Europas Königshäuser:Botschafter des blauen Blutes

Das Fernsehen liebt den Hochadel - und Rolf Seelmann-Eggebert ist immer dabei: Er ist die graue Eminenz der ARD-Hofberichterstattung und der dienstälteste Adelsjournalist.

Von Senta Krasser

Ja! Sie tun es! Gleich drei Prinzen treten innerhalb von vier Wochen vor den Traualtar. Das hat es noch nie gegeben. Heiraten ist en vogue, auch in Königsfamilien. Und so sicher wie ein stotterfreies Ja der Blaublüter in der Kirche ist eine Live-Übertragung des Fernsehens.

Den Anfang macht an diesem Samstag Prinz Johan Friso der Niederlande, der die bürgerliche Mabel Wisse Smit zur Frau nimmt. Es ist keine A-Hochzeit: Der Bruder von Kronprinz Willem-Alexander ist durch die Heirat einer "Gangsterbraut" (Frau im Spiegel) von der Thronfolge ausgeschlossen. Er verschenke seine Krone an eine "Frau von nicht ganz lupenreinem Ruf", so Neue Revue. Das niederländische Parlament hat der Ehe nicht zugestimmt, weil es Gerüchte gab, Mabel habe persönliche Verbindungen zu einem Mafia-Boss gehabt.

Adel und Fußball

Die royalen Zuspitzungen sind erst recht ein Thema für die großen TV-Sender ARD und ZDF, die immer ausführlicher über Königsereignisse berichten. "Die Adels-Berichterstattung dort ist mit den ausgeweiteten Fußball-Übertragungen zu vergleichen", sagt Rolf Seelmann-Eggebert, 67. "Ich bin das bemooste Haupt"

Der Mann mit den gewellten silbergrauen Haaren, dessen Englisch dank stiff upper lip so distinguiert wirkt wie jenes von Queen Elizabeth, ist die graue Eminenz der ARD-Hofberichterstattung und der Doyen der Adelsjournalisten.

Das Fernsehen hat die Welt aufgeteilt

Er wird auch jetzt vom Kölner WDR-Studio aus die Bilder des niederländischen Fernsehens kommentieren. Brüssel-Korrespondent Markus Schmidt steht als Reporter in Delft; Marijke Amado, die die Braut persönlich kennen soll, gibt ihre Expertise. Bei den Hochzeiten in Dänemark (14. Mai) und Spanien (22. Mai) werden dann der NDR und der SWR die Übertragung statt des WDR verantworten - die ARD hat ja die Welt genau unter sich aufgeteilt.

"Beim ZDF ist das viel einfacher", sagt Seelmann-Eggebert, der sich selbst als "das bemooste Haupt der ARD" bezeichnet und für die "Kontinuität im Ersten" zuständig sieht.1981, als Charles und Lady Diana heirateten, waltete Seelmann-Eggebert erstmals seines Amtes. Er, dem sich bisher als einzigem die Palasttore aller sieben europäischen Königshäuser geöffnet haben, hat den Überblick; ja, er wird in Fachfragen sogar vom gutbürgerlichen Spiegel konsultiert. Obwohl der Botschafter des blauen Blutes seit zwei Jahren im Ruhestand ist, gibt er sein Wissen weiter, inzwischen auch im ARD-Monatsmagazin Royalty; dies produziert Seelmann-Eggebert in Hamburg zusammen mit Sohn Florian.

"Könige bleiben"

God save the reporter! Auch die Queen dankt nicht einfach so ab. "Königshäuser haben Konjunktur", erklärt Seelmann-Eggebert, die Menschen wünschten sich nun mal Kontinuität: "Bundespräsidenten kommen und gehen, Könige bleiben." Es sei der "große Charme der Königshäuser", dass sie sich von Generation zu Generation erneuern und man als Außenstehender mit seiner Identifikationsfigur mitwachse.

"Früher konnte man noch unbeobachtet heiraten", sagt der Royalist, der viele Jahre in Afrika und London als Auslandskorrespondent gearbeitet hat und sogar von 1982 bis 1989 als Programmdirektor des NDR wirkte. "Heute ist es ein europaweites, wenn nicht gar weltweites Ereignis, an dessen Glanz wir uns nähren", freut sich der studierte Soziologe.

Tatsächlich sind für ARD und ZDF alle royalen Angelegenheiten Hoch-Zeiten für Quotenfang. Zuletzt übertrugen sie die Beerdigung der niederländischen Königinmutter Juliana live. Auf beiden Kanälen waren zu identischen Bildern andere Kommentare zu hören und verschieden kolorierte Krönchen-Grafiken zu sehen. Und auch jetzt sind sie bei der Familienfeier vom Polderland von zehn Uhr an dabei - wieder im edlen Wettstreit. Welches Team kommentiert den Blick der bürgerlichen Braut am schönsten?

Eine andere Frage aber ist: Lohnt sich der königliche Aufwand von bis zu 200.000 Euro pro Hochzeit überhaupt? Solch ein Ereignis sei doch "relativ günstig", sagt der verantwortliche WDR-Redakteur Wiel Verlinden. Und er erklärt mit Blick auf die Konkurrenz: "Wir haben die journalistischere Sendung."

Nicht nur Kleider und Klatsch

Auf das "pralle Leben" des Adels freut sich auch Norbert Lehmann, Chef des angesehenen Mittwochsmagazins ZDF.reporter. Zusammen mit Karen Webb von ML Mona Lisa gibt der Politikexperte das neue Königspaar des ZDF-Journalismus ab. "Wir berichten nicht nur über Kleider und Klatsch, sondern auch über Land und Leute", umreißt Claudia Ruete, Chefin von ZDFroyal.

Bei der Hochzeit des norwegischen Kronprinzen Haakon mit Mette Marit erreichte das ZDF 39 Prozent Marktanteil - und ließ sogar, einmalig in der Sendergeschichte, die heute-Sendung nicht um 19 Uhr, sondern um 19.02 Uhr beginnen. Royale Hochzeiten seien ein "Live-Event, über das es genauso wert sei zu berichten wie über Parteitage oder Wahlen", so Ruete. Ihr Sender hält auch aufklärende Soaps wie Der Fürst und das Mädchen parat. Auf Großereignisse wie in Delft muss man sich sehr ernsthaft vorbereiten, und das tut Karen Webb, die am Hofe die Aufgaben von Nina Ruge übernimmt.

Die 33-Jährige sagt, sie habe "schon mal über die Franco-Diktatur nachgelesen" - schließlich freut sie sich bereits jetzt auf die Trauung in Spanien. Letizia Ortiz, die Zukünftige von Kronprinz Felipe, ist dort ein Fernsehstar.

Erst mit den Matadoren von Madrid steigen auch die Privatsender RTL und Sat 1 in die Direktübertragung ein - wenn also "Europas begehrtester Junggeselle" (Neue Revue) das "schönste seriöse Gesicht im spanischen Fernsehen" (FAZ) ehelicht. Dann werden TV-Dimensionen erreicht, wie man sie vor zwei Jahren bei der Hochzeit von Willem-Alexander mit Máxima aus Argentinien erlebte: Damals lieferten sich ARD, ZDF, Sat 1 und RTL ein Fünf-Stunden-Bildergefecht.

Die Zeremonie mit Felipe und Letizia sei nunmal "die Traumhochzeit par excellence", sagt Sat 1-Sprecher Dieter Zurstraßen. "Für viele Zuschauer ist Spanien die Traumdestination." Nach den Terror-Anschlägen in Madrid fühle man sich noch mehr verbunden mit dem Urlaubsland: "Es gibt eine Sehnsucht, aus Spanien wieder schöne Bilder zu sehen."

Tag der Emotionen

In Berlin werden Sybille Weischenberg (seit kurzem die Klatschbase vom Dienst in Klatsch-TV) und Ulrich Meyer (Akte) fachsimpeln. Ohnehin sei es die Frage, so Sprecher Zurstraßen, ob man nicht eher Boulevard- als Royal-Experten brauche: "Die haben ihr Ohr in der aktuellen Szene und sind keine Hofberichterstatter, die nur den Gotha (Adels-kalender, Anm. d. Red.) rauf- und runterbeten."

RTL hat den 22. Mai zum "Tag der Emotionen" erklärt. Hier berichten Katja Burkard (Punkt 12) und Markus Lanz (RTL explosiv) von der "Traumhochzeit in Spanien", müssen aber Sendezeit abgeben an die Automotor-Kollegen Florian König und Niki Lauda, die von der Formel1 in Monaco berichten - Boliden und Böllerschüsse.

Die ARD will es schon an diesem Samstag krachen lassen. Auch der blasse Johan Friso und seine ehrgeizige Miss Mabel, die schon mal eine Nacht auf dem Segelboot eines Mafia-Bosses verbracht hat, taugen für eine gute Geschichte. Der hoferfahrene Seelmann-Eggebert will dabei die ganzen Gerüchte nicht so ernst nehmen, schließlich sei das Verhalten von Königin Beatrix eindeutig pro Mabel: "Sie schwankte nie, ihrem Urteil kann man trauen."

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