Erfolgreiche Vermisstensuche in den USA:Das Foto vom Mann am Lüftungsschacht

Erfolgreiche Vermisstensuche in den USA: Schutz suchen vor der Kälte: Der 20-jährige Nick Simmons, so wie ihn die Fotografin Jaquelyn Martin in der Innenstadt von Washington, nur ein paar Blocks vom Capitol entfernt, angetroffen hat.

Schutz suchen vor der Kälte: Der 20-jährige Nick Simmons, so wie ihn die Fotografin Jaquelyn Martin in der Innenstadt von Washington, nur ein paar Blocks vom Capitol entfernt, angetroffen hat.

(Foto: AP)

Der 20-Jährige verließ sein Elternhaus, nur mit Pyjama und T-Shirt bekleidet, bei den eisigen Temperaturen, die derzeit an der Ostküste der USA herrschen. Tagelang hatte die Familie von Nick Simmons keine Ahnung, wo er war. Sie schaltete die Polizei ein, suchte über Facebook und Twitter - bis ein Foto sie auf die entscheidende Spur brachte.

Zusammengeknauert presste sich der junge Mann an das Gitter des Lüftungsschachts und versuchte, sich an dem austretenden Dampf zu wärmen. Jacquelyn Martin war ein bisschen betroffen, doch das Motiv erschien ihr trotzdem gut geeignet, um zu zeigen, wie die Kälte immer stärker Besitz ergreift von der Ostküste der USA.

Also ging Martin, die in Washington D.C. als Fotografin für die Nachrichtenagentur Associated Press arbeitet, auf den Mann zu und fragte ihn, ob sie ihn fotografieren dürfte. Sie durfte, nur seinen vollen Namen wollte der Mann nicht in der Zeitung lesen, wie Martin ein paar Tage später in einem Interview erzählte.

"I introduced myself and shook his hand and he would only say that his name was 'Nick'. I told him that if I could write his whole name in the photo sometimes it could help him connect with family and he said, 'No, I'm OK, but you can just write that my name is Nick.'"

Zunächst war Martins' Aufnahme ein Agenturfoto unter vielen. Einige Zeitungen druckten es ab, in ihren Berichten über die große Kälte. In weiten Teilen des Landes sind die Temperaturen derzeit so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht, bei gefühlt bis zu Minus 40 Grad. Tausende Flüge fallen aus, Schulen bleiben geschlossen, der Nationale Wetterdienst warnt vor "lebensbedrohlichen" Bedingungen.

Auch die landesweit erscheinende USA Today zeigte das Foto. Am nächsten Tag erreichte Jacquelyn Martin eine Nachricht von deren Reportin Natalie DiBlasio, die den Bericht dazu geschrieben hatte. Di Blasio wandte sich an die Fotografin, weil sie zuvor einen Tweet bekommen hatte - von Hannah Simmons, die auf dem Bild ihren vermissten Bruder erkannt hatte.

Nick Simmons, der in der Kleinstadt Greece im Bundesstaat New York lebt, war am Neujahrstag plötzlich verschwunden. Zeugen sahen ihn in einem roten Buick davonfahren, er trug nur ein T-Shirt, eine Pyjamahose und Turnschuhe, Geld und Handy ließ er zurück.

Tagelang wusste seine Familie nicht, wo er war. Sie schaltete die Polizei ein, informierte die Presse und verbreitete die Vermisstenmeldung über Facebook und Twitter. Reporterin DiBlasio stellte schließlich den Kontakt zwischen der Familie und der Fotografin her. Die hatte das Bild vor dem Gebäude der Federal Trade Commision in der Pennsylvania Avenue gemacht, nur ein paar Blocks vom Capitol entfernt und half jetzt bei der Suche. Gemeinsam mit zwei Freunden von Familie Simmons durchkämmte Martin die Blocks in der Innenstadt.

Schließlich waren es Beamte der Washington Metropolitan Police, die Nick Simmons fanden und zur vorsorglichen Untersuchung in das Krankenhaus der George Washington University brachten. Er sei körperlich unversehrt, aber ein wenig verstört, heißt es von Seiten der Polizei. Inzwischen ist er in seine Heimatstadt Greece zurückgekehrt und wieder mit seiner Familie vereint.

Warum Simmons am Neujahrstag verschwand, ist bisher unklar. Weder die Polizei noch das Krankenhaus wollten zu den Gründen genaue Angaben machen. Er sei ein "normaler 20-Jähriger gewesen, der bei seiner Familie gelebt und sich sein Geld mit Aushilfsjobs bei Fastffod-Ketten verdient habe", schreibt der TV-Sender CNN unter Berufung auf die Behörden. Ein Polizeisprecher deutete lediglich an, dass es eine "Diskussion" zwischen Nick Simmons und seiner Familie gegeben haben soll.

Auf Twitter bedankte sich Andrea Simmons, die Mutter von Nick, bei allen die bei der Suchaktion geholfen haben.

Für Fotografin Jacquelyn Martin ist Nick Simmons ein schönes Beispiel dafür, dass es hinter jeder Nachricht immer auch ein persönliches Schicksal von Menschen steckt.

"It's very easy to put people in a box and to forget that these are real people who have families who love them and are worried about them. An experience like this really reminds you that every person has a story."

Wie außergewöhnlich es war, dass Nick Simmons und seine Familie so schnell wieder zusammengeführt wurden, versucht CNN mit einer Zahlenangabe zu verdeutlichen. Dass die Bildredakteure der USA Today ausgerechnet dieses Bild ausgewählt haben, sei reiner Zufall gewesen. Denn der Bildkanal von AP enthalte ständig Tausende Fotos, allein zur Kälte seien es am Samstag 126 Fotos gewesen, auf dreien davon war Nick Simmons zu sehen, aber nur auf einem einzigen war auch sein Gesicht zu erkennen.

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