Ermittlungspanne:Pakistans Justiz blamiert sich mit Anklage gegen Baby

Neun Monate ist Mohammed Musa erst alt. Doch der Junge hat bereits die Härten - und die Fehlbarkeit - des pakistanischen Justizsystems zu spüren bekommen: Er wurde wegen versuchten Mordes angeklagt.

Die Geschichte klingt zu absurd, um wahr zu sein: Ein neun Monate Baby wird wie ein erwachsener Verdächtiger erkennungsdienstlich behandelt, muss vor Gericht erscheinen - der Vorwurf: versuchter Mord. Mit genau diesem Vorgehen hat sich jetzt die pakistanische Justiz blamiert.

Doch der Reihe nach: Im Februar dieses Jahres werden in Lahore, der zweitgrößten Stadt des Landes an der Grenze zu Indien, mehrere Mitarbeiter eines Gasunternehmens von aufgebrachten Bürger mit Steinen beworfen. Über die Hintergründe gibt es unterschiedliche Berichte: Einmal heißt es, die Mitarbeiter seien in dem Slum gewesen, um mutmaßliche Energiediebstähle zu untersuchen. Ein anderes Mal ist von unbezahlten Rechnungen und gekapptem Strom die Rede.

Der Polizist, der zum Ort des Geschehens gerufen wird, notiert in seinem Bericht später, es habe sich um versuchten Mord gehandelt. Etwa 30 Männer werden festgenommen, darunter der Vater des kleinen Mohammed Musa. Dann kommt es zu der folgenschweren Justizpanne: Denn nicht nur der Vater wird von den Behörden angeklagt, sondern auch der Sohn, wie der Anwalt der Familie berichtet.

Fotobeweis geht um die Welt

Der neun Monate alte Mohammed muss vor Gericht erscheinen, wo ein Gerichtsdiener seine Fingerabdrücke nimmt. Dabei entstehen Fotos, auf denen der Kleine während der Prozedur herzzerreißend schreit. Zwar suspendiert der Vorsitzende Richter den für den Fall zuständigen Polizisten nach der ersten Anhörung. Doch er lässt die Vorwürfe gegen das Kleinkind zunächst nicht fallen - Mohammed kommt lediglich auf Kaution frei.

Ermittlungspanne: Ein Foto geht um die Welt: Dem neun Monate alten Mohammed Musa aus Pakistan werden die Fingerabdrücke abgenommen.

Ein Foto geht um die Welt: Dem neun Monate alten Mohammed Musa aus Pakistan werden die Fingerabdrücke abgenommen.

(Foto: AFP)

Mittlerweile ist die Angelegenheit zwar erledigt. Nicht zuletzt deshalb, weil das pakistanische Gesetz die Strafverfolgung von Kindern unter zwölf Jahren verbietet. Doch Pakistans Justizbehörden stehen in keinem guten Licht da: "Es war vielleicht keine böse Absicht, aber es ist ein Fall von schwerer Nachlässigkeit", sagte der Anwalt der Familie.

Das zuständige Gericht will nun untersuchen lassen, wie die Polizei auf die Idee kam, den kleinen Mohammed des versuchten Mordes zu beschuldigen.

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