Evolution:Menschwerdung durch Joggen

Weglaufen vor Raubtieren konnten unsere Vorfahren nicht - dafür waren sie nicht schnell genug. Aber im Dauerlauf konnten sie ihre Beute so lange verfolgen, bis diese schlichtweg außer Atem war.

Von Ingo Arzt

Der sprichwörtliche Säbelzahntiger war einfach zu schnell: Die Vorfahren des modernen Menschen konnten vor ihm nicht weglaufen.

Das Raubtier wird oft bemüht, wenn es darum geht, evolutionäre Wandlungen des frühen Menschen zu erklären. In diesem Fall lautete eine gängige Theorie: Da das Laufen keinen Überlebensvorteil brachte, war es nur eine notwendige Anpassung an neue, nicht bewaldete Lebensräume.

Dem widersprechen nun die Amerikaner Dennis Bramble und Daniel Lieberman (Nature, Bd. 432, S. 345, 2004): Das Laufen brachte der Gattung Homo einen wichtigen Vorteil, der die Entwicklung zur heutigen Körperform des Menschen mitbestimmte. "Das Rennen machte uns zum Menschen - zumindest im anatomischen Sinn", sagt Bramble.

Schlechte Sprinter, gute Langläufer

Menschen sind heute im Vergleich zu anderen Säugetieren zwar schlechte Sprinter, im Langlauf dagegen können sie durchaus mithalten. Gemessen an der Distanz, die Menschen an einem Tag bewältigen können, sind sie so ausdauernd wie Wölfe oder Hyänen. Andere Primaten wie Schimpansen können lange Strecken wesentlich schlechter zurücklegen als der Mensch.

Die Frage aber ist, warum Menschen diese Fähigkeit entwickelt haben. Die urzeitlichen Jogger hatten damit, so die Vermutung der Forscher, einen entscheidenden Vorteil bei der Jagd. Sie konnten Tiere so lange verfolgen, bis diese schlichtweg außer Atem waren und eine leichte Beute darstellten.

Untersuchungen an Fossilien haben den Forschern gezeigt, welche Körpermerkmale die urzeitlichen Sportler entwickelten. Größere Gelenkoberflächen dämpften die höhere Belastung von Knochen und Gelenken. Lange, federartig arbeitende Sehnen sparten Energie.

Auch die zeitliche Abfolge passt zur Theorie: Die Australopithecinen, die vor 4,4 Millionen Jahren auf zwei Beinen gingen, rannten wohl wenig: Ihnen fehlt eine verlängerte Achilles-Sehne. Spätestens der Homo erectus entwickelte dann längere Beine, mit denen er höhere Geschwindigkeiten erzielen konnte.

Um den Oberkörper zu stabilisieren, hatte er auch stärkere Muskeln. Erst dadurch, so die Hypothese der Forscher, konnte er Tiere erlegen und so den Mix aus Fetten und Proteinen zu sich nehmen, der die Entwicklung großer Gehirne ermöglicht hat. Wer hätte das gedacht: Heute joggt man, um Fett loszuwerden, damals, um welches einzufangen.

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