurde. Die "Operation Trojaner T-Hemd" - wie Exit selbst den Coup nennt - hat der unabhängigen Initiative beispiellose Aufmerksamkeit gebracht. Sogar aus der rechten Szene gab es Lob für die Kampagne. Im Gespräch mit sueddeutsche.de erklärt ein Exit-Mitglied, das aus Sicherheitsgründen anonym bleiben will, wie es dazu kam.

Neonazis mit Trojaner-T-Shirts überlistet

Klamotte mit Aha-Effekt: Während sich die Besucher eines Rechtsrock-Konzerts in Thüringen zunächst über das kostenlose T-Shirt mit szenetypischem Motiv freuten, enthüllte das Hemd seine wahre Botschaft nach dem Waschen: "Was Dein T-Shirt kann, kannst Du auch - Wir helfen Dir, Dich vom Rechtsextremismus zu lösen".

(Foto: dpa)

sueddeutsche.de: Wie, bitte, erfindet man ein "Trojaner-T-Hemd"?

Exit-Mitglied: Wir haben neue Methoden gesucht, um der Szene kreativ und witzig zu begegnen. Eine Nazi-Demo zu blockieren, das kennt man. Wir wollten direkt in die Szene reinwirken. Die Öffentlichkeitsarbeit der Neonazis ändert sich ständig, wir müssen reagieren und uns auch mal auf solche Art mit ihnen auseinandersetzen.

sueddeutsche.de: Gab es intern keine Bedenken, dass die Spaßaktion ihr ernsthaftes Projekt gefährdet?

Exit-Mitglied: Wir kriegen bisher nur Beifall. Eine Dame zum Beispiel hat unsere Initiative kritisiert, unsere Arbeit, unsere Positionen - aber die Aktion gelobt. Was soll man denn bemängeln? Dass Nazis verschaukelt werden? Das war ja keine reine Spaßaktion, dahinter steckt eine klare Aussage.

sueddeutsche.de: Hat die Neonazi-Szene Sie bedroht?

Exit-Mitglied: Im Gegenteil, es gab positive Reaktionen auf der inzwischen gelöschten Facebook-Seite von "Rock für Deutschland". Ich bin mir sicher, dass sich mancher gewaltig ärgert - vor allem diejenigen, die mit uns im Rahmen der Aktion Kontakt hatten. Manche versuchen, uns Steuerverschwendung vorzuwerfen, dabei haben wir alles privat mit einem Partner finanziert. Wir sind kein Staatsprojekt, das wird gern falsch dargestellt.

sueddeutsche.de: Jetzt wollen Sie die Aktion sicher wiederholen.

Exit-Mitglied: Das war eine einmalige Sache, das lässt sich so schnell nicht wiederholen - da werden die Neonazis aufpassen. Wir haben noch ein, zwei Ideen, geheime. Nur so viel: Generell suchen wir alternative Methoden und einen neuen Umgang mit dem Thema.

sueddeutsche.de: Tritt man wegen eines T-Hemds aus der Szene aus?

Exit-Mitglied: Natürlich werden jetzt nicht plötzlich alle aussteigen wollen, die es gesehen haben. Aber mancher erinnert sich in ein paar Jahren womöglich an uns, wenn er raus will. Grundsätzlich wollen wir einfach in die Szene vordringen. Wir probieren, mit jungen Leuten dort zu reden, Anstöße zu geben. Natürlich nicht bei einem Kader Mitte 30 aus den freien Kameradschaften, der für die NPD kandidiert - aber Jüngere kann man erreichen, auch mit Humor.

sueddeutsche.de: Die rechte Szene schottet sich doch zusehends ab.

Exit-Mitglied: Bitte nicht falsch verstehen: Wir bewegen uns nicht in der Szene, wir haben da keine U-Boote. Wir starten Projekte, in denen wir mit rechtsextremen oder -radikalen Menschen arbeiten.

sueddeutsche.de: Ist es nicht schwer, solche Jugendliche zu identifizieren - die Gesinnung wird ja nicht mehr unbedingt öffentlich zur Schau getragen?

Exit-Mitglied: Ich möchte nicht so viel darüber verraten, wie wir an unsere Klienten kommen. Wir sind in einigen Landkreisen aktiv, oft werden wir von Behörden direkt angesprochen: Wir haben ein Problem, was tun? Dann können wir in Jugendeinrichtungen gehen und direkt reden. Und die Trojaner-T-Shirts haben jetzt auch einen Kommunikationsweg über das Internet eröffnet.

sueddeutsche.de: Viele Aussteiger fürchten, dass sie für ihr Leben stigmatisiert bleiben. Kann man jemandem diese Angst überhaupt nehmen?

Exit-Mitglied: Das ist sehr individuell. Es kommt auf die jeweilige Szene an, die Position des Aussteigers, die Dauer der Zugehörigkeit, die Vorstrafen - und die Umgebung. In einer Großstadt mit starker Antifa-Szene ist es schwieriger, neu anzufangen, als auf dem Land. Aber ich finde: Jeder hat eine zweite Chance verdient, wenn er es ehrlich meint. Menschen können sich ändern, in jedem Alter. Wir haben auch schon Leuten im sehr hohen Alter geholfen.

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