England:Papa Schlapp

Public Schoolgirls

Beispielhaft: Britische Schülerinnen, Mitte des 20. Jahrhunderts.

(Foto: Getty Images)

Eine britische Schule hat die Nase voll von Eltern im Pyjama und Hausschuhen und fordert mehr Kleiderdisziplin.

Von Martin Zips

Die Liebe der Bewohner Darlingtons zu besonders legerer Kleidung ist gar nicht so leicht zu erklären. Vielleicht ist es die besondere Beziehung der im Norden Englands lebenden Menschen zu ihrem Fußballverein FC Darlington, der bei seinen Heimspielen in der Darlington Arena pyjamaartige, schwarz-weiß gestreifte Trikots bevorzugt. Vielleicht ist es aber auch der große Einfluss der Quäker auf die Stadt. Nach dem Quäker-Glauben hat jeder Mensch göttliches Licht in sich, völlig wurscht, welche Kleidung er als Lampenschirm drüber trägt. Sogar der Einfluss der deutschen Partnergemeinde Mülheim an der Ruhr, aus der so unprätentiös gekleidete DenkerInnen wie Helge Schneider oder Hannelore Kraft stammen, könnte - möglicherweise - einen Teil des in Darlington gepflegten Laissez-faire erklären.

Doch jetzt reicht es. Direktorin Kate Chisholm, die die "Skerne Park Academy" genannte Schule in Darlington leitet, platzt langsam der Schuluniformkragen. Chisholm hat festgestellt, dass immer mehr Eltern "Pyjamas und Hausschuhe" tragen, wenn sie ihre Kinder zum Unterricht bringen. So beklagt es die Schulleiterin dieser Tage in einem geharnischten Elternbrief. Für das Wetter, welches Darlington auszeichnet, sei eine solche Bekleidung kaum geeignet, unterstreicht Chisholm und appelliert an alle Erziehungsberechtigten: "Sicher stimmen Sie mit mir darin überein, dass wir unseren Kindern ein gutes Beispiel darüber abgeben sollten, was im Leben angemessen und akzeptabel ist." Das Auftauchen von Couch-Potatoes im befleckten Freizeitdress vor angesehenen Bildungseinrichtungen ist es aus ihrer Sicht offenbar eher nicht.

"Viele Eltern und Bürger haben mich für den Brief gelobt."

Es dauerte nicht lange, bis die ersten Reporter (vermutlich unrasiert und rauchend) vor dem Schulgebäude auftauchten. Sie wollten sehen, welche Reaktionen Chisholms Kleider-Manifest bei den Eltern ausgelöst hat. Mit dem von diversen Facebook-Gruppen zuvor schon ausgerufenen "Internationalen Jogginghosen-Tag" hatte der Weckruf der Direktorin nichts zu tun. Die bewusste Missachtung der Kleiderordnung habe sie schon während einer Weihnachtsfeier wahrgenommen, meinte sie. Kollegen von ihr hatten in Middlesbrough und Belfast bereits ähnliche direktorale Schreiben verfasst - mit mäßigem Erfolg.

Auch in Darlington halten sich Zustimmung und Protest die Waage. "Viele Eltern und Bürger haben mich für den Brief gelobt", berichtete Kate Chisholm der Daily Mail. "Einige beklagten sich aber auch. Vor allem diejenigen, die Pyjamas tragen." Dass manche Eltern nach dem Brief nun auch ihre Kinder in Schlappen und Morgenmänteln in den Unterricht schickten, muss für die Schulleiterin ein herber Schlag gewesen sein. Denn wie sagt Karl Lagerfeld? "Wer eine Jogginghose trägt, der hat die Kontrolle über sein Leben verloren." Novalis erkannte freilich schon vor mehr als 200 Jahren, dass nicht nur England, sondern jeder Engländer eine Insel ist. Da hat man es als Direktorin auch nicht leicht.

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