EU-Verhandlungen:Pommes-Pause in Brüssel

Germany's Chancellor Merkel eats french fries at the Maison Antoine, during a pause of the European Union leaders summit in Brussels

Der Himmel wurde dunkel, irgendwo knurrte ein Magen: die Frittenbude Maison Antoine am Freitagabend

(Foto: Eric Vidal/Reuters)

Wer verhandelt, sollte gut essen. In Belgien heißt das: mit Mayo. Das gilt auch für die Kanzlerin.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Bei Antoine kann es gut sein, dass man eine halbe Stunde anstehen muss. Die Friterie am Place Jourdan in Brüssel macht Pommes, die so gut sind, dass sich lange Schlangen bilden, mittags und nach Feierabend. Das Warten kann man sich zum Glück mit dem Studium der Karte vertreiben. 27 Saucen stehen zur Auswahl. Es gibt Sauce Tartare, Sauce Andalouse und Sauce Samourai. Wer es richtig scharf mag, kann Sauce Pili Pili ordern.

Am Freitagabend bekam die wohl berühmteste Frittenbude Belgiens Besuch von Angela Merkel. Die Kanzlerin bestellte eine Portion und posierte mit dem Mann hinter der Theke für ein Foto. Es ist nicht offiziell bekannt, welche Sauce Merkel gegessen hat. Die meisten Kunden wählen jene Beigabe, die ganz oben auf der Karte steht: Mayonnaise. Ein belgisches Kulturgut.

Seit 60 Jahren ist in dem Land klar geregelt, was echte Mayo ausmacht. Sie muss zu 80 Prozent aus Fett und zu 7,5 Prozent aus Eigelb bestehen. So wurde es im Jahr 1955 beschlossen - per königlichem Dekret. Doch im vergangenen Herbst gab es Ärger: Belgische Saucen-Hersteller rüttelten an diesem Erlass. Sie klagten, dass ihnen dieses Gesetz das Geschäft kaputt mache. Sie fühlten sich diskriminiert, weil ausländische Unternehmen Mayonnaise verkaufen dürfen, die weniger kalorienhaltig ist. Denn tatsächlich gilt für diese die Formel 70 Prozent Fett und fünf Prozent Eigelb.

Im belgischen Königreich sind Saucen ein Politikum. Es gibt nicht allzu viel, was Belgien zusammenhält. So zerrissen dieses Land ist, so sehr Flamen und Wallonen streiten, bei drei Dingen sind sie sich einig: Bier, Fritten und Schokolade. Das können die Belgier, wie sie glauben, auf dieser Welt am besten, und darauf sind sie stolz. Und damit die weltberühmten belgischen Pommes noch besser schmecken, wird echte Mayonnaise gebraucht.

Aber nicht nur dafür. Egal ob zum Sandwich, zum Chateaubriand oder zur gegrillten Dorade: Die Sauce ist Teil der belgischen Esskultur. Selbst Brüsseler Sterneköche bilden sich etwas auf ihre selbstgeschlagene Mayo ein. Wenn man so will, geht es also um nichts anderes als um die Frage des guten Geschmacks.

So sieht man das jedenfalls bei Maison Antoine, der Frittenbude am Place Jourdan. Gegründet 1948 in Brüssel-Etterbeek, sieben Jahre vor dem Mayo-Dekret, frittiert dort jetzt die dritte Generation. Und wie auch immer der königlich belgische Saucen-Streit ausgehen wird, eines ist ganz sicher: Antoine bleibt bei seinem Rezept - und wird auch künftig prominente Besucher anziehen.

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