Ansturm auf die Bahn:Der Winter bremst alle aus

Ob mit dem Auto oder mit dem Flugzeug: In weiten Teilen Europas geht auf vielen Verkehrswegen fast gar nichts mehr. Viele weichen auf die Bahn aus - doch die kann den Ansturm kaum bewältigen.

Europa versinkt im Schnee: Frust am Bahnhof, im Straßenstau oder am Flughafen statt Weihnachtsurlaub, heißt es für Tausende in Europa. Die Bahn warnte Bahnreisende vor Engpässen am Sonntagnachmittag. Wegen der schwierigen Straßenverhältnisse und der vielen Flugausfälle sei mit sehr vollen Zügen zu rechnen, teilte das Unternehmen mit.

Schneefall an der Ostsee

Deutschland im Winter: Eine Regionalbahn im Schneesturm. Auch für die kommenden Tage sagen die Meteorologen weiterhin winterliches Wetter voraus.

(Foto: ddp)

Für den Nachmittag geplante Reisen sollten wenn möglich auf "weniger nachgefragte Zeiten" verschoben werden, riet die Bahn. Das seien vor allem die "Tagesrandlagen" abends oder morgens, sagte ein Bahnsprecher. Reisende müssten auch weiter mit verspäteten und ausfallenden Zügen rechnen.

Einen derartigen Hinweis habe die Bahn auch schon während der Aschewolke im Mai veröffentlicht, sagte der Bahnsprecher. Damals sei die Mehrbelastung durch die Ausfälle beim Flugverkehr ebenfalls besonders stark gewesen.

Vor allem auf den Strecken zwischen Hamburg und München, Berlin und dem Ruhrgebiet sowie von Köln nach München müsse mit sehr stark ausgelasteten Zügen gerechnet werden, notiert das Unternehmen zudem in dem Hinweis auf seiner Homepage. Tickets bis Weihnachten könnten kostenfrei erstattet werden.

Massenhafte Annullierung von Flügen in Frankfurt

Eine Ursache für die überfüllten Züge der Bahn ist das Chaos im Flugverkehr. Allein am Drehkreuz Frankfurt am Main wurden bereits am frühen Sonntagmorgen 450 von gut 1300 Flügen gestrichen, berichtete eine Flughafen-Sprecherin.

In den Hallen warteten Hunderte Passagiere weiter auf ihren Abflug, eine genaue Zahl konnte die Sprecherin nicht nennen. "Die Flugpläne sind völlig durcheinander", sagte sie. "Von Entspannung kann man nicht reden, da wir weitere Schneefälle erwarten." Das Problem waren nicht nur die eingeschneiten Bahnen in Frankfurt selbst - viele Flüge fielen auch aus, weil die Zielflughäfen geschlossen oder überlastet waren.

Am Vortag war es auf Grund der chaotischen Zustände in Frankfurt zu Unruhen gekommen. In der endlos langen Schlange vor der Gepäckabfertigung lagen die Nerven blank. Als frisch angekommene Fluggäste versuchten, eine neue Schlange für aktuelle Flüge zu bilden, sahen einige seit Stunden festsitzende Menschen laut Augenzeugen rot. Nach tumultartigen Szenen ging die Polizei dazwischen.

Flugumleitungen nach München

Am Münchner Flughafen gab es erneut zahlreiche wetterbedingte Annullierungen. Insgesamt würden voraussichtlich 80 Flüge bis zum Sonntagabend gestrichen, sagte ein Sprecher des Airports.

Grund seien in erster Linie die Behinderungen an anderen Flughäfen wie in Frankfurt, London, Paris oder auch in Norditalien. Rund 200 Reisende hätten die Nacht zum Sonntag wieder auf Feldbetten am Münchner Airport verbracht, da sie von dort aus nicht weiterkamen.

Die Wetterlage habe sich in der Landeshauptstadt im Vergleich zum Ende der zurückliegenden Woche aber deutlich beruhigt, versicherte der Flughafensprecher.

Zwar habe es am Sonntagvormittag kurz geschneit. "Das hat den Flugverkehr aber nicht beeinträchtigt", berichtete er. Einzelne Langstreckenflüge, die eigentlich nach London hätten gehen sollen, seien nach München umgeleitet worden, da der Flughafen Heathrow gesperrt war. Am Samstag hatte die Lufthansa massiv Flüge gestrichen und einen Sonderflugplan erstellt.

Der Flughafen München bekam damit die Komplikationen am größten britischen Flughafen in London-Heathrow zu spüren, der besonders schwer vom Winterwetter getroffen wurde. Weil für den Sonntag weitere Schneefälle vorausgesagt waren, bleibt Heathrow weitgehend lahmgelegt. Es wurden alle Landungen sowie die allermeisten Starts gestrichen.

Frost in Deutschland

Deutschland im Winter: Eine dicke Schicht aus Schnee und Eis ziert bei frostigen Temperaturen das Heck eines Zuges der Deutschen Bahn im Hamburger Dammtorbahnhof. Auch für die kommenden Tage sagen die Meteorologen weiterhin winterliches Wetter voraus.

(Foto: dpa)

Nach zwei Tagen Stillstand kündigte der größte europäische Flughafen am Sonntagabend aber an, am Montag wieder zu öffnen. Es sei allerdings auch am Montag und an den Folgetagen mit "weiteren Streichungen und Verspätungen" zu rechnen, teilte der Flughafen am Sonntag mit.

Flugzeuge und Crews, die umgeleitet wurden, müssten erst wieder auf ihre normalen Positionen zurückgeholt werden. "Es tut uns extrem leid um die Behinderungen für unsere Passagiere", hieß es in einer Mitteilung.

Fluggäste, die auf Flüge von oder nach Heathrow am Montag gebucht sind, sollten sich mit ihren jeweiligen Fluggesellschaften in Verbindung setzen.Tausende Reisende mussten in London-Heathrow campieren.

Sie schliefen in den Terminals teils unter Isolierfolien. Auch am zweitgrößten Londoner Flughafen Gatwick gab es am Sonntag erhebliche Behinderungen.

Am Samstag waren in London binnen weniger Stunden bis zu 15 Zentimeter Schnee gefallen, wodurch Heathrow und Gatwick zunächst einmal völlig lahmgelegt wurden. Allein in Gatwick waren waren 47 Schneepflüge und Traktoren im Einsatz, erst am Samstagabend konnte der Flughafen wieder geöffnet werden.

Unfreiwillige Übernachtungen

Das Schneechaos zwang auch rund 4000 Passagiere in Brüssel zu einer unfreiwilligen Übernachtung. Viele konnten in Hotels in Flughafennähe unterkommen. Doch 1500 Fernreisende nach Großbritannien, die wegen der Schließung der Londoner Flughäfen nach Brüssel umgeleitet wurden, mussten die Nacht im Transitbereich verbringen.

Der Flughafen Düsseldorf verzeichnete mit 13 Zentimetern einen Neuschneerekord für die Nacht auf Sonntag, dennoch blieb der Flughafen von Einschränkungen weitgehend verschont. "Trotzdem läuft der Flugbetrieb in Düsseldorf normal", sagte ein Flughafensprecher. Für Sonntag seien zwar 21 Flüge gestrichen worden, das liege aber an den jeweiligen Start- oder Zielflughäfen. So hätten die Airlines unter anderem zehn Flüge von oder nach London und acht Flüge aus oder in Richtung Frankfurt abgesagt.

Am Amsterdamer Airport Schiphol wurden 1700 Feldbetten aufgestellt - doch für die rund 3000 Gestrandeten reichte das nicht. "Andere Fluggäste schliefen auf Stühlen und Bänken", sagte ein Sprecher des Amsterdamer Flughafens der Nachrichtenagentur ANP. Ein Entscheidung in Schiphol betraf in einigen Fällen auch Passagiere in Afrika: Die Fluggesellschaft KLM nahm am Samstagabend Dutzende nach Amsterdam gebuchte Passagiere aus der kenianischen Hauptstadt Nairobi nicht mit, wenn diese in Europa weiterfliegen wollten.

Verspätungen und Staus auf den Straßen

Auf dem Pariser Flughafen Charles de Gaulle fielen am Samstag 15 Prozent der Flüge aus. Der Budapester Flughafen Ferihegy war am Samstag für drei Stunden komplett geschlossen worden.

Die Gefahr als Fluggast zu stranden, war also sehr groß, doch auch mit Zug und Auto hatten viele europäische Reisende schlechte Karten - Schnee und Eis sorgten für Verspätungen und Staus.

Schlimmer noch: Es kündigen sich weitere Unannehmlichkeiten an. Hielten sich Schnee und Eis weiter so hartnäckig, könnten keine geräumten Straßen mehr garantiert werden, warnte der Städte- und Gemeindebund (DStGB).

"Wir versuchen alles zu tun, aber wenn man kein Geld hat, wird man teilweise den Winterdienst einschränken", warnte DStGB-Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. Schon jetzt werde auf einigen Nebenstraßen nicht mehr gestreut. "Die Bürger werden sich wahrscheinlich daran gewöhnen müssen, wie in skandinavischen Ländern, dass man auch auf einer festgefahrenen Schneedecke fahren kann", sagte Landsberg. Eine andere Alternative sehe er zurzeit nicht.

Viele Unfälle

Der Streusalz-Hersteller K+S schließt Lieferengpässe wie im vergangenen Winter nicht mehr aus. "Wir produzieren an allen Standorten rund um die Uhr", sagte Konzernchef Norbert Steiner der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Chaos am Flughafen Frankfurt

Chaos am Flughafen Frankfurt: Passagiere schlafen auf Feldbetten, Hunderte Flüge fielen aus.

(Foto: dpa)

Nach hunderten Unfällen und gewaltigen Staus am Freitag war zumindest der Verkehr in Deutschland am Samstag wieder einigermaßen gerollt.

Doch neuer Ärger am Sonntag ist absehbar: Vor allem im Südwesten soll es Schneeregen geben. Und nach kurzer Verschnaufpause rüstet sich auch Nordrhein-Westfalen bereits für das nächste Schneechaos.

Zwar sei das Wochenende weitgehend ruhiggeblieben, hieß es am Sonntag bei der Landesleitstelle der Polizei. "Richtung Wochenbeginn haben wir aber wieder etwas vor der Brust", sagte ein Mitarbeiter. Die Wetterdienste warnten noch für Sonntag vor bis zu 15 Zentimeter Neuschnee - vor allem im südlichen NRW.

Am Sonntagvormittag sah es auf den Straßen in Nordrhein-Westfalen allerdings völlig entspannt aus. Die Landesleitstelle meldete keinen einzigen Stau, obwohl viele Straßen schneebedeckt seien. Um keine Stürze zu riskieren, stiegen Motorradpolizisten in Düsseldorf daher vorsorglich auf Streifenwagen um.

In der Nacht von Samstag auf Sonntag war die Lage mancherorts noch deutlich kritischer gewesen. Auf der Autobahn 44 bei Velbert geriet ein Fahrer mit seinem Wagen an einem Tunnel-Ende ins Schleudern. Er verursachte einen Unfall mit vier Leicht- und sechs Schwerverletzten. Die A52 wurde wegen mehrerer Unfälle am Samstagabend zeitweise komplett gesperrt.

Bereits am Samstag war es immer wieder zu Unfällen gekommen. In Rheinland-Pfalz fuhr ein 19 Jahre alter Autofahrer auf mit Schneematsch bedeckter Fahrbahn in eine Familie mit zwei Kleinkindern. Die Eltern, ihre Kinder und auch der Fahrer erlitten schwere Verletzungen.

Diskussion über Schneekettenpflicht

In Bayern wurden bei einem Frontalzusammenstoß sechs Menschen verletzt. In Mecklenburg-Vorpommern suchte sich ein Unternehmen den falschen Tag aus, um einen Mähdrescher zu überführen: Das Fahrzeug blieb stecken und blockierte den Verkehr. Die vielen Unfälle mit Lastwagen, die am Freitag Autobahnen für Stunden blockierten, lösten eine neue Diskussion über Winterreifen- oder sogar Schneekettenpflicht für Lkw aus.

Der Auto Club Europa (ACE) stellte sich allerdings gegen Forderungen von Verkehrsexperten der SPD und Grünen nach Schneekettenpflicht für Laster. "Dann machen die Ketten den Asphalt kaputt, und der Asphalt macht die Ketten kaputt", warnte ein ACE-Sprecher.

Zu einem tragischen Unfall auf den Gleisen kam es in Berlin: Beim Enteisen einer Weiche wurde ein Mitarbeiter der Deutschen Bahn von einer S-Bahn erfasst und getötet. Ein Kollege kam mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus. Durch die Wucht des Aufpralls waren sie ins Gleisbett geschleudert worden.

Schöne Seite des Winters in den Urlaubsorten

Hunderte in Lübeck wartende Fahrgästen zeigten sich massiv verärgert. Bahnmitarbeiter drückten den frustrierten Zuggästen am Schalter Entschädigungsformulare in die Hand. Bei mehr als einstündiger Verspätung erstattet die Bahn ein Viertel, bei mehr als zweistündiger Verspätung die Hälfte des Fahrpreises.

Wer es am Wochenende in die Urlaubsorte schaffte, konnte hingegen die schönen Seiten des Winters genießen: Auf dem Brocken im Harz wurden 143 Zentimeter Schnee gemessen, auf dem Fichtelberg im Erzgebirge 133 Zentimeter und auf dem Großen Arber im Bayerischen Wald 122 Zentimeter.

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