Erziehung:Amtlich genehmigte Watschn

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Ohrfeigen als Erziehungsmaßnahme? In der Schweiz nicht verboten. (Foto: Illustration:Jessy Asmus)
  • Eine Zürcher Nationalrätin wollte in der Schweiz körperliche Züchtigung per Gesetz verbieten lassen.
  • Nun hat die Regierung entschieden: Ohrfeigen bleiben erlaubt.
  • Die Schweiz ist damit eines der wenigen Länder in Westeuropa, wo es nicht verboten ist, Kinder zu ohrfeigen.

Von Yannick Nock

Jedes zweite Kind im Alter von einem bis vier Jahren wird in der Schweiz körperlich bestraft. Zu diesem Ergebnis kam das Schweizer Netzwerk Kinderrechte vor einem Jahr. Damit stehen die Eidgenossen international im Abseits. In Deutschland wie in den meisten europäischen Ländern ist es verboten, Kinder zu ohrfeigen.

Doch europäische Standards sind nicht unbedingt Sache der Schweiz. Das musste nun auch die Zürcher SP-Nationalrätin Chantal Galladé erfahren. Im Juni forderte sie die Regierung per Motion auf, Kinder besser zu schützen. Körperliche Züchtigung tauge nicht als Erziehungsmittel, hält sie in ihrer Forderung fest. Damit werde Gewalt gelehrt und eine gesunde Entwicklung des Kindes gefährdet. Die Zahl der Misshandlungen habe zuletzt zugenommen.

Gestern antwortete der Bundesrat auf das Anliegen der Nationalrätin. Die Marschrichtung ist klar: Ohrfeigen bleiben erlaubt. Zwar gibt die Regierung Galladé in den meisten Punkten recht, hält ein Verbot aber nicht für notwendig. Das heutige Zivilgesetzbuch entspreche bereits der Auffassung, dass ein Züchtigungsrecht der Eltern mit dem Kindeswohl nicht vereinbar ist, schreibt der Bundesrat in seiner Antwort.

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Doch die Auslegung des Zivilgesetzbuches ist umstritten. Eine Ohrfeige gilt gemäß Schweizer Bundesgericht nicht als physische Gewalt, wenn sie ein "gewisses von der Gesellschaft akzeptiertes Maß nicht überschreitet" und "nicht allzu häufig wiederholt wird". Erst im Februar kritisierte der Kinderrechtsauschuss der Vereinten Nationen, dass in der Schweiz nicht jegliche Körperstrafe verboten wird.

Schweden machte den Anfang

Das Parlament muss sich nun der Debatte annehmen. Viele Parlamentarier stellen sich aber bereits hinter den Entscheid des Bundesrats. Nationalrat Andrea Caroni sagte im Tagesanzeiger: "Nur wegen einer Ohrfeige muss nicht gleich der ganze Strafverfolgungsapparat losgeschickt werden." Bei wiederholten Schlägen handle es sich dagegen um eine Straftat, die von jeder Person gemeldet werden könne.

Bereits 2008 lehnte das Schweizer Parlament ein Verbot von körperlicher Gewalt in der Erziehung ab. Andere Länder sind da deutlich weiter. Die Vorreiterrolle übernahm Schweden. Die Skandinavier führten bereits 1976 ein Ohrfeigen-Verbot ein. 32 andere Länder folgten dem Beispiel - neben 20 europäischen Ländern auch Togo, Venezuela und der Südsudan. Nach Angaben der schweizerischen Humanrights stellen sich in Westeuropa neben der Schweiz nur Belgien und Italien gegen ein generelles Verbot.

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