Einzelhandel:"Wir sind hier nicht bei Karstadt"

Michael Pütz Ideenreich Essen Nur Bummeln Kostet für Ein Anruf Bei

Michael Pütz in seinem Laden "Ideenreich" in Essen, wo er von "Bummlern" jetzt Eintritt verlangt.

(Foto: privat)

Bummeln kostet: Ein Anruf beim Essener Ladenbesitzer Michael Pütz, der Eintritt von Kunden verlangt, die "nur mal gucken" wollen.

Interview: Sophie Burfeind

Kürzlich saß Michael Pütz, "seit einigen Jahren 39 Jahre alt", wie er selbst sagt, in seinem Geschenkeladen "Ideenreich" in Essen und ärgerte sich. Es war 16 Uhr, betreten hatten das Geschäft schon 50 Leute, in der Kasse lagen aber nur 12,50 Euro. Weil alle nur mal gucken wollten. Also hängte Pütz ein Schild an die Ladentür, dessentwegen er jetzt im ganzen Land bekannt ist. Nur Bummeln kostet zwei Euro steht darauf.

SZ: Falls sich trotz des Verbots doch wieder mal ein Bummler in Ihren Laden schleichen sollte - wie identifizieren Sie ihn?

Michael Pfütz: Wir sind hier nicht bei Karstadt. Sie kommen rein und stehen fünf Meter vor meiner Kasse. Da kann sich keiner reinschleichen. Das ist so, als ob ich die Leute in mein Wohnzimmer lasse. Ich frage sie, was sie suchen und weiß dann innerhalb von einer Sekunde, ob sie bummeln oder nicht.

Also hat die Bummelei jetzt ein Ende und bei Ihnen wird nur noch gekauft?

Nein, das Schild hänge ich nur auf, wenn ich oben in meinem Atelier arbeite. Es geht darum, dass ich mich im Laden entlaste, wenn ich in der Eigenproduktion tätig bin.

bummeln

Das ist das Schild, das an Michael Pütz' Ladentür in Essen hängt.

(Foto: oh)

Auf dem Schild stand: "Ab sofort". Das klingt eher grundsätzlich.

Ich habe das "ab sofort" ein paar Stunden später in "heute" geändert. Meine Stammkunden wären davon nicht betroffen gewesen, denen hatte ich per Mail ein Passwort geschickt, das ich auch bei Facebook gepostet habe. Das hätten sie mir sagen müssen, wenn das Schild hängt und ich sie nicht erkenne.

Seit der Aktion sind Sie ja ein bisschen berühmt. Sie waren im Fernsehen zu sehen und manche Leute fahren extra nach Essen, um das Schild anzugucken. Haben Sie damit gerechnet?

Ich war überrascht, dass das so eine Schreckreaktion hervorgerufen hat. Ich finde das total überzogen. Im Fifa-Skandal geht es um Millionen, das nehmen wir hin. Auch dass Leute zu riesigen Billigläden pilgern, sich aber nicht darum kümmern, wie die Sachen produziert werden, interessiert keinen. Und dann regen wir uns über zwei Euro für Bummeln auf?

Die Kleinen im Einzelhandel haben es schwer

Sie wollten mit dem Schild auf die schwierige Lage im Einzelhandel aufmerksam machen?

Ja, ich wollte darauf hinweisen, dass die kleinen Geschäfte es schwer haben und man sich überlegen muss, wie man sie unterstützen kann. Es ging mir auch darum, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen und nicht hier zu sitzen wie in einem Museum: Keiner redet mit einem und oben stapelt sich im Atelier die Arbeit.

Es gibt auch ein Handyverbot bei Ihnen.

Natürlich.

Wieso?

Die Leute lassen sich beraten, machen extrem viele Bilder, kaufen dann aber im Internet. Außerdem finde ich, das permanent angeschaltete Handy ist ein Kommunikationskiller.

Finden Sie nicht, dass Verbote abschreckend wirken?

Wenn ich Bus fahre, denke ich auch manchmal, ich würde gern eine rauchen. Aber ich muss mich die halbe Stunde eben zusammennehmen, weil es verboten ist und andere stört. Natürlich ist es traurig, dass wir immer mehr Verbote brauchen. Aber bin ich schuld an der Gesellschaft?

Es ist ja nicht Ihr erstes Schild. Am Christopher Street Day haben Sie mal eins aufgehängt, auf dem stand: "Jeder Homosexuelle erhält zehn Prozent Rabatt."

Die witzigste Geschichte dazu war: Ein Heteropärchen kam rein, also Mann und Frau. Er wollte etwas kaufen und die Frau sagte zu ihm: "Schatz, nimm mal das Geld und bezahl." Darauf sagte er zu ihr: "Ich bin nicht dein Schatz, ich bin doch schwul!" Ich lag am Boden vor Lachen - natürlich habe ich ihm zehn Prozent gegeben.

Können Sie denn selbst noch entspannt bummeln gehen?

Ja, total. Aber ich gehe nur dann in Läden rein, wenn ich auch konkret was suche.

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