Eislingen-Prozess:Hohe Haftstrafen für Vierfachmörder

Die beiden Vierfachmörder von Eislingen sind zu hohen Haftstrafen verurteilt worden. Der Sohn der getöteten Familie bekam lebenslänglich - einschließlich Sicherungsverwahrung.

Das Landgericht Ulm hat die beiden Vierfachmörder von Eislingen zu hohen Haftstrafen verurteilt. Andreas H., der 19-jährige Sohn der getöteten Familie, erhielt wegen Mordes lebenslänglich. Das Gericht stellte bei ihm eine besondere Schwere der Schuld fest. Damit ist eine Haftentlassung nach 15 Jahren ausgeschlossen. Sein 20-jähriger Helfer Frederik B. bekam eine Jugendstrafe von zehn Jahren.

Das Gericht ordnete für Andreas H. außerdem eine vorbehaltene Sicherungsverwahrung an: Zum Ende der Haftzeit wird geprüft, ob er eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt und deshalb eingesperrt bleibt. Das Gericht folgte damit dem Antrag der Staatsanwältin. Nach ihrer Überzeugung handelte Andreas H. aus Habgier: Er habe das Vermögen der Familie alleine erben wollen.

Damit soll eine Tat gesühnt werden, die vor fast genau einem Jahr bundesweit für Fassungslosigkeit sorgte: Der damals 18 Jahre alte Gymnasiast Andreas H. löschte am Gründonnerstagabend gemeinsam mit seinem damals 19-jährigen Freund Frederik B. seine Familie aus. Im Hagel von 30 Pistolenkugeln starben zunächst die beiden Schwestern und später die Eltern von Andreas H. Doch wer von den beiden schoss, blieb in dem Prozess neben vielen anderen Fragen unklar. Die Kleinkaliberpistolen hatten die Täter bei einem Einbruch in einen Schützenverein erbeutet.

Die Täter erschossen zunächst gegen 21 Uhr die beiden Schwestern Ann-Christin, 24, und Annemarie, 22, die gerade vom Bett aus fernsahen. Gegen 23 Uhr gingen die jungen Männer in die Gaststätte, in der sich die Eltern - der 57-jährige Heilpraktiker Hansjürgen und die 55-jährige Lehrerin Else - mit Bekannten getroffen hatten und setzen sich an deren Tisch.

Nach einer halben Stunde verließen die Täter das Lokal und warteten im Familienhaus auf die ahnungslosen Eltern. Während die Mutter im Bad war, erschossen sie den Vater. Wenig später musste auch die Mutter sterben, als sie von den Schüssen alarmiert aus der Toilette stürmte. Acht Kugeln töteten den Vater, drei die Mutter. Die Opfer trugen noch ihre Straßenkleidung.

Scheinbare Vorzeigefamilie

Erst am Karfreitag um 10.42 Uhr alarmiert der damals 18-Jährige völlig aufgelöst die Polizei. Mit einem Freund habe er die Leichen seines Vaters, seiner Mutter sowie der beiden Schwestern entdeckt. Die Ermittler nahmen die beiden "dicken Freunde" aber schon früh ins Visier, da Einbruchsspuren fehlten. Die Eltern des 19-Jährigen hatten nach eigenen Angaben nichts bemerkt.

Die Familie galt in dem 20.000-Einwohner-Ort als Vorzeigefamilie - die Realität sah jedoch offenbar anders aus: Der dominante Vater, ein ehemaliger Sexshop-Besitzer, neigte zu cholerischen Anfällen, der Sohn hegte nach Angaben der Verteidigung Suizidgedanken.

Das Motiv blieb dennoch unklar: Einem psychiatrischischen Gutachter zufolge handelte es sich zwischen Vater und Sohn um "08/15-Konflikte", die nicht zu einem Tyrannenmord reichten.

Kampf ums Familienerbe

Bei Frederik B. ging die Anklagebehörde von einem Freundschaftsdienst aus. Sie berücksichtigte in ihrem Plädoyer ein vom Gutachter attestiertes "Asperger-Syndrom", eine Art Autismus.

Die Verteidiger der beiden Angeklagten hatten Jugendstrafen gefordert, ohne ein konkretes Strafmaß zu nennen.

Indessen kämpfen die Verwandten des ermordeten Ehepaares um das Erbe. Denn das Landgericht Ulm erklärte den Sohn der getöteten Familie bereits für erbunwürdig.

Beim Erbe kommt es darauf an, wer zuerst gestorben ist - Vater oder Mutter? Zwar wurde der Vater vor der Mutter erschossen. Er starb jedoch an inneren Blutungen und das könnte länger gedauert haben als der Tod der Mutter durch eine Hirnschädigung, erläuterte der Anwalt der Verwandten des Vaters. Kann dies nicht geklärt werden, greift das Verschollenengesetz. Demnach wird vermutet, dass beide gleichzeitig gestorben sind, wenn nicht das Gegenteil bewiesen werden kann. Dann würden beide Familien der Toten erben.

Der Prozess dauerte mehrere Monate und endete nun fast genau ein Jahr nach der kaltblütigen Tat. Das Gericht vernahm rund 40 Nachbarn, Freunde und Bekannte von Opfern und Tätern. Es verhandelte 20 Tage lang - ohne Zuschauer, da sich die Vierfachmörder zunächst auch wegen mehrerer Einbrüche in einen Supermarkt und Tennisclub vor Gericht verantworten mussten.

Diese Taten hatten sie begangen, als sie noch minderjährig waren. Kurz vor Ende des Prozesses stellte das Gericht diese Verfahren vorläufig ein. Nur die Anklage wegen eines Einbruchs in die Eislinger Schützengilde blieb neben dem Mordvorwurf bestehen. Dort hatten die beiden Schulfreunde im Oktober 2008 die beiden Tatwaffen und 15 weitere Waffen gestohlen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: