Elternsprecherin der Odenwaldschule:"Ich empfehle die Schule weiter, gerade jetzt"

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Kerstin Fuhrmann verteidigt den pädagogischen Ansatz der Odenwaldschule vehement - die Elternbeiratsvorsitzende sieht aber auch die Probleme des von einem Missbrauchsskandal erschütterten Internats.

Von Susanne Höll

Kerstin Fuhrmann ist 49 Jahre alt, Rechtsanwältin von Beruf, Mutter zweier halbwüchsiger Kinder und hat eine, wenn man so will, eigenwillige Berufung. Sie wirbt mit Vehemenz um Nachwuchs für die Odenwaldschule, die durch Missbrauchsskandale ins Zwielicht geraten, nun auch finanziell schwer ins Trudeln geraten ist und ernsthaft um ihre Zukunft bangen muss.

"Ich empfehle die Schule weiter, gerade jetzt", sagt Fuhrmann, Vorsitzende des Elternbeirats der einst so renommierten Reform-Bildungsstätte. Die muss, wenn sich nicht Grundlegendes ändert, im kommenden Sommer vermutlich schließen. Fuhrmann weiß, dass die Nachwuchswerbung alles andere als einfach ist. Die Eltern der Odenwaldschule müssen sich auch in diesen Tagen immer wieder rechtfertigen, warum sie ihre Kinder ausgerechnet dorthin schicken. Das pädagogische Konzept, sagt Fuhrmann, sei es wert.

"Die Kinder sind dort keine Nummern"

Sie selbst absolvierte ihr Abitur an einem staatlichen hessischen Gymnasium und hatte dort eine schöne Zeit. Ihre beiden Töchter - die ältere ist 14, die zweite ein Jahr jünger - schickt sie aber auf die idyllisch im Wald gelegene Odenwaldschule bei Heppenheim an der Bergstraße. Beide sind Tagesschülerinnen, nach dem Unterricht kommen sie nach Hause. Fuhrmann sagt, sie würde die beiden aber ohne jedwede Bedenken in das Internat schicken. Dort wurden in früheren Jahren mehr als 130 Jugendliche sexuell missbraucht. 2010 wurde der Skandal publik, die Schule versprach Aufklärung, bessere Kontrollen, eine neue Zeit.

Erfüllt haben sich die Verheißungen nicht. Im Frühjahr gab es viel Geheimniskrämerei um einen Lehrer, der Kinderpornos aus dem Internet besorgt hatte. Diese Affäre hat auch Fuhrmann und andere Eltern verstört. Aber nach wie vor sind sie Fans der Odenwald-Philosophie: kleine Klassen, höchstens 15 Kinder. Jeder in der gesamten Odenwaldschule kennt sich mit Namen. Der Unterricht findet nicht nur in der Klasse, sondern auch in eigenen Werkstätten statt, und in der Natur. "Die Kinder sind dort keine Nummern", sagt Fuhrmann.

Die Begeisterung für den pädagogischen Ansatz verstellt der Elternbeiratsvorsitzenden aber nicht den Blick für die Probleme. Die Organisation dort müsse dringend geändert werden, verlangt sie. Der Trägerverein, der offenkundig lange Zeit weder Behörden noch Eltern über die prekäre Finanzlage informierte, gehöre schnellstens umgebaut. Ein so schwerfälliges Gremium sei längst nicht mehr zeitgemäß. Auch müssten die Eltern künftig stärker in den Umbau eingebunden sein, ein gedeihlicher Ausgleich mit den Missbrauchsopfern von einst gefunden werden.

Fuhrmann weiß, dass allein die Schule die Verantwortung für ihr Geschick trägt und nun alsbald positive Nachrichten liefern muss. Denn andernfalls bleiben Betriebsgenehmigung und Neuanmeldungen aus - und nur mit neuen Kindern, sagt die Elternsprecherin, könne es im Odenwald weitergehen.

© SZ vom 23.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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