Erste Hilfe:Wie verhalte ich mich als Erster am Unfallort?

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Immer wieder fahren Menschen bei Unfällen auf der Autobahn vorbei, statt zu helfen. Warum ist das so? Diese Tipps für das richtige Verhalten können helfen, Verunsicherung zu mindern.

Von Manuel Stark

Als am Wochenende auf der dreispurigen Ost-West-Autobahn 2 bei Magdeburg mehrere Autos kollidieren und die Trasse blockieren, hält niemand an. Mehrere Fahrer weichen der Unfallstelle über den Standstreifen aus. Die sechs Verletzten lassen sie unbeachtet liegen. Ein solches Verhalten ist kein Einzelfall, dabei ist unterlassene Hilfeleistung strafbar. Eine Studie des Dienstleistungsunternehmens DEKRA ergab kürzlich, dass etwa 45 Prozent aller unterlassenen Hilfeleistungen bei Verkehrsunfällen auf Verunsicherung zurückzuführen sind. Wann ist man gezwungen zu helfen? Wie weit muss die Hilfe gehen? Und welche Gefahren gilt es für einen Ersthelfer zu beachten? Die wichtigsten Fragen im Überblick.

Bin ich als Autofahrer rechtlich dazu verpflichtet, anzuhalten, wenn ich einen Unfall auf der Autobahn bemerke?

Ja, nach §323c des Strafgesetzbuches ist jeder zur Ersten Hilfe verpflichtet, solange diese erforderlich und zumutbar ist, sagt Verkehrsjuristin Yasmin Domé vom Auto Club Europa (ACE). "Zumutbar ist in diesem Fall ganz klar definiert. Unzumutbar ist es nur dann, wenn eine Eigengefahr für Leib und Leben des Helfers besteht oder die Ausübung der Pflicht als Hindernis im Raum steht", ergänzt Christoph Müller, Sachgebietsleiter Erste Hilfe des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). In Ausübung der Pflicht ist beispielsweise der Fahrer eines Feuerwehrautos auf dem Weg zum Einsatz. In jedem Fall aber gilt: "Das Absetzen eines Notrufs geht im Normalfall immer." Wer keine Erste Hilfe leistet, dem droht eine Geldstrafe oder sogar eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr. Wenn bereits andere Helfer am Unfallort zu sehen sind, besteht kein Zwang mehr, ebenfalls anzuhalten. "Ich empfehle jedoch nachdrücklich, die eigene Hilfe immer zumindest anzubieten. Es kann gut sein, dass sie gebraucht wird", sagt Müller.

Wie verhalte ich mich richtig, wenn ich an einen Unfallort auf der Autobahn komme?

"Besonders wichtig ist das Sichern des Unfallortes", sagt Müller. Wer einen Unfall bemerkt, soll in einem Sicherheitsabstand von etwa 150 Metern auf dem Standstreifen parken, die Warnblinkanlage einschalten und eine Warnweste anziehen. Anschließend gilt es, den Unfallort mit einem Warndreieck abzusichern. Erst dann soll der Unfallort in Augenschein genommen und wenn nötig, ein Notruf abgesetzt werden. "Gerade bei einem Verkehrsunfall ist die Absicherung sehr wichtig. Der nachfolgende Verkehr muss gewarnt werden, da sonst die Gefahr eines möglicherweise fatalen Folgeunfalls besteht." Ein kleines Restrisiko bleibt. Sollten die verletzten Personen nicht mehr in der Lage sein, sich selbst aus dem Gefahrenbereich zu bringen, ist es wichtig, sie an den Fahrbahnrand zu retten. Je nach Schwere der Verletzungen ist es nun wichtig, mit lebensrettenden Sofortmaßnahmen, wie das Stillen von Blutungen oder einer Herz-Lungen-Wiederbelebung, zu beginnen. Anderenfalls bleibt nur das Warten auf den Rettungsdienst.

Wie realistisch sind die häufig in Actionfilmen gezeigten Szenarien explodierender Autos oder sonstiger Horrorvorstellungen?

"Ein Auto brennt nur in den seltensten Fällen", sagt Christoph Müller. Solange kein Benzin ausläuft, könne man sich der Unfallstelle gefahrlos nähern. "Im Normalfall sieht und riecht man deutlich, wenn Treibstoff ausläuft." In jedem Fall sollte der Zündschlüssel abgezogen werden. "Die Eigen und Fremdsicherung steht immer an erster Stelle", betont Ralf Sick, Bereichsleiter für Erste Hilfe von der Johanniter-Unfall-Hilfe. Die größte Gefahr geht bei einem Unfall immer vom Folgeverkehr aus. Daher sollte man sich nur so lange wie unbedingt nötig an der Unfallstelle aufhalten.

Kann ich mich durch versehentlich falsches Handeln strafbar machen?

Die Bereitschaft zu helfen zählt. "Man kann sich nicht durch versehentlich falsches Handeln strafbar machen. Wenn beispielsweise bei einer Herz-Lungen-Wiederbelebung eine Rippe bricht, dann ist das eben so. Hauptsache der Betroffene überlebt. Das ist das Wichtigste", sagt Christoph Müller. Die Grundausbildung in Erster Hilfe wird ab dem ersten April nur noch neun, anstatt der bisherigen 16 Unterrichtstunden dauern, damit die Teilnehmer sich besser auf die überlebensnotwendigen Punkte konzentrieren können.

Was, wenn die Situation die möglichen Helfer überfordert?

Gaffen statt zu helfen kann teuer werden. Das Bußgeld reicht bis zu 5000 Euro. Auch das Herbeiholen anderer Leute, die helfen können, zählt als Hilfe. "Wenn man selbst mit der Situation überfordert ist, sollte man andere Leute an die Unfallstelle führen oder sich Hilfe holen", sagt Müller. Wenn mehrere Leute zusammenarbeiten, kann schneller und effektiver geholfen werden. Zudem verschafft Arbeitsteilung ein Gefühl von Sicherheit.

Wie kann ich mit der Situation umgehen und die eigenen Nerven beruhigen?

Andere Leute hinzuzuziehen hat nicht nur praktischen Nutzen, sondern zudem positive Auswirkungen auf die eigene Psyche. Es beruhige die eigenen Nerven und senke die geballte Last der Verantwortung ein wenig, so Müller. Außerdem empfiehlt er, erst einmal "gut durchatmen, Schutzhandschuhe anziehen und sich nur auf einen Verletzten konzentrieren". Der Wunsch, sich zur selben Zeit um mehrere Leute kümmern zu wollen, hilft niemandem. Im Gegenteil, er ist unerfüllbar und fördert das Gefühl der Überforderung.

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