Ermittlungen im Fall Pastor:Mord mit Aussicht

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Die Familie Pastor hat mit ihren Bauten entlang der Küstenstraßen das Gesicht von Monaco geprägt. Ihr Vermögen wird auf 20 Milliarden Euro geschätzt.

(Foto: Valery Hache/AFP)

Habgier als Motiv? Der tödliche Anschlag auf die schwerreiche "Vizefürstin" Hélène Pastor wurde vermutlich bezahlt - und zwar vom eigenen Schwiegersohn.

Von Christian Wernicke, Paris

Der Mord hatte hochfliegende Phantasien genährt über Milliardäre und ihre Beziehungen zur Mafia. Er hatte den Mythos zerstört, der Kleinstaat Monaco sei das sichere Heim für die Reichen und Schönen dieser Welt. Die Wahrheit wirkt nun vergleichsweise profan: Schnöde Habgier war offenbar der Grund, warum Hélène Pastor und ihr Butler sterben mussten.

Sechs Wochen nach dem Mordanschlag auf die monegassische Milliardärin in Nizza nahm die Polizei die beiden mutmaßlichen Täter fest: Die einschlägig vorbestraften Männer, 24 und 31 Jahre alt, sollen "eine große Summe Geld" erhalten haben, um die alte Dame zu beseitigen.

Und Staatsanwalt Brice Robin, der in Marseille am Dienstag stolz die Zwischenergebnisse seiner Ermittlungen präsentierte, hegt den Verdacht, dass der Auftraggeber dem Opfer sehr nahe stand: Wojciech Janowski, Schwiegersohn von Hélène Pastor, sitzt seit Montag in Untersuchungshaft. Seine Frau Sylvia, die Tochter der Toten, wurde mit 21 anderen Verdächtigen zwar ebenfalls festgenommen. Aber bisher gibt es offenbar keine Indizien, dass sie von dem mutmaßlichen Komplott wusste.

Als Honorarkonsul Polens war Wojciech Janowski eine Größe in dem Kleinstaat

Dem Täter auf die Spur gekommen war die Polizei dank der Videoüberwachung am Tatort. Mit den Handy-Daten der Täter identifizierten sie das kriminelle Netzwerk. Schwiegersohn Wojciech Janowski, in Monaco als Geschäftsmann und Honorarkonsul Polens eine Größe, muss sich nun verdächtige Überweisungen vorhalten lassen: "Die muss er uns erklären", sprach Staatsanwalt Robin lächelnd. Die Ermittler vermuten, es sei Blutgeld geflossen. Aus Polizeikreisen heißt es, Janowski sei unzufrieden gewesen mit der Summe, die seine reiche Schwiegermutter seiner Frau anwies: monatlich 500 000 Euro.

Die Kugeln, die die 77-jährige Frau am 6. Mai vor den Pforten eines Krankenhauses in Nizza zunächst schwer verletzt und letztlich getötet hatten, trafen auch das Fürstentum in Herz. Schließlich war Hélène Pastor nicht irgendwer. Die "Vize-Fürstin" oder "unsere wahre First Lady" nannten die Monegassen die Multimilliardärin. Pastor zählte zu den reichsten Frauen auf Erden: Sie war eine der drei Nachfahren von Gildo Pastor, dem legendären Bauherrn, der es in Monaco verstanden hatte, aus Beton Gold zu machen.

Auch dies ist eine filmreife Geschichte, eine kapitalistische Saga. Begonnen hat sie vor über 130 Jahren, als Stammvater Jean-Baptiste Pastor als armer Steinmetz aus Ligurien in den Kleinstaat am Mittelmeer zog. Damals war Monaco ein verschlafenes Nest. Pastor war fleißig, machte sich einen Namen, gewann Zugang zu Hofe. Geadelt wurde er 1936, als der damalige Fürst Louis II. dem Zuwanderer den Auftrag erteilte, Monacos erstes Fußballstadion zu bauen.

Den Aufstieg der Pastors in den globalen Geldadel vollbrachte Sohn Gildo. Der kaufte kurz nach dem Zweiten Weltkrieg jede Menge Land zu Spottpreisen, darunter auch das Brachland östlich des legendären Spielkasinos. Dort baute er in den Sechziger- und Siebzigerjahren reihenweise jene nicht eben schönen Appartementkomplexe mit Meerblick, die bis heute das Gesicht des Steuerparadieses prägen. Gildo Pastor, so huldigt ihm bis heute sein Enkelin Delphine, sei "ein Visionär" gewesen.

Auf jeden Fall war der enge Freund des damaligen Fürsten Rainier III. ein kluger Geschäftsmann. Gildo Pastor verkaufte nicht - er vermietete. So profitiert seine Familie von den explodierenden Immobilienpreisen im Kleinstaat, die allein in den vergangenen 30 Jahren um das Hundertfache stiegen. Bis heute besitzt die Familie ungefähr 500 000 Quadratmeter Wohnfläche, beinahe ein Fünftel des verfügbaren Wohnraums in dem nur 2,2 Quadratkilometer kleinen Ministaat. Bei den in Monaco üblichen Kaufpreisen von 38 000 Euro pro Quadratmeter errechnet sich ein Vermögen von knapp 20 Milliarden Euro.

Fürst Albert hat die Zahl der Leibwächter für Charlène verdoppeln lassen

Solche Summen wecken Begehrlichkeiten. Und nähren Spekulationen. In den Wochen nach dem Mordanschlag waren Gerüchte durch Monaco gewabert, die Mafia - wahlweise die italienische oder die russische - stecke hinter dem Grauen. Hélène Pastor hatte im Rufe gestanden, eine harte, aber saubere Geschäftsfrau zu sein. Sie habe, so berichteten Insider, stets darüber gewacht, keine zwielichtigen Gestalten ins Immobiliengeschäft vordringen zu lassen.

Die Gerüchte über mafiöse Hintergründe hatten das Fürstentum verunsichert. Gerade weil Sicherheit ein Faktor ist, mit dem Monaco die Reichen dieser Welt umwirbt: Mit einem Polizisten und einer Videokamera für jeweils 70 Einwohner zählt der Kleinstaat zu den am besten überwachten Gemeinwesen der Welt. Seine Durchlaucht Fürst Albert II. äußerte nach dem Anschlag auf Hélène Pastor, er sei "schockiert" - und verdoppelte prompt die Zahl der Leibwächter für seine Frau Charlène.

Am 21. Mai war Hélène Pastor ihren Verletzungen erlegen. Zuvor hatte sie Claude Pallanca, ihrem früheren Ehemann, versichert, sie wisse nicht, wer sie habe töten wollen: "Es ist völlig unerklärlich", soll sie Pallanca ins Ohr gehaucht haben. Dasselbe hat sie auch der Polizei gesagt. Dass der Auftrag für den Mord offenbar aus der eigenen Familie kam, hat sie nie erfahren.

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