Elizabeth II. in Deutschland:Typisch britisch

  • Was ist typisch britisch? An der TU Berlin besucht die Queen am Nachmittag einen Vortrag.
  • Zuvor waren Königin Elizabeth und Kanzlerin Merkel zu einem Vier-Augen-Gespräch zusammengekommen.
  • Bei trübem Wetter hatte am Morgen Bundespräsident Gauck Queen Elizabeth auf Schloss Bellevue empfangen. Dann schipperten sie gemeinsam über die Spree.

Von Jana Stegemann, Berlin

Festbankett auf Schloss Bellevue

Höhepunkt des ersten Tages des Queen-Besuchs in Deutschland ist ein Festbankett zu Ehren der Königin im Amtssitz des Bundespräsidenten, Schloss Bellevue. Es herrscht entspannte Stimmung am zentralen Tisch des Abends. Elizabeth plaudert angeregt mit Daniela Schadt. Die Lebensgefährtin des Bundespräsidenten ist in einem lachsfarbenen Kleid gekommen. Kanzlerin Angela Merkel, lavendelfarben gekleidet, ist ins Gespräch mit dem Ehemann der britischen Königin vertieft. Premier David Cameron hat an ihrer Seite Platz genommen.

Dass Elizabeth die Hauptperson ist, kann niemandem entgehen. Alles funkelt und glitzert an der Königlichen Hoheit. Das Diadem im weißen Haar, die Broschen an der tiefroten Schärpe, das mit Pailletten übersäte, weiße Kleid. Joachim Gauck scherzt mit der Queen, aber eher zurückhaltend. Es wird viel gelächelt und es wird deutlich: Die beiden betagten Staatsoberhäupter - sie ist 89, der Bundespräsident 75 - mögen sich.

Gemeinsam hören die Gäste eine ausgesprochen politische Tischrede Gaucks zum fünften Staatsbesuch der Königin.

Nettes Detail am Rande: Das Protokoll hat im Großen Saal des Schlosses als höchste Tischnummer die 17 verteilt - obwohl es nur 16 festlich gedeckte Tische gibt. Des Rätsels Lösung? Einen Tisch Nummer 13 gibt es nicht - aus Rücksicht auf die Abergläubigen unter jenen, die eine der begehrten Einladungen bekommen haben. Der Sänger Max Raabe gehört auch zum ausgewählten Kreis - in Großbritannien ist er sehr beliebt, genauso wie die weltberühmte Geigerin Anne-Sophie Mutter und Deutschlands bekanntester Adelsexperte Rolf Seelmann-Eggebert.

Tour durchs Kanzleramt

Schon am Morgen war die Aufgregung in Berlin groß: 150 Schaulustige und etwa 80 Journalisten haben stundenlang im grauen Junimorgen vor dem Kanzleramt gewartet, per Hand werden die letzten Fussel vom roten Teppich gezupft, dann geht es los: Eine Polizeieskorte fährt vor, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Kanzleramtsminister Peter Altmaier betreten den Teppich, aus einem weinroten Bentley entsteigen Queen Elizabeth und Prinz Philip. Die Begrüßung wirkt warmherzig. Händeschütteln, lächeln, Blitzlichtgewitter und der Lärm klickender Kameras. Noch einmal Winken, Abgang der vier ins Kanzleramt. Das ganze Spektakel dauert nicht einmal drei Minuten.

Dann zeigt Merkel, sie trägt an diesem Mittwoch einen korallenfarbenen Blazer, der Queen persönlich das Kanzleramt. Regierungssprecher Steffen Seibert hat ein Video davon getwittert. "Das ist das Zimmer, in dem wir normalerweise Premierminister und Präsidenten zum Abendessen empfangen", sagt Merkel auf Englisch. Von einem Balkon aus zeigt sie dem Gast, wo einst die Grenze verlief, sie selbst habe in Ostdeutschland gelebt. "Dort, wo der Zug fährt, da stand die Mauer", sagt Merkel.

Dann geht es zurück nach drinnen, die beiden Frauen setzen sich. Die Kanzlerin merkt an, dass es bereits der fünfte Staatsbesuch der Britin in Deutschland ist. "Ich finde, es ist ein außergewöhnliches Jahr - 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs", sagt sie. Und nun ist zum ersten Mal in dem kurzen Film auch die Queen zu hören: "So ist es tatsächlich, nicht wahr", sagt sie. "Es gibt so viele Jahrestage."

Vorlesung für die Queen

Beim anschließenden Gespräch zwischen Merkel und der Königin dürfte es auch um das geplante britische Referendum über den Verbleib des Landes in der Europäischen Union gegangen sein. Die Unterredung gilt jedoch als streng vertraulich. "In 60 Jahren Regierungszeit der Queen ist aus Gesprächen, die sie geführt hat, nie etwas herausgedrungen", hatte Seibert kürzlich gesagt. Das werde auch so sein, wenn die Königin nach Berlin kommt.

Gegen Mittag betreten die Staatsgäste aus Großbritannien die Berliner Neue Wache, eine Gedenkstätte für Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. Zwei Soldaten legen in ihrem Namen einen Kranz vor der Skulptur "Mutter mit totem Sohn" der Künstlerin Käthe Kollwitz nieder. Dann geht es zurück ins Hotel Adlon. Mittagspause für Elizabeth und Prinz Philip. Und der Heimat kommen derweil schlechte Nachrichten: Die Queen muss den Buckingham-Palast möglicherweise vorübergehend räumen, damit dieser umfassend renoviert werden kann.

Auch in Berlin geht es am Nachmittag um England, allerdings um fröhlichere Themen: Der akkurat getrimmte Rasen, die Liebe zu Hunden und James Bond. Die Königin Elizabeth besucht die Technische Universität in Berlin und hört dort einen Vortrag über typisch Britisches. Zur "Queen's Lecture" kommt neben der Monarchin überraschend auch Merkel. Das wohl stärkste Symbol des Landes sei die Königin selbst, sagt der britische Museumsdirektor Neil MacGregor bei seiner Vorlesung auf Englisch. "Das zentrale und dauerhafte Element ist die Queen. Während James Bonds Dienste im Geheimen stattfinden, sind die Ihrer Majestät öffentlich."

"Erst der Ami, jetzt die Omi"

Vor der Universität hatten zahlreiche Studenten die Königin begrüßt. Ein Mädchen überreichte der Queen Blumen. Eine Schulklasse - die 6b der Leonhart-Fuchs-Mittelschule - hatte schon vor dem Kanzleramt auf den Gast gewartet. Die Sechstklässler sind eigens für die Queen aus dem bayerischen Wemding angereist. Am Montag waren sie bereits am Flughafen Tegel. Englischlehrerin Angela Neudert sagt: "Englisch lernen ist ja mehr als nur Vokabeln zu pauken. Ich versuche, den Kindern das Land und die dortige Lebenswirklichkeit näher zu bringen. Jeder gute Pädagoge schafft es, wenn er denn will, die Begeisterung für etwas auf die Schüler zu übertragen."

Queen in Berlin

Die Klasse 6b der Leonhart-Fuchs-Mittelschule ist extra aus Bayern zum Queen-Besuch angereist.

(Foto: Jana Stegemann)

Das ist Frau Neudert offenbar mehr als gelungen: Die Klasse zelebriert jeden Freitag Tea-Time, die Kinder haben auch schon Briefe an die Queen geschrieben. Der Antwortbrief hängt goldgerahmt im Klassenzimmer. Am Kanzleramt schwenken die Kinder Union-Jack-Fähnchen, sie tragen Masken mit Gesichtern der Royal Family und sind wunderbar aufgeregt. "Ich finde die Queen toll, weil sie so edel ist", sagt die elfjährige Nina.

Die Strecke zwischen Kanzleramt und Schloss Bellevue, wo Bundespräsident Joachim Gauck die Queen am Vormittag mit militärischen Ehren empfangen hatte, legten Elizabeth und Philip größtenteils per Boot zurück. An Bord der Ajax schipperte das königliche Paar in Begleitung von Gauck und seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt laut Programm exakt 17 Minuten lang über die Spree, die schmutzig-grün dahindümpelte. Während Gauck seine Besucher immer wieder auf Sehenswürdigkeiten am Ufer aufmerksam machte, jubelten diesen zahlreiche Schaulustige zu.

Queen staunt über royalblaues Pony

Zuvor hatte sich die Queen ins Gästebuch des Bundespräsidenten eingetragen und sich für etwas mehr als die geplanten 20 Minuten zu einem Gespräch mit dem deutschen Staatsoberhaupt zurückgezogen. Die Garderobe der Queen ist staatstragend: Wie bei ihrem Thronjubiläum 2012 trägt sie einen weißen Hut und Mantel von Hofschneiderin Angela Kelly. Auch Daniela Schadt, die Lebensgefährtin von Gauck, trägt Hut.

Vom Präsidenten gab es für Elizabeth noch ein besonderes Geschenk: Er überreichte ihr das Gemälde "Pferd in Royalblau" der Künstlerin Nicole Leidenfrost, die in Wedel bei Hamburg lebt und arbeitet. Das Bild zeigt die 1926 geborene Elizabeth im Alter von etwa neun Jahren auf einem Pony und entstand nach der Vorlage eines alten Fotos, auf dem auch ihr Vater George VI. zu sehen ist. "Soll das mein Vater sein?", sagte sie zu Gauck, der gut gelaunt zurückfragte, ob sie ihn nicht erkenne. Die Antwort: "Nein."

Bereits am Morgen wurde Schloss Bellevue weiträumig abgesperrt - zum Unmut einiger Berliner. "Dit nervt. Erst der Ami, jetzt die Omi", sagte der Busfahrer auf dem Weg nach Bellevue. Mit "Ami" ist US-Verteidigungsminister Ashton Carter gemeint, der Berlin erst am Montag beehrt hat.

Mit Material von dpa und AFP.

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