Entscheidung über Stierkampfverbot:Die spanische Krankheit

Abscheu und Faszination: Katalonien erwägt ein Verbot des Stierkampfs - auch weil manche Patrioten ihn als Symbol des ungeliebten spanischen Zentralstaats sehen.

Javier Cáceres

Dem Stierkampf droht die estocada, der Todesstoß. Jedenfalls in Katalonien, der ebenso renitenten wie wirtschaftsstarken Region im Nordosten Spaniens. Mehr als 180.000 Katalanen haben ein Volksbegehren unterzeichnet, das die Abschaffung des tödlichen Spektakels fordert. An diesem Freitag wird das Regionalparlament in Barcelona darüber entscheiden, ob ein entsprechender Gesetzesantrag ausgearbeitet wird.

Stierkämpfer Juan Jose Padilla, Pamplona, dpa

Einer der berühmtesten Züchter Spaniens deutet die schwindende Attraktivität des Stierkampfes als Angst der Menschen, den Tod als Teil des Lebens zu akzeptieren.

(Foto: Foto: dpa)

"Prou!" (Basta!) nennt sich die Initiative, die im Gewand des Tierschutzes daherkommt, aber auch nationalistische Zwischentöne kennt. In Madrid gilt als ausgemacht, dass die sehr auf ihre Eigenständigkeit bedachten Katalanen den Stierkampf vor allem deshalb verbieten wollen, weil ihnen das Todesspektakel als spanisches und damit unkatalanisches Symbol gilt.

Viele Medien in Madrid machen deshalb Front gegen die Stierkampfgegner und unterstellen ihnen separatistische Bestrebungen. Derartige patriotische Empörung war nicht zu verzeichnen, als 1991 die Regierung der Kanarischen Inseln die Stierkämpfe untersagte. Sie waren damals zusammen mit dem TV-Hit Hahnenkampf verboten worden.

"Ich gehe wieder hin"

Der Abscheu, der den Stierkampf begleitet, ist nicht gar so alt wie das Spektakel an sich. Aber fast. Schon im 19. Jahrhundert wandten sich Reisende wie Hans Christian Andersen angewidert ab.

Andere Künstler hingegen - Hemingway, García Lorca, Picasso - erlagen selbst der Faszination. Auch wenn ihnen ihr Kopf eigentlich etwas anderes ganz diktierte: "Eine Barbarei. Aber wenn sie morgen wieder ist: Ich gehe wieder hin", schrieb Kurt Tucholsky.

Auch heute melden sich beiderseits der Barrikaden prominente Kulturleute zu Wort. Die Stierkampfgegner haben Philosophen, Filmemacher, Schriftsteller und sogar Silikonwunder wie Pamela Anderson mobilisiert; die Lobby der Fiesta-Befürworter wird von Rockstars, Fußballern und Schriftstellern wie dem Peruaner Mario Vargas Llosa angeführt.

Sie appellierten an den liberalen Charakter Kataloniens: Nicht weniger als "die Freiheit selbst, eine weitere Fraktion der Freiheit, der Freiheit von uns allen" stehe auf dem Spiel, heißt es in ihrem Manifest, das auch von einer erklecklichen Zahl an Tierärzten unterzeichnet wurde. Als gelte es, an das berühmte Tierschutz-Argument für den Stierkampf zu gemahnen.

Sympathie für den Stierkampf sinkt

Ohne Fiesta würde kein Stierbesitzer mehr den wilden Zuchtstieren das jahrelange, sündhaft teure Leben auf saftigen Weiden finanzieren, das der Begegnung mit dem Tod in der Arena vorangeht. Die aufopferungsvolle Hege sei allemal besser als das Dahinvegetieren eingepferchter Ochsen, die irgendwann im Schlachthof landen.

Dass die Stierkampfindustrie laut aufschreit, versteht sich von selbst. Zumal sie fürchten muss, dass die Debatte die Attraktivität des Stierkampfes weiter schwinden lässt. Umfragen zufolge nimmt die Zahl der Anhänger ohnehin schon stetig ab, in Barcelona füllt sich die Monumental-Arena nur bei den ergreifenden Auftritten des mythischen José Tomás, des kühnsten und besten Toreros der Gegenwart.

Eduardo Miura, einer der berühmtesten Züchter Spaniens, sieht in der abnehmenden Sympathie für den Stierkampf ein Zeichen der Zeit. Die heutige Gesellschaft suche "ein angenehmeres, bequemeres" Leben. "Man fürchtet den Tod und will nicht erkennen, dass er Teil des Lebens ist."

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